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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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lag als Gegenstand der Untersuchung die Frage vor, ob Heiberg durch den
Verkauf der Adresse der Sechsundzwanzig ein Verbrechen begangen. Das Ge¬
richt durste alle Mittel brauchen, um die Vereitelung der Untersuchung durch
Heiberg zu hindern. Das Criminalgericht hatte demselben Stndtarrest aufer¬
legt und die höhere Instanz hatte dielen bestätigt. Das Crinnnalgericht hatte
aber auch die Schließung des Buchladens angeordnet, und diese Maßregel war
eben so unzweckmäßig als ungesetzlich: unzweckmäßig, da die Untersuchung er¬
forderte, daß die Büchcrvorrüthe nach Exemplaren der incriminirten Schrift
nachgesehn würden, ungesetzlich, weil das Vergehen nur in dem Debit dieser
Schrift lag. Ist ein Kaufmann beschuldigt, mit Contrebande zu handeln, so
wird man sicher sein Waarenlager nachsehn und das gefundene verbotne
Gut mit Beschlag belegen können, nimmermehr aber wird ihm die Behörde
ohne Weiteres sein Geschäft zuschließen dürfen.

Ferner ist hervorzuheben, daß, wenn der Z 9 der Verfassung den Ge¬
richten der Regel nach untersagt, die Verfügungen der Polizei zu beurthei¬
len, dieser letzter" damit doch nicht gestattet ist, die Richtigkeit richterlicher
Entscheidungen zu krttisiren, sie durch Gegenanordnnngen umzustoßen. Eine
völlige Auflösung aller gesetzlichen Ordnung und Sicherheit würde die Folge
davon sein. Die fchleswigfche Verfassung verstößt allerdings gegen mehr als
ein gutes Recht, so weit indeß wagten ihre Urheber nicht zu gehn. Die
Regel hat eine Ausnahme, die exorbitante Verfügung in jenem Paragraphen
hat die Beschränkung: wenn besondere gesetzliche Bestimmungen den Gerichten das
Recht der Beurtheilung von Maßregeln der Verwaltung zuweisen. Dies leidet
aber grade auf den vorliegenden Fall Anwendung. Wie oben bereits ange¬
führt, bestimmt die Verordnung vom 10. März 1843 ausdrücklich, wenn die
Polizei eine Druckschrift als gesetzwidrig oder gefährlich mit Beschlag belege
und das Ministerium dies gut finde, so solle dieses Verfahren, wofern der
Vetheiligte darauf antrage, anf Anstellung siscalischer Klage vom Gericht ge¬
prüft und durch dasselbe darüber entschieden werden. Hierin haben wir also
einerseits eine Ausnahme von der Regel, daß die Gerichte nicht über Poli¬
zeianordnungen zu urtheilen haben, und andrerseits zugleich eine Anweisung,
in welcher Weise und in welchem Maße die Polizei einschreiten darf: sie hat
die gefährlich erscheinenden Schriften mit Beschlag zu belegen, den Debit zu
hindern, nicht aber den Buchladen zu schließen. Sodann aber ist in der er¬
wähnten Verordnung bestimmt, daß, wenn das Ministerium ein strafrcchtli-
ches Verfahren gegen den Verfasser oder Verbreiter für begründet erachtet,
dasselbe dem Obersachwalter (Staatsanwalt) zu beauftragen habe, eine fisca-
lische Klage deshalb anzustellen.

Das Ministerium hat sich an diese Verordnung nicht gekehrt. Es hat
unterm 17. April verfügt, die Sache sei in den Formen einer gewöhnlichen


lag als Gegenstand der Untersuchung die Frage vor, ob Heiberg durch den
Verkauf der Adresse der Sechsundzwanzig ein Verbrechen begangen. Das Ge¬
richt durste alle Mittel brauchen, um die Vereitelung der Untersuchung durch
Heiberg zu hindern. Das Criminalgericht hatte demselben Stndtarrest aufer¬
legt und die höhere Instanz hatte dielen bestätigt. Das Crinnnalgericht hatte
aber auch die Schließung des Buchladens angeordnet, und diese Maßregel war
eben so unzweckmäßig als ungesetzlich: unzweckmäßig, da die Untersuchung er¬
forderte, daß die Büchcrvorrüthe nach Exemplaren der incriminirten Schrift
nachgesehn würden, ungesetzlich, weil das Vergehen nur in dem Debit dieser
Schrift lag. Ist ein Kaufmann beschuldigt, mit Contrebande zu handeln, so
wird man sicher sein Waarenlager nachsehn und das gefundene verbotne
Gut mit Beschlag belegen können, nimmermehr aber wird ihm die Behörde
ohne Weiteres sein Geschäft zuschließen dürfen.

Ferner ist hervorzuheben, daß, wenn der Z 9 der Verfassung den Ge¬
richten der Regel nach untersagt, die Verfügungen der Polizei zu beurthei¬
len, dieser letzter» damit doch nicht gestattet ist, die Richtigkeit richterlicher
Entscheidungen zu krttisiren, sie durch Gegenanordnnngen umzustoßen. Eine
völlige Auflösung aller gesetzlichen Ordnung und Sicherheit würde die Folge
davon sein. Die fchleswigfche Verfassung verstößt allerdings gegen mehr als
ein gutes Recht, so weit indeß wagten ihre Urheber nicht zu gehn. Die
Regel hat eine Ausnahme, die exorbitante Verfügung in jenem Paragraphen
hat die Beschränkung: wenn besondere gesetzliche Bestimmungen den Gerichten das
Recht der Beurtheilung von Maßregeln der Verwaltung zuweisen. Dies leidet
aber grade auf den vorliegenden Fall Anwendung. Wie oben bereits ange¬
führt, bestimmt die Verordnung vom 10. März 1843 ausdrücklich, wenn die
Polizei eine Druckschrift als gesetzwidrig oder gefährlich mit Beschlag belege
und das Ministerium dies gut finde, so solle dieses Verfahren, wofern der
Vetheiligte darauf antrage, anf Anstellung siscalischer Klage vom Gericht ge¬
prüft und durch dasselbe darüber entschieden werden. Hierin haben wir also
einerseits eine Ausnahme von der Regel, daß die Gerichte nicht über Poli¬
zeianordnungen zu urtheilen haben, und andrerseits zugleich eine Anweisung,
in welcher Weise und in welchem Maße die Polizei einschreiten darf: sie hat
die gefährlich erscheinenden Schriften mit Beschlag zu belegen, den Debit zu
hindern, nicht aber den Buchladen zu schließen. Sodann aber ist in der er¬
wähnten Verordnung bestimmt, daß, wenn das Ministerium ein strafrcchtli-
ches Verfahren gegen den Verfasser oder Verbreiter für begründet erachtet,
dasselbe dem Obersachwalter (Staatsanwalt) zu beauftragen habe, eine fisca-
lische Klage deshalb anzustellen.

Das Ministerium hat sich an diese Verordnung nicht gekehrt. Es hat
unterm 17. April verfügt, die Sache sei in den Formen einer gewöhnlichen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/506>, abgerufen am 14.06.2024.