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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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das erzbischöfliche Seminar, das nautische Seminar, die Stadtbibliothek, die
peloritanische Akademie der Wissenschaften und die ökonomische Gesellschaft.

Als Hauptgewerbe der Einwohner muß die Seidenweberei bezeichnet wer¬
den. Der Handel war früher bedeutender. Namentlich hat die Einfuhr gegen
einst beträchtlich abgenommen. Die Ausfuhr besteht vorzüglich in Schwefel,
Seidenstoffen, Oliven und Oel, etwas Wein, Südfrüchten und Korallen. Die
Einfuhr hat sich dadurch vermindert, daß die Zollbeamten sie trotzdem oder --
wie die Weisheit der neapolitanischen Finanzmänner die Sache ansieht -- weil
Messina seit 1852 ein Freihafen heißt, mit allerlei Plackereien und unverstän¬
digen Abgaben belasten. Dennoch ist der Handel und Verkehr der Stadt noch
immer sehr bedeutend. Im Jahre 1858 wurde der Hafen von 4085 Segel¬
schiffen besucht, von denen allerdings mehr als die Hälfte Küstenfahrer von,
weniger als hundert Tonnen und nur 1863 große Fahrzeuge, zusammen mit
495,378 Tonnen waren. Dampfschiffe liefen 719 ein, darunter 259 französische,
141 neapolitanische, 90 englische und 78 östreichische (Lloyddampfer).

Wenn Garibaldi wirtlich zu einem Angriff auf Messina schreitet, so hat
er zu diesem Zwecke zunächst die große Straße über Catania, welches in der
Gewalt der Aufständischen ist, einzuschlagen, da sich auf andern Wegen keine
Artillerie fortschaffen läßt. Dann würde die starke Stellung bei Taormina
zu nehmen sein, und zuletzt würde der General vermuthlich einem Theil des
neapolitanischen Heeres bei und in Messina selbst begegnen. Der Unterschied
zwischen den Kämpfen von 1848 und dem dann entbrennenden würde indeß
ein großer sein. Damals auf finnischer Seite eine unschlüssige, auf auswärtige
Vermittelung vertrauende, zuletzt rathlose Regierung und ein Heer von Freischaaren,
ungenügend bewaffnet, schlecht mit Munition versehen, ohne besonderes Geschick
von Microslawski geführt, auf neapolitanischer gut geschulte Schweizerregimenter,
gegen 4000 Mann stark, an 10,000 andere Truppen, mit Allem wohl gerüstet,
von einem tüchtigen General wie Filangieri geführt, dahinter ein zu allen
Mitteln entschlossncr König, der aus dem Unterliegen Sardiniens im Kampf
mit Oestreich Zuversicht geschöpft, der überhaupt die Revolution allenthalben
bergab gehen gesehn. Jetzt auf finnischer Seite ein Heer mit einem tüchtigen
Kern, den Alpenjägern Garibaldis und Medicis, befehligt von einem General,
der nach Victor Emanuel der populärste und glücklichste Soldat Italiens ist,
dahinter eine aus energischen Männern gebildete, von einem Dictator zusam¬
mengehaltene Regierung, dahinter der Sieg der nationalen Sache in Nord-
Italien und der rasch über die Uebermacht erfochtene Triumph des Marsches
von Marsala bis Palermo, dahinter endlich die thätige Unterstützung der
gesammten patriotischen Partei Italiens, auf neapolitanischer dagegen eine
durch schmachvolle Niederlagen halb entmuthigte, zur Desertion geneigte
Armee, befehligt von Generalen zweifelhaften Talents, ein wankender Thron^


Grenzboten III. 1S00. 8

das erzbischöfliche Seminar, das nautische Seminar, die Stadtbibliothek, die
peloritanische Akademie der Wissenschaften und die ökonomische Gesellschaft.

Als Hauptgewerbe der Einwohner muß die Seidenweberei bezeichnet wer¬
den. Der Handel war früher bedeutender. Namentlich hat die Einfuhr gegen
einst beträchtlich abgenommen. Die Ausfuhr besteht vorzüglich in Schwefel,
Seidenstoffen, Oliven und Oel, etwas Wein, Südfrüchten und Korallen. Die
Einfuhr hat sich dadurch vermindert, daß die Zollbeamten sie trotzdem oder —
wie die Weisheit der neapolitanischen Finanzmänner die Sache ansieht — weil
Messina seit 1852 ein Freihafen heißt, mit allerlei Plackereien und unverstän¬
digen Abgaben belasten. Dennoch ist der Handel und Verkehr der Stadt noch
immer sehr bedeutend. Im Jahre 1858 wurde der Hafen von 4085 Segel¬
schiffen besucht, von denen allerdings mehr als die Hälfte Küstenfahrer von,
weniger als hundert Tonnen und nur 1863 große Fahrzeuge, zusammen mit
495,378 Tonnen waren. Dampfschiffe liefen 719 ein, darunter 259 französische,
141 neapolitanische, 90 englische und 78 östreichische (Lloyddampfer).

Wenn Garibaldi wirtlich zu einem Angriff auf Messina schreitet, so hat
er zu diesem Zwecke zunächst die große Straße über Catania, welches in der
Gewalt der Aufständischen ist, einzuschlagen, da sich auf andern Wegen keine
Artillerie fortschaffen läßt. Dann würde die starke Stellung bei Taormina
zu nehmen sein, und zuletzt würde der General vermuthlich einem Theil des
neapolitanischen Heeres bei und in Messina selbst begegnen. Der Unterschied
zwischen den Kämpfen von 1848 und dem dann entbrennenden würde indeß
ein großer sein. Damals auf finnischer Seite eine unschlüssige, auf auswärtige
Vermittelung vertrauende, zuletzt rathlose Regierung und ein Heer von Freischaaren,
ungenügend bewaffnet, schlecht mit Munition versehen, ohne besonderes Geschick
von Microslawski geführt, auf neapolitanischer gut geschulte Schweizerregimenter,
gegen 4000 Mann stark, an 10,000 andere Truppen, mit Allem wohl gerüstet,
von einem tüchtigen General wie Filangieri geführt, dahinter ein zu allen
Mitteln entschlossncr König, der aus dem Unterliegen Sardiniens im Kampf
mit Oestreich Zuversicht geschöpft, der überhaupt die Revolution allenthalben
bergab gehen gesehn. Jetzt auf finnischer Seite ein Heer mit einem tüchtigen
Kern, den Alpenjägern Garibaldis und Medicis, befehligt von einem General,
der nach Victor Emanuel der populärste und glücklichste Soldat Italiens ist,
dahinter eine aus energischen Männern gebildete, von einem Dictator zusam¬
mengehaltene Regierung, dahinter der Sieg der nationalen Sache in Nord-
Italien und der rasch über die Uebermacht erfochtene Triumph des Marsches
von Marsala bis Palermo, dahinter endlich die thätige Unterstützung der
gesammten patriotischen Partei Italiens, auf neapolitanischer dagegen eine
durch schmachvolle Niederlagen halb entmuthigte, zur Desertion geneigte
Armee, befehligt von Generalen zweifelhaften Talents, ein wankender Thron^


Grenzboten III. 1S00. 8
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/69>, abgerufen am 14.06.2024.