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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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Abgang noch nicht ersetzen. Nun was hilfts, sehe ich doch auch meine Lust,
wie er sich in Allem so rittermännisch anzustellen weiß. Seh sie nur, liebe
Frau Schwester, kann er nicht so hurtig tanzen, wie ein anderer, und die
Dame herum drehen, daß es eine Art hat; er wird Keinem ein Glas Bier
oder Branntwein abschlagen, der Tabak ist sem einziges Lehen, bei allen Ge¬
sellschaften ist er so angenehm, daß er bisweilen kaum in drei Wochen nach
Hause kommt, womöglich mit einem blauen Auge. Daraus kann ich mir
leichi die Rechnung machen, daß er sich nach Reiterart herumschlagen und wacker
wehren muß. So wird auch hier mein Junker Martin Andres werden." --
Der Junker stand da und legte den Kopf in den Schooß der lieben Mutter. --
"Der lose Kerl weiß auch schon, daß er ein Junker ist, darum begehrt er nichts
zu lernen, sondern er reitet Ueber mit dem Rotzjungen im Felde herum; er
darf wol schon auf den Gedanken kommen, einen Degen zu haben. Das
macht mir neuen Kummer, denn ich kann mir leicht denken, daß es zuletzt
auch noch ein Pferd kosten wird, und wenn Gott nicht sonderlich hilft, werden
mir ein paar Kühe darauf gehen. Doch ich werde ihm auch wol endlich ein
ABC kaufen müssen, denn sein Herr Vater hat immer gewollt, daß er ein
recht scharfer Gelehrter werden sollte, wie er selber einer war. Ja, wenn es
nichts kostete und die gelehrten Kerls nicht soviel theure Bücher haben müßten!
Sonst sieht man wol seine Lust an ihnen, und mir gehn die Augen noch
immer über, wenn ich daran denke, wie sein Herr Bater so schön die Dank-
reden nach der Bewirthung hielt und es wol so gut als der Pfarrer machen
konnte; wie er auch einmal eine ganze halbe Stunde lauter Latein, ich weiß
nicht was, vor dem Fürsten hersagen mußte. Eins gefällt mir sehr wohl an
meinem Martin Andres, daß er so einen verschlagenen nachdenklichen Kopf
hat. Er hat mir selber an die Hand gegeben, ihm zuweilen zu etwas Gelde
zu verhelfen, indem ich ihm nämlich vergönne, das Lösegeld für das fremde
Bich zu behalten, das aus meinem Acker gepfändet wird. Darauf ist er nun
so erpicht, daß er den ganzen Tag im Getreide auflauert, ein paar Schweine
oder drgl. zu erhaschen, womit er sich auch schon bis zu einem halben Thaler
erworben. -- Dessen ungeachtet aber, und wenn ich nur gewiß wüßte, daß
meinem Junker Hans Christoph der Handel im Kriege auch so glücken würde,
wie ihrem Herrn Sohne, liebe Frau Schwester, ich wollte ja ein Jahr nicht
ansehn, und wollte versuchen, wie ich ihn dazu beredete; wenn er nur auch
gewiß Oberster und ein Freiherr würde, und auch eine reiche Dame kriegte.
Die aber müßte mir bei meiner Seele von rechtem Adel sein; denn sonst
schwöre ich, daß sie mir nicht unter die Augen kommen dürste, wenn sie gleich
in Golde steckte bis über die Ohren. Und wer weiß es, liebe Frau Schwester,
ich habe mein Lebtag gehört, daß es in andern Ländern nicht so gute Edel¬
leute gibt, als bei uns, und daß man in Holland, wo dieser Officier her ist,


Abgang noch nicht ersetzen. Nun was hilfts, sehe ich doch auch meine Lust,
wie er sich in Allem so rittermännisch anzustellen weiß. Seh sie nur, liebe
Frau Schwester, kann er nicht so hurtig tanzen, wie ein anderer, und die
Dame herum drehen, daß es eine Art hat; er wird Keinem ein Glas Bier
oder Branntwein abschlagen, der Tabak ist sem einziges Lehen, bei allen Ge¬
sellschaften ist er so angenehm, daß er bisweilen kaum in drei Wochen nach
Hause kommt, womöglich mit einem blauen Auge. Daraus kann ich mir
leichi die Rechnung machen, daß er sich nach Reiterart herumschlagen und wacker
wehren muß. So wird auch hier mein Junker Martin Andres werden." —
Der Junker stand da und legte den Kopf in den Schooß der lieben Mutter. —
„Der lose Kerl weiß auch schon, daß er ein Junker ist, darum begehrt er nichts
zu lernen, sondern er reitet Ueber mit dem Rotzjungen im Felde herum; er
darf wol schon auf den Gedanken kommen, einen Degen zu haben. Das
macht mir neuen Kummer, denn ich kann mir leicht denken, daß es zuletzt
auch noch ein Pferd kosten wird, und wenn Gott nicht sonderlich hilft, werden
mir ein paar Kühe darauf gehen. Doch ich werde ihm auch wol endlich ein
ABC kaufen müssen, denn sein Herr Vater hat immer gewollt, daß er ein
recht scharfer Gelehrter werden sollte, wie er selber einer war. Ja, wenn es
nichts kostete und die gelehrten Kerls nicht soviel theure Bücher haben müßten!
Sonst sieht man wol seine Lust an ihnen, und mir gehn die Augen noch
immer über, wenn ich daran denke, wie sein Herr Bater so schön die Dank-
reden nach der Bewirthung hielt und es wol so gut als der Pfarrer machen
konnte; wie er auch einmal eine ganze halbe Stunde lauter Latein, ich weiß
nicht was, vor dem Fürsten hersagen mußte. Eins gefällt mir sehr wohl an
meinem Martin Andres, daß er so einen verschlagenen nachdenklichen Kopf
hat. Er hat mir selber an die Hand gegeben, ihm zuweilen zu etwas Gelde
zu verhelfen, indem ich ihm nämlich vergönne, das Lösegeld für das fremde
Bich zu behalten, das aus meinem Acker gepfändet wird. Darauf ist er nun
so erpicht, daß er den ganzen Tag im Getreide auflauert, ein paar Schweine
oder drgl. zu erhaschen, womit er sich auch schon bis zu einem halben Thaler
erworben. — Dessen ungeachtet aber, und wenn ich nur gewiß wüßte, daß
meinem Junker Hans Christoph der Handel im Kriege auch so glücken würde,
wie ihrem Herrn Sohne, liebe Frau Schwester, ich wollte ja ein Jahr nicht
ansehn, und wollte versuchen, wie ich ihn dazu beredete; wenn er nur auch
gewiß Oberster und ein Freiherr würde, und auch eine reiche Dame kriegte.
Die aber müßte mir bei meiner Seele von rechtem Adel sein; denn sonst
schwöre ich, daß sie mir nicht unter die Augen kommen dürste, wenn sie gleich
in Golde steckte bis über die Ohren. Und wer weiß es, liebe Frau Schwester,
ich habe mein Lebtag gehört, daß es in andern Ländern nicht so gute Edel¬
leute gibt, als bei uns, und daß man in Holland, wo dieser Officier her ist,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/35>, abgerufen am 22.05.2024.