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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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Heibergschen Buchhandlung zum Vertrieb übersenden; für ihre Bemühung soll¬
ten ihr 50 Proc. Rabatt zugestanden sein. Der Geschäftsführer Heibergs
habe sofort geschrieben, daß dies nicht convenire, der Drucker aber, ohne die
Antwort aus seinen Antrag abzuwarten, die 500 Abzüge abgehn lassen. An
diese Auseinandersetzung knüpfte Heiberg das Verlangen nach unverzüglicher
Wiedereröffnung seines Geschäftslocals, eventualiter gegen Stellung einer Kau¬
tion. Dies wurde vom Polizeimeister abgeschlagen, da die Angelegenheit als
Kriminalsache bereits an den Magistrat (das Stadtgericht) überwiesen worden
sei. Indeß werde vermuthlich schon am folgenden Tage die Durchsuchung
des Lagers und vielleicht auch die Wiedereröffnung des ganzen Geschäfts statt¬
finden können.

Als dies nicht geschah, richtete Heiberg am 20. an den Magistrat die
Bitte um Entsiegelung seines Buchladens, wobei er hervorhob, daß bei län¬
gerem Verschluß desselben außer seinem buchhändlerischen Geschäft auch die
von demselben unabhängige Musikalien-Leihanstalt, deren Vorräthe mit unter
Siegel gelegt worden, gehemmt werde. Für den Fall, daß eine vorgängige
Untersuchung des Bücherlagcrs nothwendig befunden werde, bat er um schleu¬
nige Vornahme derselbe". Die Antwort hierauf war eine Ladung vor das
Stadtgericht, wo man ihn, seinen Geschäftsführer Brandes und dessen Ge¬
hilfen zur Wiederholung der vor dem Pvlizeimcistcr gemachten Aussagen ver¬
anlaßte und ihnen dann unter dem Bemerken, die Criminaluntersuchung sei
Wider sie eröffnet, Stadtarrest ankündigte. Die Wiedereröffnung des Geschäfts,
hieß es, könne keinesfalls vor Durchsicht der vorhandenen Büchervorräthe statt¬
finden; wann dieselbe stattfinden solle, ward nicht gesagt.

Gegen diesen Bescheid legte Heiberg das Rechtsmittel der Supplication
an das Appellationsgericht ein und erbat sich eine Abschrift des Protokolls,
die er--man sieht schon hier, wie Alles darauf angelegt wurde, die Wiederer¬
öffnung des Geschäfts aufzuhalten und den Inhaber zu ruiniren -- erst nach
Verlauf von zwei Tagen erhielt, obgleich sie kaum eine halbe Seite einnahm.
Die Aufschrift lautete: "In Untersuchungssachcn gegen den Dr. und Buch¬
händler C. Heiberg wegen absichtlicher Verbreitung einer von ihm in der
Druckerei zu Itzehoe bestellten und bezognen Druckschrift aufrührerischen und
aufwieglerischen Inhalts."

Am 27. ließ Heiberg dem Appellatwnsgericht in Flensburg eine Recurs-
schnst überreichen, in welcher zunächst auf Grund der Verordnung vom 10.
März 1848 ausgeführt wurde, daß der Polizei nur die Beschlagnahme der
betreffenden Druckschrift und die Hinderung der Verbreitung derselben, nicht
aber die Schließung des Geschäfts zugestanden, woran der Antrag auf ein>e
Weisung an den Magistrat sich knüpfte, die Buchhandlung sofort oder nach
geschehener Durchsuchung für den Weiterbetrieb zu öffnen. Ferner aber wurde


Grenzboten III. 1860. 62

Heibergschen Buchhandlung zum Vertrieb übersenden; für ihre Bemühung soll¬
ten ihr 50 Proc. Rabatt zugestanden sein. Der Geschäftsführer Heibergs
habe sofort geschrieben, daß dies nicht convenire, der Drucker aber, ohne die
Antwort aus seinen Antrag abzuwarten, die 500 Abzüge abgehn lassen. An
diese Auseinandersetzung knüpfte Heiberg das Verlangen nach unverzüglicher
Wiedereröffnung seines Geschäftslocals, eventualiter gegen Stellung einer Kau¬
tion. Dies wurde vom Polizeimeister abgeschlagen, da die Angelegenheit als
Kriminalsache bereits an den Magistrat (das Stadtgericht) überwiesen worden
sei. Indeß werde vermuthlich schon am folgenden Tage die Durchsuchung
des Lagers und vielleicht auch die Wiedereröffnung des ganzen Geschäfts statt¬
finden können.

Als dies nicht geschah, richtete Heiberg am 20. an den Magistrat die
Bitte um Entsiegelung seines Buchladens, wobei er hervorhob, daß bei län¬
gerem Verschluß desselben außer seinem buchhändlerischen Geschäft auch die
von demselben unabhängige Musikalien-Leihanstalt, deren Vorräthe mit unter
Siegel gelegt worden, gehemmt werde. Für den Fall, daß eine vorgängige
Untersuchung des Bücherlagcrs nothwendig befunden werde, bat er um schleu¬
nige Vornahme derselbe». Die Antwort hierauf war eine Ladung vor das
Stadtgericht, wo man ihn, seinen Geschäftsführer Brandes und dessen Ge¬
hilfen zur Wiederholung der vor dem Pvlizeimcistcr gemachten Aussagen ver¬
anlaßte und ihnen dann unter dem Bemerken, die Criminaluntersuchung sei
Wider sie eröffnet, Stadtarrest ankündigte. Die Wiedereröffnung des Geschäfts,
hieß es, könne keinesfalls vor Durchsicht der vorhandenen Büchervorräthe statt¬
finden; wann dieselbe stattfinden solle, ward nicht gesagt.

Gegen diesen Bescheid legte Heiberg das Rechtsmittel der Supplication
an das Appellationsgericht ein und erbat sich eine Abschrift des Protokolls,
die er—man sieht schon hier, wie Alles darauf angelegt wurde, die Wiederer¬
öffnung des Geschäfts aufzuhalten und den Inhaber zu ruiniren — erst nach
Verlauf von zwei Tagen erhielt, obgleich sie kaum eine halbe Seite einnahm.
Die Aufschrift lautete: „In Untersuchungssachcn gegen den Dr. und Buch¬
händler C. Heiberg wegen absichtlicher Verbreitung einer von ihm in der
Druckerei zu Itzehoe bestellten und bezognen Druckschrift aufrührerischen und
aufwieglerischen Inhalts."

Am 27. ließ Heiberg dem Appellatwnsgericht in Flensburg eine Recurs-
schnst überreichen, in welcher zunächst auf Grund der Verordnung vom 10.
März 1848 ausgeführt wurde, daß der Polizei nur die Beschlagnahme der
betreffenden Druckschrift und die Hinderung der Verbreitung derselben, nicht
aber die Schließung des Geschäfts zugestanden, woran der Antrag auf ein>e
Weisung an den Magistrat sich knüpfte, die Buchhandlung sofort oder nach
geschehener Durchsuchung für den Weiterbetrieb zu öffnen. Ferner aber wurde


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/501>, abgerufen am 14.06.2024.