Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Zollbezirke der Zahl nach um ein Beträchtliches, ließ aber dennoch im Wesent¬
lichen das Zollwesen des zu einem Staatenbunde jetzt umgewandelten Reiches
unverändert, so daß immer noch durch Zollschranken getrennt die Bundesglie¬
der, die so eben im aufopferungsvollen Nebeneinanderstehen die schwersten und
siegreichsten Kämpfe zur gegenseitigen Befreiung überstanden hatten, jedes das
andere in den inneren und wichtigsten Verhältnissen als Gegner betrachten
mußten, welche wirthschaftliche Vortheile nur mit einer entsprechenden Schädi¬
gung der Nachbaren und eigene Nachtheile mit gegnerischen Vortheilen bezahlten.
Zugleich mußte das ganze Volk erkennen, daß die kaum gewonnene politische
Freiheit in steter Unsicherheit und Gefahr bleiben werde, wenn nicht durch eine
Befreiung von allen inneren Fesseln und Hemmnissen die wirthschaftliche Selb¬
ständigkeit als bleibende und sicherste Grundlage für die politische ermöglicht
werde. Folgerichtig also wandte sich der Drang nach Befreiung von außen
nach innen und richtete sich zunächst gegen das überlieferte Zollwesen, um
dies bis dahin wirksamste Mittel der Trennung und Zersplitterung zu einem
jetzt ebenso wirksamen Mittel der Einigung und Zusammenfügung umzuwan
dein. Zwei Zielpunkte traten' dabei als die nächstliegenden von selbst in den
Vordergrund, 1. Die Niederreißung aller inneren Zölle in den einzelnen
Bundesstaaten und dieser gegen einander und 2. die Herstellung eines ge¬
meinsamen Schutzzollsystemes, das die deutschen Bundesstaaten nach außen
und nach innen gegen die wirthschaftlich und politisch überlegenen Staaten
als ein gemeinsam arbeitendes und handelndes Reichsganze zusammenzuschlie¬
ßen und darzustellen vermöchte.

Während Oestreich durch die eigenen Verhältnisse auf andere Bahnen an¬
gewiesen und von einem maaßgebenden Einflüsse auf Deutschland nach dieser
Richtung hin ferngehalten wurde, war Preußens Interesse mit einer Reform des
deutschen Zollwesens unmittelbar verbunden und in vielen Beziehungen davon
abhängig. Zuerst von einem Binnenzollsystem zu einem Grenzzollsystem über¬
gegangen, wurde es durch die Zerstückelung und Zerrissenheit seiner Grenzli¬
nien gezwungen, das Zollwesen der benachbarten Bundesstaaten in das eigene
herüberzuziehen und dieses, um es nur möglich zu machen, über jene zu er¬
weitern. Die eigene Lage und Gestalt zwangen Preußen unabweislich zur
Bildung einer Zolleinigung mit den nachbarlichen Bundesstaaten. Nicht min¬
der hing mit der ganzen damaligen inneren Sachlage in Deutschland zusam¬
men, daß diesem Streben Preußens ein verwandtes und erleichterndes von
Seiten der mittel- und süddeutschen Staaten begegnete. Denn Befreiung der
volkswirtschaftlichen Kräfte und Zustände im Innern, ein gemeinsames Zu¬
sammenstehen zum Schutz deutscher Volkswirthschaft nach außen waren seit
dem französischen Friedensschlüsse die nächstliegenden und lautesten Bedürf¬
nisse geworden.


Zollbezirke der Zahl nach um ein Beträchtliches, ließ aber dennoch im Wesent¬
lichen das Zollwesen des zu einem Staatenbunde jetzt umgewandelten Reiches
unverändert, so daß immer noch durch Zollschranken getrennt die Bundesglie¬
der, die so eben im aufopferungsvollen Nebeneinanderstehen die schwersten und
siegreichsten Kämpfe zur gegenseitigen Befreiung überstanden hatten, jedes das
andere in den inneren und wichtigsten Verhältnissen als Gegner betrachten
mußten, welche wirthschaftliche Vortheile nur mit einer entsprechenden Schädi¬
gung der Nachbaren und eigene Nachtheile mit gegnerischen Vortheilen bezahlten.
Zugleich mußte das ganze Volk erkennen, daß die kaum gewonnene politische
Freiheit in steter Unsicherheit und Gefahr bleiben werde, wenn nicht durch eine
Befreiung von allen inneren Fesseln und Hemmnissen die wirthschaftliche Selb¬
ständigkeit als bleibende und sicherste Grundlage für die politische ermöglicht
werde. Folgerichtig also wandte sich der Drang nach Befreiung von außen
nach innen und richtete sich zunächst gegen das überlieferte Zollwesen, um
dies bis dahin wirksamste Mittel der Trennung und Zersplitterung zu einem
jetzt ebenso wirksamen Mittel der Einigung und Zusammenfügung umzuwan
dein. Zwei Zielpunkte traten' dabei als die nächstliegenden von selbst in den
Vordergrund, 1. Die Niederreißung aller inneren Zölle in den einzelnen
Bundesstaaten und dieser gegen einander und 2. die Herstellung eines ge¬
meinsamen Schutzzollsystemes, das die deutschen Bundesstaaten nach außen
und nach innen gegen die wirthschaftlich und politisch überlegenen Staaten
als ein gemeinsam arbeitendes und handelndes Reichsganze zusammenzuschlie¬
ßen und darzustellen vermöchte.

Während Oestreich durch die eigenen Verhältnisse auf andere Bahnen an¬
gewiesen und von einem maaßgebenden Einflüsse auf Deutschland nach dieser
Richtung hin ferngehalten wurde, war Preußens Interesse mit einer Reform des
deutschen Zollwesens unmittelbar verbunden und in vielen Beziehungen davon
abhängig. Zuerst von einem Binnenzollsystem zu einem Grenzzollsystem über¬
gegangen, wurde es durch die Zerstückelung und Zerrissenheit seiner Grenzli¬
nien gezwungen, das Zollwesen der benachbarten Bundesstaaten in das eigene
herüberzuziehen und dieses, um es nur möglich zu machen, über jene zu er¬
weitern. Die eigene Lage und Gestalt zwangen Preußen unabweislich zur
Bildung einer Zolleinigung mit den nachbarlichen Bundesstaaten. Nicht min¬
der hing mit der ganzen damaligen inneren Sachlage in Deutschland zusam¬
men, daß diesem Streben Preußens ein verwandtes und erleichterndes von
Seiten der mittel- und süddeutschen Staaten begegnete. Denn Befreiung der
volkswirtschaftlichen Kräfte und Zustände im Innern, ein gemeinsames Zu¬
sammenstehen zum Schutz deutscher Volkswirthschaft nach außen waren seit
dem französischen Friedensschlüsse die nächstliegenden und lautesten Bedürf¬
nisse geworden.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0132" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/112102"/>
          <p xml:id="ID_448" prev="#ID_447"> Zollbezirke der Zahl nach um ein Beträchtliches, ließ aber dennoch im Wesent¬<lb/>
lichen das Zollwesen des zu einem Staatenbunde jetzt umgewandelten Reiches<lb/>
unverändert, so daß immer noch durch Zollschranken getrennt die Bundesglie¬<lb/>
der, die so eben im aufopferungsvollen Nebeneinanderstehen die schwersten und<lb/>
siegreichsten Kämpfe zur gegenseitigen Befreiung überstanden hatten, jedes das<lb/>
andere in den inneren und wichtigsten Verhältnissen als Gegner betrachten<lb/>
mußten, welche wirthschaftliche Vortheile nur mit einer entsprechenden Schädi¬<lb/>
gung der Nachbaren und eigene Nachtheile mit gegnerischen Vortheilen bezahlten.<lb/>
Zugleich mußte das ganze Volk erkennen, daß die kaum gewonnene politische<lb/>
Freiheit in steter Unsicherheit und Gefahr bleiben werde, wenn nicht durch eine<lb/>
Befreiung von allen inneren Fesseln und Hemmnissen die wirthschaftliche Selb¬<lb/>
ständigkeit als bleibende und sicherste Grundlage für die politische ermöglicht<lb/>
werde. Folgerichtig also wandte sich der Drang nach Befreiung von außen<lb/>
nach innen und richtete sich zunächst gegen das überlieferte Zollwesen, um<lb/>
dies bis dahin wirksamste Mittel der Trennung und Zersplitterung zu einem<lb/>
jetzt ebenso wirksamen Mittel der Einigung und Zusammenfügung umzuwan<lb/>
dein. Zwei Zielpunkte traten' dabei als die nächstliegenden von selbst in den<lb/>
Vordergrund, 1. Die Niederreißung aller inneren Zölle in den einzelnen<lb/>
Bundesstaaten und dieser gegen einander und 2. die Herstellung eines ge¬<lb/>
meinsamen Schutzzollsystemes, das die deutschen Bundesstaaten nach außen<lb/>
und nach innen gegen die wirthschaftlich und politisch überlegenen Staaten<lb/>
als ein gemeinsam arbeitendes und handelndes Reichsganze zusammenzuschlie¬<lb/>
ßen und darzustellen vermöchte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_449"> Während Oestreich durch die eigenen Verhältnisse auf andere Bahnen an¬<lb/>
gewiesen und von einem maaßgebenden Einflüsse auf Deutschland nach dieser<lb/>
Richtung hin ferngehalten wurde, war Preußens Interesse mit einer Reform des<lb/>
deutschen Zollwesens unmittelbar verbunden und in vielen Beziehungen davon<lb/>
abhängig. Zuerst von einem Binnenzollsystem zu einem Grenzzollsystem über¬<lb/>
gegangen, wurde es durch die Zerstückelung und Zerrissenheit seiner Grenzli¬<lb/>
nien gezwungen, das Zollwesen der benachbarten Bundesstaaten in das eigene<lb/>
herüberzuziehen und dieses, um es nur möglich zu machen, über jene zu er¬<lb/>
weitern. Die eigene Lage und Gestalt zwangen Preußen unabweislich zur<lb/>
Bildung einer Zolleinigung mit den nachbarlichen Bundesstaaten. Nicht min¬<lb/>
der hing mit der ganzen damaligen inneren Sachlage in Deutschland zusam¬<lb/>
men, daß diesem Streben Preußens ein verwandtes und erleichterndes von<lb/>
Seiten der mittel- und süddeutschen Staaten begegnete. Denn Befreiung der<lb/>
volkswirtschaftlichen Kräfte und Zustände im Innern, ein gemeinsames Zu¬<lb/>
sammenstehen zum Schutz deutscher Volkswirthschaft nach außen waren seit<lb/>
dem französischen Friedensschlüsse die nächstliegenden und lautesten Bedürf¬<lb/>
nisse geworden.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0132] Zollbezirke der Zahl nach um ein Beträchtliches, ließ aber dennoch im Wesent¬ lichen das Zollwesen des zu einem Staatenbunde jetzt umgewandelten Reiches unverändert, so daß immer noch durch Zollschranken getrennt die Bundesglie¬ der, die so eben im aufopferungsvollen Nebeneinanderstehen die schwersten und siegreichsten Kämpfe zur gegenseitigen Befreiung überstanden hatten, jedes das andere in den inneren und wichtigsten Verhältnissen als Gegner betrachten mußten, welche wirthschaftliche Vortheile nur mit einer entsprechenden Schädi¬ gung der Nachbaren und eigene Nachtheile mit gegnerischen Vortheilen bezahlten. Zugleich mußte das ganze Volk erkennen, daß die kaum gewonnene politische Freiheit in steter Unsicherheit und Gefahr bleiben werde, wenn nicht durch eine Befreiung von allen inneren Fesseln und Hemmnissen die wirthschaftliche Selb¬ ständigkeit als bleibende und sicherste Grundlage für die politische ermöglicht werde. Folgerichtig also wandte sich der Drang nach Befreiung von außen nach innen und richtete sich zunächst gegen das überlieferte Zollwesen, um dies bis dahin wirksamste Mittel der Trennung und Zersplitterung zu einem jetzt ebenso wirksamen Mittel der Einigung und Zusammenfügung umzuwan dein. Zwei Zielpunkte traten' dabei als die nächstliegenden von selbst in den Vordergrund, 1. Die Niederreißung aller inneren Zölle in den einzelnen Bundesstaaten und dieser gegen einander und 2. die Herstellung eines ge¬ meinsamen Schutzzollsystemes, das die deutschen Bundesstaaten nach außen und nach innen gegen die wirthschaftlich und politisch überlegenen Staaten als ein gemeinsam arbeitendes und handelndes Reichsganze zusammenzuschlie¬ ßen und darzustellen vermöchte. Während Oestreich durch die eigenen Verhältnisse auf andere Bahnen an¬ gewiesen und von einem maaßgebenden Einflüsse auf Deutschland nach dieser Richtung hin ferngehalten wurde, war Preußens Interesse mit einer Reform des deutschen Zollwesens unmittelbar verbunden und in vielen Beziehungen davon abhängig. Zuerst von einem Binnenzollsystem zu einem Grenzzollsystem über¬ gegangen, wurde es durch die Zerstückelung und Zerrissenheit seiner Grenzli¬ nien gezwungen, das Zollwesen der benachbarten Bundesstaaten in das eigene herüberzuziehen und dieses, um es nur möglich zu machen, über jene zu er¬ weitern. Die eigene Lage und Gestalt zwangen Preußen unabweislich zur Bildung einer Zolleinigung mit den nachbarlichen Bundesstaaten. Nicht min¬ der hing mit der ganzen damaligen inneren Sachlage in Deutschland zusam¬ men, daß diesem Streben Preußens ein verwandtes und erleichterndes von Seiten der mittel- und süddeutschen Staaten begegnete. Denn Befreiung der volkswirtschaftlichen Kräfte und Zustände im Innern, ein gemeinsames Zu¬ sammenstehen zum Schutz deutscher Volkswirthschaft nach außen waren seit dem französischen Friedensschlüsse die nächstliegenden und lautesten Bedürf¬ nisse geworden.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/132
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/132>, abgerufen am 18.05.2024.