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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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durchschnittlich 17,000, an der engsten Stelle nur 11,913 Fuß breit. Hart
neben der sichelförmigen Landzunge, welche den Hafen der Stadt bildet, dem
sogenannten Brannio ti Santo Ruiniere gewahrt man den berüchtigten Stru¬
del der Charybdis, den Galofaro, der mit mehr Grund als die am calabri-
schen Ufer gegenüber brandende Scylla auch heutzutage noch gefürchtet wird,
obwol er über große Schiffe selbst während der Ebbe, wo seine Wirbel am
stärksten sind, keine Gewalt hat.

Seine Lage macht Messina zu einer der wichtigsten Städte Siciliens.
Es ist militärisch der Uebergangspunkt von Calabrien nach der Insel und zu¬
gleich commerciell von der höchsten Bedeutung. Der Hafen faßt gegen tau¬
send große Fahrzeuge, die Festungswerke sind in gutem Stande und große
Arsenale bergen Massen von Kriegsmaterial. Der Umfang der Stadt beträgt
eine deutsche Meile. Einwohner hatte sie im Jahre 1856 über 95,000.

Die Ostküste Siciliens ist an diesem ihrem nördlichen Ende eine schmale
Ebne; landeinwärts, also nach Westen, Süd- und Nordwesten steigt die Stadt
auf Hügeln amphiteatralisch an. Der Corso, die Hauptstraße, theilt sie. am
Ende der Ebne und am Fuß der Höhen hinlaufend, in eine tief- und eine
hochgelegene Hälfte. Vor der erstem, der eigentlichen Handelsstadt, zieht sich
am Meeresufer, fast eine Meile lang, die Marina oder Schifferstadt hin, die
in Gestalt einer einzigen langen Straße aus den Hafen hinausblickt. Der
letztere besteht in der südlichen Hälfte einer unmittelbar südwestlich von der
nördlichen Einfahrt in die Meerenge sich öffnenden Bucht. Seine Vortrefflich¬
keit liegt darin, daß die erwähnte sichelförmige Landzunge oder Halbinsel, süd¬
lich von ihr wurzelnd, seinen Osten und Nordosten einschließt und nur von
Norden her eine Einfahrt gestattet. Auf dieser Landzunge erheben sich, der
Marina gegenüber, wie aus dem Meer aufsteigend, die Bastionen und Cour-
tincn von sechs starken Forts, von denen das letzte, aus der nordwestlichsten
Ecke dieses natürlichen Molos, das San Salvatorfort, mit seinen 32 Ge¬
schützen jene einzige Einfahrt in den Hasen und die ganze Marina beherrscht.
Den schmalen südlichen Wurzelpunkt der Landzunge, die Stelle also, wo diese
sich an das sicilische Hauptland anschließt, nimmt die sehr starke Citadelle Ter-
ranuova mit ihren 200 Feuerschlünden ein, welche eine Besatzung von 4000
Mann ausnehmen kann. Zwischen ihr und dem südöstlichen Theil der Stadt
liegt ein freier Platz. Ein von dieser Citadelle nach dem Fort San Salva-
tore, also von Süd nach Nord gezogne Linie läuft mitten durch den Hafen
parallel mit der Südhälfte der Marina. Die letztere und der Hasen würden
somit gleichsam das Parterre, die an den Hügeln im Halbkreis ansteigenden
Straßen die Logenreihen, die Citadelle und die Forts die Scene des Schau¬
spiels sein, wenn Garibaldi sich zu dem Versuch entschlösse, Messina in seine
Gewalt zu bekommen. Die Batterien der Forts und der Citadelle beherrschen


durchschnittlich 17,000, an der engsten Stelle nur 11,913 Fuß breit. Hart
neben der sichelförmigen Landzunge, welche den Hafen der Stadt bildet, dem
sogenannten Brannio ti Santo Ruiniere gewahrt man den berüchtigten Stru¬
del der Charybdis, den Galofaro, der mit mehr Grund als die am calabri-
schen Ufer gegenüber brandende Scylla auch heutzutage noch gefürchtet wird,
obwol er über große Schiffe selbst während der Ebbe, wo seine Wirbel am
stärksten sind, keine Gewalt hat.

Seine Lage macht Messina zu einer der wichtigsten Städte Siciliens.
Es ist militärisch der Uebergangspunkt von Calabrien nach der Insel und zu¬
gleich commerciell von der höchsten Bedeutung. Der Hafen faßt gegen tau¬
send große Fahrzeuge, die Festungswerke sind in gutem Stande und große
Arsenale bergen Massen von Kriegsmaterial. Der Umfang der Stadt beträgt
eine deutsche Meile. Einwohner hatte sie im Jahre 1856 über 95,000.

Die Ostküste Siciliens ist an diesem ihrem nördlichen Ende eine schmale
Ebne; landeinwärts, also nach Westen, Süd- und Nordwesten steigt die Stadt
auf Hügeln amphiteatralisch an. Der Corso, die Hauptstraße, theilt sie. am
Ende der Ebne und am Fuß der Höhen hinlaufend, in eine tief- und eine
hochgelegene Hälfte. Vor der erstem, der eigentlichen Handelsstadt, zieht sich
am Meeresufer, fast eine Meile lang, die Marina oder Schifferstadt hin, die
in Gestalt einer einzigen langen Straße aus den Hafen hinausblickt. Der
letztere besteht in der südlichen Hälfte einer unmittelbar südwestlich von der
nördlichen Einfahrt in die Meerenge sich öffnenden Bucht. Seine Vortrefflich¬
keit liegt darin, daß die erwähnte sichelförmige Landzunge oder Halbinsel, süd¬
lich von ihr wurzelnd, seinen Osten und Nordosten einschließt und nur von
Norden her eine Einfahrt gestattet. Auf dieser Landzunge erheben sich, der
Marina gegenüber, wie aus dem Meer aufsteigend, die Bastionen und Cour-
tincn von sechs starken Forts, von denen das letzte, aus der nordwestlichsten
Ecke dieses natürlichen Molos, das San Salvatorfort, mit seinen 32 Ge¬
schützen jene einzige Einfahrt in den Hasen und die ganze Marina beherrscht.
Den schmalen südlichen Wurzelpunkt der Landzunge, die Stelle also, wo diese
sich an das sicilische Hauptland anschließt, nimmt die sehr starke Citadelle Ter-
ranuova mit ihren 200 Feuerschlünden ein, welche eine Besatzung von 4000
Mann ausnehmen kann. Zwischen ihr und dem südöstlichen Theil der Stadt
liegt ein freier Platz. Ein von dieser Citadelle nach dem Fort San Salva-
tore, also von Süd nach Nord gezogne Linie läuft mitten durch den Hafen
parallel mit der Südhälfte der Marina. Die letztere und der Hasen würden
somit gleichsam das Parterre, die an den Hügeln im Halbkreis ansteigenden
Straßen die Logenreihen, die Citadelle und die Forts die Scene des Schau¬
spiels sein, wenn Garibaldi sich zu dem Versuch entschlösse, Messina in seine
Gewalt zu bekommen. Die Batterien der Forts und der Citadelle beherrschen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/67>, abgerufen am 21.05.2024.