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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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Vereins bewirkte Ermuthigung. und die dadurch wieder erwachende eigne Kraft-
anstrengung der unterstützten Gemeinden eine erfreulichere Erscheinung ist, als
die unter Verfolgungen sich entwickelnde, freilich hoch zu rühmende, doch aber
kaum je ohne Erbitterung und Leidenschaft mögliche Kraftanstrengung.
^

Wollte aber vielleicht Jemand nur daran noch zweifeln, nichtdaß Noth¬
stände der Art, wie sie der Berein zu besiegen trachtet, wirklich allmälig noth¬
wendig zum Untergang führen müßten, aber daß sie wirklich vorhanden, und
in dem angedeuteten erschreckenden Maße vorhanden seien, und etwa dafür
anführen zu können meinen, daß ja nicht zu begreifen wäre, wie die noth¬
leidenden Gemeinden sich denn uicht selbst nach Hilfe umgesehn haben sollten,
so wird wol eine hinreichende Erwiderung hierauf dieses sein, daß wenn
wir so lange in Unwissenheit bleiben konnten über die nach allen Gegenden
hin versprengten Theile der evangelischen Kirche, die Unwissenheit dieser darüber,
daß irgendwo noch eine protestantische Kirche in lebenskräftigen Zustande be¬
stehe, wol eher zu begreifen sein mochte. Und es tritt hiermit die Bedeutung
des Vereins, der durch seine Wirksamkeit zur Vermittlung der gegenseitigen
Kenntniß, und zum Wiedererwachen eines gemeinsamen Bewußtseins so un¬
verkennbar gewirkt hat und wirkt in ein neues Licht.

Doch die bald mit der Entwickelung der Vereinsthätigkeit sich ergebende
Erkenntniß der ungealmten Größe ihrer Aufgabe ist nicht der alleinige Grund
der so kräftig sich entwickelnden Betheiligung an dem Vereine, sondern es sind
deren noch andere. Zuerst die von Anfang an unter den ersten Gründern be¬
stehende, auf der constituirenden Versammlung zu Frankfurt a. M. klar, entschie¬
den und unangefochten hervorgetretene Einigkeit darüber, daß es kein lutherischer,
noch reformirter, noch unirter Berein sein solle, sondern ein Verein Lutherischer.
Neformirter und Unirter, und daß ebenso die Unterstützungen des Vereins ohne
Unterschied lutherischen, reformirten und unirten Gemeinden, und wie man
damals im Hinblick auf die Waldenser, welche jedenfalls mit eingeschlossen
sein sollten, und bei dem Gedanken an die Möglichkeit, daß auch noch Andere
sich als evangelische Christen möchten erweisen können, aussprach, allen solchen
Gemeinden zu Theil werden sollten, welche ihren Zusammenhang mit der
evangelischen Kirche glaubhaft nachweisen könnten. In der sich alsbald durch
eine lebhafte Betheiligung an dem Verein aussprechenden, freudigen Zustimmung
zu diesem Grundsatze offenbarte es sich, wie weit sich theils durch frühere,
mannigfache aber scheinbar erfolglos gebliebene Versuche zur Bewirkung einer
herzlichen und aufrichtigen gegenseitigen Anerkennung der verschiedenen Theile
der protestantischen Kirche, theils trotz des so lange durch hartnäckige Confes-
sionsstrcitigkeiten genährten Geistes der Zwietracht und der Spaltung doch in
aller Stille in den Gemüthern das Bewußtsein innerer wesentlicher Zusam¬
mengehörigkeit sich entwickelt hatte, nämlich bis zu dem Punkte, daß es zum


Vereins bewirkte Ermuthigung. und die dadurch wieder erwachende eigne Kraft-
anstrengung der unterstützten Gemeinden eine erfreulichere Erscheinung ist, als
die unter Verfolgungen sich entwickelnde, freilich hoch zu rühmende, doch aber
kaum je ohne Erbitterung und Leidenschaft mögliche Kraftanstrengung.
^

Wollte aber vielleicht Jemand nur daran noch zweifeln, nichtdaß Noth¬
stände der Art, wie sie der Berein zu besiegen trachtet, wirklich allmälig noth¬
wendig zum Untergang führen müßten, aber daß sie wirklich vorhanden, und
in dem angedeuteten erschreckenden Maße vorhanden seien, und etwa dafür
anführen zu können meinen, daß ja nicht zu begreifen wäre, wie die noth¬
leidenden Gemeinden sich denn uicht selbst nach Hilfe umgesehn haben sollten,
so wird wol eine hinreichende Erwiderung hierauf dieses sein, daß wenn
wir so lange in Unwissenheit bleiben konnten über die nach allen Gegenden
hin versprengten Theile der evangelischen Kirche, die Unwissenheit dieser darüber,
daß irgendwo noch eine protestantische Kirche in lebenskräftigen Zustande be¬
stehe, wol eher zu begreifen sein mochte. Und es tritt hiermit die Bedeutung
des Vereins, der durch seine Wirksamkeit zur Vermittlung der gegenseitigen
Kenntniß, und zum Wiedererwachen eines gemeinsamen Bewußtseins so un¬
verkennbar gewirkt hat und wirkt in ein neues Licht.

Doch die bald mit der Entwickelung der Vereinsthätigkeit sich ergebende
Erkenntniß der ungealmten Größe ihrer Aufgabe ist nicht der alleinige Grund
der so kräftig sich entwickelnden Betheiligung an dem Vereine, sondern es sind
deren noch andere. Zuerst die von Anfang an unter den ersten Gründern be¬
stehende, auf der constituirenden Versammlung zu Frankfurt a. M. klar, entschie¬
den und unangefochten hervorgetretene Einigkeit darüber, daß es kein lutherischer,
noch reformirter, noch unirter Berein sein solle, sondern ein Verein Lutherischer.
Neformirter und Unirter, und daß ebenso die Unterstützungen des Vereins ohne
Unterschied lutherischen, reformirten und unirten Gemeinden, und wie man
damals im Hinblick auf die Waldenser, welche jedenfalls mit eingeschlossen
sein sollten, und bei dem Gedanken an die Möglichkeit, daß auch noch Andere
sich als evangelische Christen möchten erweisen können, aussprach, allen solchen
Gemeinden zu Theil werden sollten, welche ihren Zusammenhang mit der
evangelischen Kirche glaubhaft nachweisen könnten. In der sich alsbald durch
eine lebhafte Betheiligung an dem Verein aussprechenden, freudigen Zustimmung
zu diesem Grundsatze offenbarte es sich, wie weit sich theils durch frühere,
mannigfache aber scheinbar erfolglos gebliebene Versuche zur Bewirkung einer
herzlichen und aufrichtigen gegenseitigen Anerkennung der verschiedenen Theile
der protestantischen Kirche, theils trotz des so lange durch hartnäckige Confes-
sionsstrcitigkeiten genährten Geistes der Zwietracht und der Spaltung doch in
aller Stille in den Gemüthern das Bewußtsein innerer wesentlicher Zusam¬
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/58>, abgerufen am 14.06.2024.