Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Die gehässigste dieser Compromißbestimmungen war das Ski av enjagd-
gesetz (Fugitive Slave Law). Nach ihm kann jeder Sklavenbesitzer, sobald er
nur die aus Grund zweier Zeugenaussagen amtlich constatirte Flucht eines
Sklaven bewiesen hat, diesen im ganzen freien Norden jagen und vor den
Commissär schleppen, der dann, auch auf die oberflächlichsten Beweise hin
und bei der nur halbwegs stimmenden Identität der Person, den Ergriffenen
in die Sklaverei zurückschickt. Also nicht die gesetzliche Jury, sondern ein
abhängiger, von dem entsprechenden Gerichtshof zu ernennender Beamter, der
Commissär. entscheidet über die vom angeblichen Eigenthümer des Schwarzen
vor ihn gebrachten Thatsachen, über die Freiheit oder Knechtschaft des Man¬
nes. Der Staatenmarschall, der die Verhaftsbefehle des Kommissars zu voll¬
ziehen sich weigert, hat 1000 Dollar Strafe zu zahlen, die der verfolgende
Eigenthümer erhält. Alle Bürger sind verpflichtet, zur schleunigen und wirk¬
samen Ausführung dieses Gesetzes behilflich zu sein. Dabeistehende können
zur Hilfe aufgefordert werden und verfallen in Strafe, wenn sie nicht helfen;
ja wer einen Flüchtling in seinem Entrinnen aus der Gewalt des Agenten
unterstützt, oder wer ihn beherbergt oder verbirgt, so daß seine Entdeckung
und Verhaftung verhindert wird, verfällt in eine Geldstrafe bis zu 1000
Dollar oder eine Einsperrung bis zu sechs Monaten, und hat außerdem noch
1000 Dollar Entschädigung an den Eigenthümer zu zahlen. Die Leute,
welche die Sklaven einfangen, bekommen fünf Dollar, je nach Verdienst und
Arbeit. Ueberweise der Commissär den Sklaven an seinen Besitzer, so erhält
er zehn Dollar, thut oder kann er es nicht, so bekommt er nur fünf Dollar.
Die aus dem Transport erwachsenden Kosten, die erforderliche Bedeckung
des Verurtheilten mit Beamten, werden aus dem Schatze der Bundesregie¬
rung bezahlt; die Sklaverei war mithin eine nationale Angelegenheit ge¬
worden.

Gleich 'die ersten Anwendungen des Fugitive Slave Law waren wenig
geeignet die ob seiner Annahme laut gewordenen Befürchtungen zu beschwich¬
tigen; es entfaltete sich über das ganze Land eine wahre Terreur noire.
Während die südlichen Häscher nur theilweise in den Beamten willfährige
Werkzeuge fanden, und während sie bei ihren Arretirungen, mit wenigen ser¬
vilen Ausnahmen, fast überall auf den bewaffneten Widerstand des Volkes
stießen, suchte die Regierung das von ihr geschaffene Gesetz mit den äußersten
Mitteln durchzuführen. Freie Schwarze, die schon seit Jahrzehnten unbehel¬
ligt im Norden gelebt hatten, wurden auf nichtssagende Jndicien hin an die
sich als Eigenthümer Ausgehenden ausgeliefert und mit Gewalt in den Süden
schleppt. Männer, die den Commissaren trotz deren Aufforderung keine
Hilfe bei Arrestationen der Schwarzen leisten wollten, wurden für diese Unter¬
lassungssünden als Verräther vor Gericht gestellt. Auf jede Freisprechung


Die gehässigste dieser Compromißbestimmungen war das Ski av enjagd-
gesetz (Fugitive Slave Law). Nach ihm kann jeder Sklavenbesitzer, sobald er
nur die aus Grund zweier Zeugenaussagen amtlich constatirte Flucht eines
Sklaven bewiesen hat, diesen im ganzen freien Norden jagen und vor den
Commissär schleppen, der dann, auch auf die oberflächlichsten Beweise hin
und bei der nur halbwegs stimmenden Identität der Person, den Ergriffenen
in die Sklaverei zurückschickt. Also nicht die gesetzliche Jury, sondern ein
abhängiger, von dem entsprechenden Gerichtshof zu ernennender Beamter, der
Commissär. entscheidet über die vom angeblichen Eigenthümer des Schwarzen
vor ihn gebrachten Thatsachen, über die Freiheit oder Knechtschaft des Man¬
nes. Der Staatenmarschall, der die Verhaftsbefehle des Kommissars zu voll¬
ziehen sich weigert, hat 1000 Dollar Strafe zu zahlen, die der verfolgende
Eigenthümer erhält. Alle Bürger sind verpflichtet, zur schleunigen und wirk¬
samen Ausführung dieses Gesetzes behilflich zu sein. Dabeistehende können
zur Hilfe aufgefordert werden und verfallen in Strafe, wenn sie nicht helfen;
ja wer einen Flüchtling in seinem Entrinnen aus der Gewalt des Agenten
unterstützt, oder wer ihn beherbergt oder verbirgt, so daß seine Entdeckung
und Verhaftung verhindert wird, verfällt in eine Geldstrafe bis zu 1000
Dollar oder eine Einsperrung bis zu sechs Monaten, und hat außerdem noch
1000 Dollar Entschädigung an den Eigenthümer zu zahlen. Die Leute,
welche die Sklaven einfangen, bekommen fünf Dollar, je nach Verdienst und
Arbeit. Ueberweise der Commissär den Sklaven an seinen Besitzer, so erhält
er zehn Dollar, thut oder kann er es nicht, so bekommt er nur fünf Dollar.
Die aus dem Transport erwachsenden Kosten, die erforderliche Bedeckung
des Verurtheilten mit Beamten, werden aus dem Schatze der Bundesregie¬
rung bezahlt; die Sklaverei war mithin eine nationale Angelegenheit ge¬
worden.

Gleich 'die ersten Anwendungen des Fugitive Slave Law waren wenig
geeignet die ob seiner Annahme laut gewordenen Befürchtungen zu beschwich¬
tigen; es entfaltete sich über das ganze Land eine wahre Terreur noire.
Während die südlichen Häscher nur theilweise in den Beamten willfährige
Werkzeuge fanden, und während sie bei ihren Arretirungen, mit wenigen ser¬
vilen Ausnahmen, fast überall auf den bewaffneten Widerstand des Volkes
stießen, suchte die Regierung das von ihr geschaffene Gesetz mit den äußersten
Mitteln durchzuführen. Freie Schwarze, die schon seit Jahrzehnten unbehel¬
ligt im Norden gelebt hatten, wurden auf nichtssagende Jndicien hin an die
sich als Eigenthümer Ausgehenden ausgeliefert und mit Gewalt in den Süden
schleppt. Männer, die den Commissaren trotz deren Aufforderung keine
Hilfe bei Arrestationen der Schwarzen leisten wollten, wurden für diese Unter¬
lassungssünden als Verräther vor Gericht gestellt. Auf jede Freisprechung


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0430" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110236"/>
          <p xml:id="ID_1281"> Die gehässigste dieser Compromißbestimmungen war das Ski av enjagd-<lb/>
gesetz (Fugitive Slave Law). Nach ihm kann jeder Sklavenbesitzer, sobald er<lb/>
nur die aus Grund zweier Zeugenaussagen amtlich constatirte Flucht eines<lb/>
Sklaven bewiesen hat, diesen im ganzen freien Norden jagen und vor den<lb/>
Commissär schleppen, der dann, auch auf die oberflächlichsten Beweise hin<lb/>
und bei der nur halbwegs stimmenden Identität der Person, den Ergriffenen<lb/>
in die Sklaverei zurückschickt. Also nicht die gesetzliche Jury, sondern ein<lb/>
abhängiger, von dem entsprechenden Gerichtshof zu ernennender Beamter, der<lb/>
Commissär. entscheidet über die vom angeblichen Eigenthümer des Schwarzen<lb/>
vor ihn gebrachten Thatsachen, über die Freiheit oder Knechtschaft des Man¬<lb/>
nes. Der Staatenmarschall, der die Verhaftsbefehle des Kommissars zu voll¬<lb/>
ziehen sich weigert, hat 1000 Dollar Strafe zu zahlen, die der verfolgende<lb/>
Eigenthümer erhält. Alle Bürger sind verpflichtet, zur schleunigen und wirk¬<lb/>
samen Ausführung dieses Gesetzes behilflich zu sein. Dabeistehende können<lb/>
zur Hilfe aufgefordert werden und verfallen in Strafe, wenn sie nicht helfen;<lb/>
ja wer einen Flüchtling in seinem Entrinnen aus der Gewalt des Agenten<lb/>
unterstützt, oder wer ihn beherbergt oder verbirgt, so daß seine Entdeckung<lb/>
und Verhaftung verhindert wird, verfällt in eine Geldstrafe bis zu 1000<lb/>
Dollar oder eine Einsperrung bis zu sechs Monaten, und hat außerdem noch<lb/>
1000 Dollar Entschädigung an den Eigenthümer zu zahlen. Die Leute,<lb/>
welche die Sklaven einfangen, bekommen fünf Dollar, je nach Verdienst und<lb/>
Arbeit. Ueberweise der Commissär den Sklaven an seinen Besitzer, so erhält<lb/>
er zehn Dollar, thut oder kann er es nicht, so bekommt er nur fünf Dollar.<lb/>
Die aus dem Transport erwachsenden Kosten, die erforderliche Bedeckung<lb/>
des Verurtheilten mit Beamten, werden aus dem Schatze der Bundesregie¬<lb/>
rung bezahlt; die Sklaverei war mithin eine nationale Angelegenheit ge¬<lb/>
worden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1282" next="#ID_1283"> Gleich 'die ersten Anwendungen des Fugitive Slave Law waren wenig<lb/>
geeignet die ob seiner Annahme laut gewordenen Befürchtungen zu beschwich¬<lb/>
tigen; es entfaltete sich über das ganze Land eine wahre Terreur noire.<lb/>
Während die südlichen Häscher nur theilweise in den Beamten willfährige<lb/>
Werkzeuge fanden, und während sie bei ihren Arretirungen, mit wenigen ser¬<lb/>
vilen Ausnahmen, fast überall auf den bewaffneten Widerstand des Volkes<lb/>
stießen, suchte die Regierung das von ihr geschaffene Gesetz mit den äußersten<lb/>
Mitteln durchzuführen. Freie Schwarze, die schon seit Jahrzehnten unbehel¬<lb/>
ligt im Norden gelebt hatten, wurden auf nichtssagende Jndicien hin an die<lb/>
sich als Eigenthümer Ausgehenden ausgeliefert und mit Gewalt in den Süden<lb/>
schleppt. Männer, die den Commissaren trotz deren Aufforderung keine<lb/>
Hilfe bei Arrestationen der Schwarzen leisten wollten, wurden für diese Unter¬<lb/>
lassungssünden als Verräther vor Gericht gestellt.  Auf jede Freisprechung</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0430] Die gehässigste dieser Compromißbestimmungen war das Ski av enjagd- gesetz (Fugitive Slave Law). Nach ihm kann jeder Sklavenbesitzer, sobald er nur die aus Grund zweier Zeugenaussagen amtlich constatirte Flucht eines Sklaven bewiesen hat, diesen im ganzen freien Norden jagen und vor den Commissär schleppen, der dann, auch auf die oberflächlichsten Beweise hin und bei der nur halbwegs stimmenden Identität der Person, den Ergriffenen in die Sklaverei zurückschickt. Also nicht die gesetzliche Jury, sondern ein abhängiger, von dem entsprechenden Gerichtshof zu ernennender Beamter, der Commissär. entscheidet über die vom angeblichen Eigenthümer des Schwarzen vor ihn gebrachten Thatsachen, über die Freiheit oder Knechtschaft des Man¬ nes. Der Staatenmarschall, der die Verhaftsbefehle des Kommissars zu voll¬ ziehen sich weigert, hat 1000 Dollar Strafe zu zahlen, die der verfolgende Eigenthümer erhält. Alle Bürger sind verpflichtet, zur schleunigen und wirk¬ samen Ausführung dieses Gesetzes behilflich zu sein. Dabeistehende können zur Hilfe aufgefordert werden und verfallen in Strafe, wenn sie nicht helfen; ja wer einen Flüchtling in seinem Entrinnen aus der Gewalt des Agenten unterstützt, oder wer ihn beherbergt oder verbirgt, so daß seine Entdeckung und Verhaftung verhindert wird, verfällt in eine Geldstrafe bis zu 1000 Dollar oder eine Einsperrung bis zu sechs Monaten, und hat außerdem noch 1000 Dollar Entschädigung an den Eigenthümer zu zahlen. Die Leute, welche die Sklaven einfangen, bekommen fünf Dollar, je nach Verdienst und Arbeit. Ueberweise der Commissär den Sklaven an seinen Besitzer, so erhält er zehn Dollar, thut oder kann er es nicht, so bekommt er nur fünf Dollar. Die aus dem Transport erwachsenden Kosten, die erforderliche Bedeckung des Verurtheilten mit Beamten, werden aus dem Schatze der Bundesregie¬ rung bezahlt; die Sklaverei war mithin eine nationale Angelegenheit ge¬ worden. Gleich 'die ersten Anwendungen des Fugitive Slave Law waren wenig geeignet die ob seiner Annahme laut gewordenen Befürchtungen zu beschwich¬ tigen; es entfaltete sich über das ganze Land eine wahre Terreur noire. Während die südlichen Häscher nur theilweise in den Beamten willfährige Werkzeuge fanden, und während sie bei ihren Arretirungen, mit wenigen ser¬ vilen Ausnahmen, fast überall auf den bewaffneten Widerstand des Volkes stießen, suchte die Regierung das von ihr geschaffene Gesetz mit den äußersten Mitteln durchzuführen. Freie Schwarze, die schon seit Jahrzehnten unbehel¬ ligt im Norden gelebt hatten, wurden auf nichtssagende Jndicien hin an die sich als Eigenthümer Ausgehenden ausgeliefert und mit Gewalt in den Süden schleppt. Männer, die den Commissaren trotz deren Aufforderung keine Hilfe bei Arrestationen der Schwarzen leisten wollten, wurden für diese Unter¬ lassungssünden als Verräther vor Gericht gestellt. Auf jede Freisprechung

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/430
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/430>, abgerufen am 21.05.2024.