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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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bekommt und die neapolitanischen Generale nöthigt, sich, falls sie und ihre
Truppen nach dem Verlust der Hauptstadt zur Fortsetzung des Kampfes geneigt
und im Stande sein sollten, auf Capua mit dem Rückzug in die Abruzzen zu
stützen. Damit aber würde die ganze südliche Hälfte des Festlandes dem An¬
greifer ohne Schwertstreich in die Hände fällen, wozu als unterstützende Ma߬
regel nichts erforderlich sein würde, als ein Streifcorps von Kerntruppen über
Taranto oder Otranto "ach Apulien zu werfen und mit demselben die Defileen
auf der ersten und zweiten der oben geschilderten Quercommunicationen auch
von der östlichen Seite zu öffnen.

Festungen, die zu berücksichtigen sind, hat Neapel nur in der Hauptstadt
mit ihren sechs Castellcn, in Capua und Gasta; die sonst als feste Plätze
figurirendcn Städte Bari, Barletta, Brindisi, Mansredonia, Pescara und
Reggio haben keine große Bedeutung. Neapel ist noch nie belagert worden,
es hat seine Thore dem Sieger immer freiwillig geöffnet, zuletzt 1821 den
Oestreichern. Auch möchte die Stadt mit ihren 400000 Einwohnern schon
wegen der Schwierigkeit der Verprvviantirung nicht im Stande sein, sich lange
zu halten. Die Castelle schützen höchstens gegen^ einen ersten Anlauf und sind
überhaupt mehr auf Bombardements, wie sie die neapolitanischen Bourbonen
zur Unterdrückung innerer Unruhen anzuwenden lieben, als auf die Abwehr
äußerer Feinde berechnet. Capua. zwei Meilen von Neapel am Volturno ge¬
legen und mit der Hauptstadt durch eine Eisenbahn verbunden, ist eine Stadt
von 9000 Einwohnern. Erst 1845 in eine Festung umgewandelt, hat es
noch die Probe zu bestehn. Weit stärker und zugleich als Kriegshafen wich¬
tig ist das zwölf Meilen von Neapel und drei Meilen von der römischen
Grenze entfernte Gaöta. Es hat gegen 15000 Einwohner und liegt auf
einer Felsenzunge im Meer, die gegen das Land hin eine starkbcfestigte Angriffs¬
front von nur 1800 Fuß Breite hat, während die Seeseite durch starke über¬
einander gelegene Batterien und eine Citadelle vertheidigt wird. Man hat
es als ein zweites Gibraltar bezeichnet. Indeß ist es bis jetzt jeder Belagerung
erlegen, 1734 nach fünfmonatlicher, 1806 nach halbjähriger Einschließung,
1821 nach wenigen Tagen. Flete die Hauptstadt in die Gewalt der natio¬
nalen Revolution, so bliebe dem Hofe kaum etwas anderes übrig, als schleu¬
nige Abreise aus dem Lande.




bekommt und die neapolitanischen Generale nöthigt, sich, falls sie und ihre
Truppen nach dem Verlust der Hauptstadt zur Fortsetzung des Kampfes geneigt
und im Stande sein sollten, auf Capua mit dem Rückzug in die Abruzzen zu
stützen. Damit aber würde die ganze südliche Hälfte des Festlandes dem An¬
greifer ohne Schwertstreich in die Hände fällen, wozu als unterstützende Ma߬
regel nichts erforderlich sein würde, als ein Streifcorps von Kerntruppen über
Taranto oder Otranto »ach Apulien zu werfen und mit demselben die Defileen
auf der ersten und zweiten der oben geschilderten Quercommunicationen auch
von der östlichen Seite zu öffnen.

Festungen, die zu berücksichtigen sind, hat Neapel nur in der Hauptstadt
mit ihren sechs Castellcn, in Capua und Gasta; die sonst als feste Plätze
figurirendcn Städte Bari, Barletta, Brindisi, Mansredonia, Pescara und
Reggio haben keine große Bedeutung. Neapel ist noch nie belagert worden,
es hat seine Thore dem Sieger immer freiwillig geöffnet, zuletzt 1821 den
Oestreichern. Auch möchte die Stadt mit ihren 400000 Einwohnern schon
wegen der Schwierigkeit der Verprvviantirung nicht im Stande sein, sich lange
zu halten. Die Castelle schützen höchstens gegen^ einen ersten Anlauf und sind
überhaupt mehr auf Bombardements, wie sie die neapolitanischen Bourbonen
zur Unterdrückung innerer Unruhen anzuwenden lieben, als auf die Abwehr
äußerer Feinde berechnet. Capua. zwei Meilen von Neapel am Volturno ge¬
legen und mit der Hauptstadt durch eine Eisenbahn verbunden, ist eine Stadt
von 9000 Einwohnern. Erst 1845 in eine Festung umgewandelt, hat es
noch die Probe zu bestehn. Weit stärker und zugleich als Kriegshafen wich¬
tig ist das zwölf Meilen von Neapel und drei Meilen von der römischen
Grenze entfernte Gaöta. Es hat gegen 15000 Einwohner und liegt auf
einer Felsenzunge im Meer, die gegen das Land hin eine starkbcfestigte Angriffs¬
front von nur 1800 Fuß Breite hat, während die Seeseite durch starke über¬
einander gelegene Batterien und eine Citadelle vertheidigt wird. Man hat
es als ein zweites Gibraltar bezeichnet. Indeß ist es bis jetzt jeder Belagerung
erlegen, 1734 nach fünfmonatlicher, 1806 nach halbjähriger Einschließung,
1821 nach wenigen Tagen. Flete die Hauptstadt in die Gewalt der natio¬
nalen Revolution, so bliebe dem Hofe kaum etwas anderes übrig, als schleu¬
nige Abreise aus dem Lande.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/428>, abgerufen am 21.05.2024.