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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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Gleichgewichts und aus diesem Grunde nothwendig von den heftigsten
Kämpfen und innern Erschütterungen begleitet. Doch bei dem Mifsouricom-
promiß hatte es über 30 Jahre sein Bewenden; die hohe Aufregung der letz¬
ten Jahre machte einer ebenso tiefen Erschütterung der kampfermüdctcn Par¬
teien Platz. Der Friede schien für ewige Zeiten wieder hergestellt zu sein, und
Mouron's zweite Präsidentschaft, zu der er einstimmig erwählt wurde, hieß
"das Zeitalter des guten Einverständnisses".

Erst die Verhandlungen über die Aufnahme von Texas drängten die
Sklavenfrage von Neuem in den Vordergrund. Mexico hatte bekanntlich acht
Jahre nach seiner Unabhängigkeitserkläruug seine Sklaven vollständig eman-
cipirt. Unmittelbar von dieser Maßregel an datirt der Plan für Einverlei¬
bung von Texas in 'die Vereinigten Staaten. Der Süden verlangte es, um
seinen Interessen eine größere Sicherheit zu geben und sich neue Sklaven-
Märkte zu öffnen. Jackson hatte zu wiederholten Malen der mexicanischen
Regierung den Ankauf von Texas angeboten, allein alle seine Bemühungen
blieben sechs Jahre hindurch vergeblich. So wurden denn vom Südwesten
Anstalten getroffen, um dort einen Aufstand zu Stande zu bringen, und Leute
und Kriegsmunition hingesandt.

.Im December 1835 erklärten etwa 90 Bewohner von Texas die Unab¬
hängigkeit der Provinz; sie waren, mit Ausnahme von zweien, alle Ameri¬
kaner und von Niemandem zu diesem Schritte abgeordnet oder beauftragt.
Santa Anna wurde im April 1836 bei San Jacinto von den eingedrungenen
Freibeutern geschlagen, und diese machten Texas 1836 zur selbständigen Re¬
publik, deren Verfassung ganz nach dem Muster der südlichen Unionsstaaten co-
pirt war. Unfähig, selbständig zu leben oder zu sterben, wandte es sich schon
1837 an die Vereinigten Staaten um Zulassung in die Union, fand aber
beim Präsidenten van Buren nicht die erwartete Ermunterung. Deshalb ruhte
der ganze Plan bis zur nächsten Präsidentschaft unter Tyler. Dessen Staats-
secretür Upshur von Virginien eröffnete wieder die Unterhandlungen und
brachte einen Annexationsvcrtrag zu Stande, der aber am 8. Juni 1344 vom
Senate verworfen wurde. Doch bald sprach sich der Süden wie Ein Mann
für die Aufnahme von Texas als Sklavenstaat aus. Der Norden aber er¬
klärte in großer Mehrzahl aus denselben Gründen sich gegen die Aufnahme,
und fortan nahm die Frage den Charakter der Gehässigkeit zwischen Norden
und Süden an.

Die Angriffsweise der Sklavenhalter, ihre Taktik. Drohungen und selbst
Bestechungen waren ganz dieselben wie bei allen vorhergehenden Gelegen¬
heiten, wo es sich um die Ausdehnung des Stlavcngebietes handelte. Die
demokratische Partei in der ganzen Union schrieb Texas auf ihre Fahne und
erklärte seine Zulassung für eine Principienfrage, für welche unbedingt der


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Gleichgewichts und aus diesem Grunde nothwendig von den heftigsten
Kämpfen und innern Erschütterungen begleitet. Doch bei dem Mifsouricom-
promiß hatte es über 30 Jahre sein Bewenden; die hohe Aufregung der letz¬
ten Jahre machte einer ebenso tiefen Erschütterung der kampfermüdctcn Par¬
teien Platz. Der Friede schien für ewige Zeiten wieder hergestellt zu sein, und
Mouron's zweite Präsidentschaft, zu der er einstimmig erwählt wurde, hieß
„das Zeitalter des guten Einverständnisses".

Erst die Verhandlungen über die Aufnahme von Texas drängten die
Sklavenfrage von Neuem in den Vordergrund. Mexico hatte bekanntlich acht
Jahre nach seiner Unabhängigkeitserkläruug seine Sklaven vollständig eman-
cipirt. Unmittelbar von dieser Maßregel an datirt der Plan für Einverlei¬
bung von Texas in 'die Vereinigten Staaten. Der Süden verlangte es, um
seinen Interessen eine größere Sicherheit zu geben und sich neue Sklaven-
Märkte zu öffnen. Jackson hatte zu wiederholten Malen der mexicanischen
Regierung den Ankauf von Texas angeboten, allein alle seine Bemühungen
blieben sechs Jahre hindurch vergeblich. So wurden denn vom Südwesten
Anstalten getroffen, um dort einen Aufstand zu Stande zu bringen, und Leute
und Kriegsmunition hingesandt.

.Im December 1835 erklärten etwa 90 Bewohner von Texas die Unab¬
hängigkeit der Provinz; sie waren, mit Ausnahme von zweien, alle Ameri¬
kaner und von Niemandem zu diesem Schritte abgeordnet oder beauftragt.
Santa Anna wurde im April 1836 bei San Jacinto von den eingedrungenen
Freibeutern geschlagen, und diese machten Texas 1836 zur selbständigen Re¬
publik, deren Verfassung ganz nach dem Muster der südlichen Unionsstaaten co-
pirt war. Unfähig, selbständig zu leben oder zu sterben, wandte es sich schon
1837 an die Vereinigten Staaten um Zulassung in die Union, fand aber
beim Präsidenten van Buren nicht die erwartete Ermunterung. Deshalb ruhte
der ganze Plan bis zur nächsten Präsidentschaft unter Tyler. Dessen Staats-
secretür Upshur von Virginien eröffnete wieder die Unterhandlungen und
brachte einen Annexationsvcrtrag zu Stande, der aber am 8. Juni 1344 vom
Senate verworfen wurde. Doch bald sprach sich der Süden wie Ein Mann
für die Aufnahme von Texas als Sklavenstaat aus. Der Norden aber er¬
klärte in großer Mehrzahl aus denselben Gründen sich gegen die Aufnahme,
und fortan nahm die Frage den Charakter der Gehässigkeit zwischen Norden
und Süden an.

Die Angriffsweise der Sklavenhalter, ihre Taktik. Drohungen und selbst
Bestechungen waren ganz dieselben wie bei allen vorhergehenden Gelegen¬
heiten, wo es sich um die Ausdehnung des Stlavcngebietes handelte. Die
demokratische Partei in der ganzen Union schrieb Texas auf ihre Fahne und
erklärte seine Zulassung für eine Principienfrage, für welche unbedingt der


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[0407] Gleichgewichts und aus diesem Grunde nothwendig von den heftigsten Kämpfen und innern Erschütterungen begleitet. Doch bei dem Mifsouricom- promiß hatte es über 30 Jahre sein Bewenden; die hohe Aufregung der letz¬ ten Jahre machte einer ebenso tiefen Erschütterung der kampfermüdctcn Par¬ teien Platz. Der Friede schien für ewige Zeiten wieder hergestellt zu sein, und Mouron's zweite Präsidentschaft, zu der er einstimmig erwählt wurde, hieß „das Zeitalter des guten Einverständnisses". Erst die Verhandlungen über die Aufnahme von Texas drängten die Sklavenfrage von Neuem in den Vordergrund. Mexico hatte bekanntlich acht Jahre nach seiner Unabhängigkeitserkläruug seine Sklaven vollständig eman- cipirt. Unmittelbar von dieser Maßregel an datirt der Plan für Einverlei¬ bung von Texas in 'die Vereinigten Staaten. Der Süden verlangte es, um seinen Interessen eine größere Sicherheit zu geben und sich neue Sklaven- Märkte zu öffnen. Jackson hatte zu wiederholten Malen der mexicanischen Regierung den Ankauf von Texas angeboten, allein alle seine Bemühungen blieben sechs Jahre hindurch vergeblich. So wurden denn vom Südwesten Anstalten getroffen, um dort einen Aufstand zu Stande zu bringen, und Leute und Kriegsmunition hingesandt. .Im December 1835 erklärten etwa 90 Bewohner von Texas die Unab¬ hängigkeit der Provinz; sie waren, mit Ausnahme von zweien, alle Ameri¬ kaner und von Niemandem zu diesem Schritte abgeordnet oder beauftragt. Santa Anna wurde im April 1836 bei San Jacinto von den eingedrungenen Freibeutern geschlagen, und diese machten Texas 1836 zur selbständigen Re¬ publik, deren Verfassung ganz nach dem Muster der südlichen Unionsstaaten co- pirt war. Unfähig, selbständig zu leben oder zu sterben, wandte es sich schon 1837 an die Vereinigten Staaten um Zulassung in die Union, fand aber beim Präsidenten van Buren nicht die erwartete Ermunterung. Deshalb ruhte der ganze Plan bis zur nächsten Präsidentschaft unter Tyler. Dessen Staats- secretür Upshur von Virginien eröffnete wieder die Unterhandlungen und brachte einen Annexationsvcrtrag zu Stande, der aber am 8. Juni 1344 vom Senate verworfen wurde. Doch bald sprach sich der Süden wie Ein Mann für die Aufnahme von Texas als Sklavenstaat aus. Der Norden aber er¬ klärte in großer Mehrzahl aus denselben Gründen sich gegen die Aufnahme, und fortan nahm die Frage den Charakter der Gehässigkeit zwischen Norden und Süden an. Die Angriffsweise der Sklavenhalter, ihre Taktik. Drohungen und selbst Bestechungen waren ganz dieselben wie bei allen vorhergehenden Gelegen¬ heiten, wo es sich um die Ausdehnung des Stlavcngebietes handelte. Die demokratische Partei in der ganzen Union schrieb Texas auf ihre Fahne und erklärte seine Zulassung für eine Principienfrage, für welche unbedingt der 50*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/407>, abgerufen am 21.05.2024.