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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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Parteisieber erhitzten Einbildungskraft anzusehen und uns beim Anblick dessen
was übrig bleibt, daran zu erinnern, daß eine im Erlöschen begriffene Flamme
>" der Regel vor dem Ersterben noch einmal recht lebhaft aufflackert. Die
Zornflamme der durch Lincolns Wahl besiegten demokratischen Partei wird
davon keine Ausnahme machen. Im Uebrigen geben wir zu bedenken, daß
in Amerika jeder Gedanke mit weit mehr Aplomb aufzutreten pflegt, als man
bei uns zu sehen gewohnt ist. Wir erlauben uns also bis auf Weiteres, das
Virginische Ultimatum für eine Fabel zu halten, zwischen den etwa gestellten
Anträgen und secessionistischen Beschlüssen und zwischen den vorgekommenen
Demonstrationen und wirklichen Thaten einen Unterschied zu machen, die Pal-
mettoflagge sammt der blau und gelben Cocarde als bloße Symbole einer
Partei, nicht eines im Entstehen begriffnen neuen Staatswesens zu betrachten
und die Zahl der kriegschnanbenden Minute-Mer mit hundert zu dividiren.

Gesetzt aber auch den Fall, die Bewegung ginge tiefer, als sie unsrer
Voraussetzung zufolge gehen kann, so ist ans Gründen, die wir vor Kurzem
aufgezeigt haben, nicht leicht an einen Bürgerkrieg und ebensowenig an eine
friedliche Trennung des ganzen Südens vom Norden zu denken. Das Wahr¬
scheinlichste ist, daß der kreisende Berg der Demokratie zuletzt eine Maus gebä¬
ren wird, das heißt, daß die Drohungen der Sklavenhalter zu einem Com-
promiß führen werden, bei dem die Partei des Nordens wie 1833 einige ihrer
Forderungen opfert, um andere durchzusetzen. Sicher ist, daß die Verständigen
im Süden, ihre Lage erkennend, dies und nur dies im Auge haben, wenn
sie sich dem Lärm der Fanatiker anschließen, und die Zusammensetzung der
republikanischen Partei verbürgt uns nicht, daß sie sich damit verrechnen werden.

Es ist allerdings nicht völlig unmöglich, daß Südcarolina wirklich auf
einige Zeit den Verband mit den übrigen Staaten löst. Die große Mehrzahl
der andern Sklavenhalterstaaten wird sich hüten, dem Beispiele dieser kleinen
Republik, die beiläufig wenig wagen würde, da sie nicht an den freien Norden
grenzt, zu folgen. Aber auch für Südcarolina würde der Anfang mit großen
Schwierigkeiten verbunden und das Ende Schaden und Schande sein. Vieles
kommt darauf an, was für ein Charakter der neue Präsident ist und wie er
die Constitution auffaßt. Denkt er wie Jackson und besitzt er dieselbe Energie
Wie Jackson (sein Lebenslauf könnte dies bis zu einem gewissen Grade erwar¬
ten lassen), so wird Südcarolina die aufgehißte Palmeltoflagge sehr bald ein¬
ziehen oder wenn sein hitziges Temperament durchaus nach Krieg verlangt,
binnen wenigen Tagen zur Raison gebracht werden.




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Parteisieber erhitzten Einbildungskraft anzusehen und uns beim Anblick dessen
was übrig bleibt, daran zu erinnern, daß eine im Erlöschen begriffene Flamme
>» der Regel vor dem Ersterben noch einmal recht lebhaft aufflackert. Die
Zornflamme der durch Lincolns Wahl besiegten demokratischen Partei wird
davon keine Ausnahme machen. Im Uebrigen geben wir zu bedenken, daß
in Amerika jeder Gedanke mit weit mehr Aplomb aufzutreten pflegt, als man
bei uns zu sehen gewohnt ist. Wir erlauben uns also bis auf Weiteres, das
Virginische Ultimatum für eine Fabel zu halten, zwischen den etwa gestellten
Anträgen und secessionistischen Beschlüssen und zwischen den vorgekommenen
Demonstrationen und wirklichen Thaten einen Unterschied zu machen, die Pal-
mettoflagge sammt der blau und gelben Cocarde als bloße Symbole einer
Partei, nicht eines im Entstehen begriffnen neuen Staatswesens zu betrachten
und die Zahl der kriegschnanbenden Minute-Mer mit hundert zu dividiren.

Gesetzt aber auch den Fall, die Bewegung ginge tiefer, als sie unsrer
Voraussetzung zufolge gehen kann, so ist ans Gründen, die wir vor Kurzem
aufgezeigt haben, nicht leicht an einen Bürgerkrieg und ebensowenig an eine
friedliche Trennung des ganzen Südens vom Norden zu denken. Das Wahr¬
scheinlichste ist, daß der kreisende Berg der Demokratie zuletzt eine Maus gebä¬
ren wird, das heißt, daß die Drohungen der Sklavenhalter zu einem Com-
promiß führen werden, bei dem die Partei des Nordens wie 1833 einige ihrer
Forderungen opfert, um andere durchzusetzen. Sicher ist, daß die Verständigen
im Süden, ihre Lage erkennend, dies und nur dies im Auge haben, wenn
sie sich dem Lärm der Fanatiker anschließen, und die Zusammensetzung der
republikanischen Partei verbürgt uns nicht, daß sie sich damit verrechnen werden.

Es ist allerdings nicht völlig unmöglich, daß Südcarolina wirklich auf
einige Zeit den Verband mit den übrigen Staaten löst. Die große Mehrzahl
der andern Sklavenhalterstaaten wird sich hüten, dem Beispiele dieser kleinen
Republik, die beiläufig wenig wagen würde, da sie nicht an den freien Norden
grenzt, zu folgen. Aber auch für Südcarolina würde der Anfang mit großen
Schwierigkeiten verbunden und das Ende Schaden und Schande sein. Vieles
kommt darauf an, was für ein Charakter der neue Präsident ist und wie er
die Constitution auffaßt. Denkt er wie Jackson und besitzt er dieselbe Energie
Wie Jackson (sein Lebenslauf könnte dies bis zu einem gewissen Grade erwar¬
ten lassen), so wird Südcarolina die aufgehißte Palmeltoflagge sehr bald ein¬
ziehen oder wenn sein hitziges Temperament durchaus nach Krieg verlangt,
binnen wenigen Tagen zur Raison gebracht werden.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/511>, abgerufen am 21.05.2024.