Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

könnte es interessant sein, wenn wir uns von Neapel und Kassel, Ungarn und
Schleswig-Holstein oder wo sonst die letzten Ereignisse uns fesselren, einmal
aus ein paar Augenblicke in jene ferne Kaiserstadt Ostasiens versetzten.

Peking, die Hauptstadt der Provinz Tschyli uno des ganzen chinesischen
Reiches, liegt in einer weiten wohlangebauten Ebne am Antw. einem Ueber¬
flusse des Pedo. Die Umgebung ist sehr anmuthig: Getreidefelder wechseln
mit Gärten und Pflanzungen wohlriechender Sträucher und Bäume, zwischen
denen sich riesige Cypressen wie schwarze Säulen erheben, zahlreiche Tempel
mit bunten glasirten Ziegeln glänzen, malerische Bonze^klöster und große Fried¬
höfe mit grünen Bäumen sichtbar sind. Dazwischen bewegen sich auf den
Straßen, die nach den Thoren führen, Massen von Fuhrwerken und sonstigen
Transportmitteln: Wagen mit Getreide, mit dem Arak der Mongolei, mit
der Butter von Mutter. Tragsessel von wunderlichen Formen und grellen
Farben, lange Reihen von Eseln und Dromedaren mit Waaren aus Ruß-
land oder Erzeugnissen der Mandschurei. Bon Osten her führt eine beson¬
ders schöne mit großen Granitplatten belegte Straße nach der Stadt, die hier
mit einem hohen steinernen Triumphbogen beginnt.

Peking besteht, gleich allen größeren Orten Chinas aus zwei verschiedenen
Städten: der Mandschuren- und der Chinesenstadt, die zwar hart an ein¬
ander grenzen, aber durch Mauer und Graben von einander getrennt sind.
Jene, die Mandschurenstadt, (Kingtsching) liegt im Norden und bildet ein
vollkommnes'Viereck, diese, die Chinesenstadt (Wailotsching) hat. südlich sich
anschließend, die Gestalt eines länglichen Quadrats. Beide sind mit hohen
Mauern und tiefen Gräben umgeben. außerhalb deren 12 große Vorstädte sich
hinziehen. Der Gesammtumsang der Stadt wird auf ziemlich sechs deutsche
Meilen angegeben, indeß ist zu bemerken, daß die Häuser und selbst die Pa¬
läste der Fürsten (Wang) fast ohne Ausnahme einstöckig sind und daß die
Mauern ausgedehnte Gärten und Parks mit Teichen einschließen. Im All¬
gemeinen ist Peking sehr leicht gebaut, und viele Hänser bestehen nur ans
Holz. Der Grund davon sind die Erdbeben, die hier sehr häufig und hef¬
tig auftreten, und von denen das im Jahre 1662 gegen 300,000, dan, von
1732 über 100,000 Menschen begraben haben soll. Alles ist gesetzlich vor¬
geschrieben: das Gesetz bestimmt, wie viel Läuten der Mandarin erster Klasse
"n seiner Fayade anbringen, wie viel Ziegel er zum Bau seines Hauses ver¬
wenden, wie viel Höfe er haben darf; es sagt, wie viel davon dem Manda¬
rin zweiter, wie viel dem dritter Klasse zukommt, u. s. w. Auch der Kaiser
'se in dieser Hinsicht durch Herkommen und Recht beschränkt, auch er ist ge¬
nöthigt, zu ebner Erde zu wohnen. Im klebrigen mangelt es der Stadt
nicht an phantastischer Formen- und Farbenpracht, doch darf man daran nicht
den Maßstab abendländischen Geschmackes legen.


könnte es interessant sein, wenn wir uns von Neapel und Kassel, Ungarn und
Schleswig-Holstein oder wo sonst die letzten Ereignisse uns fesselren, einmal
aus ein paar Augenblicke in jene ferne Kaiserstadt Ostasiens versetzten.

Peking, die Hauptstadt der Provinz Tschyli uno des ganzen chinesischen
Reiches, liegt in einer weiten wohlangebauten Ebne am Antw. einem Ueber¬
flusse des Pedo. Die Umgebung ist sehr anmuthig: Getreidefelder wechseln
mit Gärten und Pflanzungen wohlriechender Sträucher und Bäume, zwischen
denen sich riesige Cypressen wie schwarze Säulen erheben, zahlreiche Tempel
mit bunten glasirten Ziegeln glänzen, malerische Bonze^klöster und große Fried¬
höfe mit grünen Bäumen sichtbar sind. Dazwischen bewegen sich auf den
Straßen, die nach den Thoren führen, Massen von Fuhrwerken und sonstigen
Transportmitteln: Wagen mit Getreide, mit dem Arak der Mongolei, mit
der Butter von Mutter. Tragsessel von wunderlichen Formen und grellen
Farben, lange Reihen von Eseln und Dromedaren mit Waaren aus Ruß-
land oder Erzeugnissen der Mandschurei. Bon Osten her führt eine beson¬
ders schöne mit großen Granitplatten belegte Straße nach der Stadt, die hier
mit einem hohen steinernen Triumphbogen beginnt.

Peking besteht, gleich allen größeren Orten Chinas aus zwei verschiedenen
Städten: der Mandschuren- und der Chinesenstadt, die zwar hart an ein¬
ander grenzen, aber durch Mauer und Graben von einander getrennt sind.
Jene, die Mandschurenstadt, (Kingtsching) liegt im Norden und bildet ein
vollkommnes'Viereck, diese, die Chinesenstadt (Wailotsching) hat. südlich sich
anschließend, die Gestalt eines länglichen Quadrats. Beide sind mit hohen
Mauern und tiefen Gräben umgeben. außerhalb deren 12 große Vorstädte sich
hinziehen. Der Gesammtumsang der Stadt wird auf ziemlich sechs deutsche
Meilen angegeben, indeß ist zu bemerken, daß die Häuser und selbst die Pa¬
läste der Fürsten (Wang) fast ohne Ausnahme einstöckig sind und daß die
Mauern ausgedehnte Gärten und Parks mit Teichen einschließen. Im All¬
gemeinen ist Peking sehr leicht gebaut, und viele Hänser bestehen nur ans
Holz. Der Grund davon sind die Erdbeben, die hier sehr häufig und hef¬
tig auftreten, und von denen das im Jahre 1662 gegen 300,000, dan, von
1732 über 100,000 Menschen begraben haben soll. Alles ist gesetzlich vor¬
geschrieben: das Gesetz bestimmt, wie viel Läuten der Mandarin erster Klasse
«n seiner Fayade anbringen, wie viel Ziegel er zum Bau seines Hauses ver¬
wenden, wie viel Höfe er haben darf; es sagt, wie viel davon dem Manda¬
rin zweiter, wie viel dem dritter Klasse zukommt, u. s. w. Auch der Kaiser
'se in dieser Hinsicht durch Herkommen und Recht beschränkt, auch er ist ge¬
nöthigt, zu ebner Erde zu wohnen. Im klebrigen mangelt es der Stadt
nicht an phantastischer Formen- und Farbenpracht, doch darf man daran nicht
den Maßstab abendländischen Geschmackes legen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0427" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110775"/>
          <p xml:id="ID_1297" prev="#ID_1296"> könnte es interessant sein, wenn wir uns von Neapel und Kassel, Ungarn und<lb/>
Schleswig-Holstein oder wo sonst die letzten Ereignisse uns fesselren, einmal<lb/>
aus ein paar Augenblicke in jene ferne Kaiserstadt Ostasiens versetzten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1298"> Peking, die Hauptstadt der Provinz Tschyli uno des ganzen chinesischen<lb/>
Reiches, liegt in einer weiten wohlangebauten Ebne am Antw. einem Ueber¬<lb/>
flusse des Pedo. Die Umgebung ist sehr anmuthig: Getreidefelder wechseln<lb/>
mit Gärten und Pflanzungen wohlriechender Sträucher und Bäume, zwischen<lb/>
denen sich riesige Cypressen wie schwarze Säulen erheben, zahlreiche Tempel<lb/>
mit bunten glasirten Ziegeln glänzen, malerische Bonze^klöster und große Fried¬<lb/>
höfe mit grünen Bäumen sichtbar sind. Dazwischen bewegen sich auf den<lb/>
Straßen, die nach den Thoren führen, Massen von Fuhrwerken und sonstigen<lb/>
Transportmitteln: Wagen mit Getreide, mit dem Arak der Mongolei, mit<lb/>
der Butter von Mutter. Tragsessel von wunderlichen Formen und grellen<lb/>
Farben, lange Reihen von Eseln und Dromedaren mit Waaren aus Ruß-<lb/>
land oder Erzeugnissen der Mandschurei. Bon Osten her führt eine beson¬<lb/>
ders schöne mit großen Granitplatten belegte Straße nach der Stadt, die hier<lb/>
mit einem hohen steinernen Triumphbogen beginnt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1299"> Peking besteht, gleich allen größeren Orten Chinas aus zwei verschiedenen<lb/>
Städten: der Mandschuren- und der Chinesenstadt, die zwar hart an ein¬<lb/>
ander grenzen, aber durch Mauer und Graben von einander getrennt sind.<lb/>
Jene, die Mandschurenstadt, (Kingtsching) liegt im Norden und bildet ein<lb/>
vollkommnes'Viereck, diese, die Chinesenstadt (Wailotsching) hat. südlich sich<lb/>
anschließend, die Gestalt eines länglichen Quadrats. Beide sind mit hohen<lb/>
Mauern und tiefen Gräben umgeben. außerhalb deren 12 große Vorstädte sich<lb/>
hinziehen. Der Gesammtumsang der Stadt wird auf ziemlich sechs deutsche<lb/>
Meilen angegeben, indeß ist zu bemerken, daß die Häuser und selbst die Pa¬<lb/>
läste der Fürsten (Wang) fast ohne Ausnahme einstöckig sind und daß die<lb/>
Mauern ausgedehnte Gärten und Parks mit Teichen einschließen. Im All¬<lb/>
gemeinen ist Peking sehr leicht gebaut, und viele Hänser bestehen nur ans<lb/>
Holz. Der Grund davon sind die Erdbeben, die hier sehr häufig und hef¬<lb/>
tig auftreten, und von denen das im Jahre 1662 gegen 300,000, dan, von<lb/>
1732 über 100,000 Menschen begraben haben soll. Alles ist gesetzlich vor¬<lb/>
geschrieben: das Gesetz bestimmt, wie viel Läuten der Mandarin erster Klasse<lb/>
«n seiner Fayade anbringen, wie viel Ziegel er zum Bau seines Hauses ver¬<lb/>
wenden, wie viel Höfe er haben darf; es sagt, wie viel davon dem Manda¬<lb/>
rin zweiter, wie viel dem dritter Klasse zukommt, u. s. w. Auch der Kaiser<lb/>
'se in dieser Hinsicht durch Herkommen und Recht beschränkt, auch er ist ge¬<lb/>
nöthigt, zu ebner Erde zu wohnen. Im klebrigen mangelt es der Stadt<lb/>
nicht an phantastischer Formen- und Farbenpracht, doch darf man daran nicht<lb/>
den Maßstab abendländischen Geschmackes legen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0427] könnte es interessant sein, wenn wir uns von Neapel und Kassel, Ungarn und Schleswig-Holstein oder wo sonst die letzten Ereignisse uns fesselren, einmal aus ein paar Augenblicke in jene ferne Kaiserstadt Ostasiens versetzten. Peking, die Hauptstadt der Provinz Tschyli uno des ganzen chinesischen Reiches, liegt in einer weiten wohlangebauten Ebne am Antw. einem Ueber¬ flusse des Pedo. Die Umgebung ist sehr anmuthig: Getreidefelder wechseln mit Gärten und Pflanzungen wohlriechender Sträucher und Bäume, zwischen denen sich riesige Cypressen wie schwarze Säulen erheben, zahlreiche Tempel mit bunten glasirten Ziegeln glänzen, malerische Bonze^klöster und große Fried¬ höfe mit grünen Bäumen sichtbar sind. Dazwischen bewegen sich auf den Straßen, die nach den Thoren führen, Massen von Fuhrwerken und sonstigen Transportmitteln: Wagen mit Getreide, mit dem Arak der Mongolei, mit der Butter von Mutter. Tragsessel von wunderlichen Formen und grellen Farben, lange Reihen von Eseln und Dromedaren mit Waaren aus Ruß- land oder Erzeugnissen der Mandschurei. Bon Osten her führt eine beson¬ ders schöne mit großen Granitplatten belegte Straße nach der Stadt, die hier mit einem hohen steinernen Triumphbogen beginnt. Peking besteht, gleich allen größeren Orten Chinas aus zwei verschiedenen Städten: der Mandschuren- und der Chinesenstadt, die zwar hart an ein¬ ander grenzen, aber durch Mauer und Graben von einander getrennt sind. Jene, die Mandschurenstadt, (Kingtsching) liegt im Norden und bildet ein vollkommnes'Viereck, diese, die Chinesenstadt (Wailotsching) hat. südlich sich anschließend, die Gestalt eines länglichen Quadrats. Beide sind mit hohen Mauern und tiefen Gräben umgeben. außerhalb deren 12 große Vorstädte sich hinziehen. Der Gesammtumsang der Stadt wird auf ziemlich sechs deutsche Meilen angegeben, indeß ist zu bemerken, daß die Häuser und selbst die Pa¬ läste der Fürsten (Wang) fast ohne Ausnahme einstöckig sind und daß die Mauern ausgedehnte Gärten und Parks mit Teichen einschließen. Im All¬ gemeinen ist Peking sehr leicht gebaut, und viele Hänser bestehen nur ans Holz. Der Grund davon sind die Erdbeben, die hier sehr häufig und hef¬ tig auftreten, und von denen das im Jahre 1662 gegen 300,000, dan, von 1732 über 100,000 Menschen begraben haben soll. Alles ist gesetzlich vor¬ geschrieben: das Gesetz bestimmt, wie viel Läuten der Mandarin erster Klasse «n seiner Fayade anbringen, wie viel Ziegel er zum Bau seines Hauses ver¬ wenden, wie viel Höfe er haben darf; es sagt, wie viel davon dem Manda¬ rin zweiter, wie viel dem dritter Klasse zukommt, u. s. w. Auch der Kaiser 'se in dieser Hinsicht durch Herkommen und Recht beschränkt, auch er ist ge¬ nöthigt, zu ebner Erde zu wohnen. Im klebrigen mangelt es der Stadt nicht an phantastischer Formen- und Farbenpracht, doch darf man daran nicht den Maßstab abendländischen Geschmackes legen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/427
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/427>, abgerufen am 21.05.2024.