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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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Der deutsche Bund ist im Wesentlichen nichts Anderes, als die Form, in wel¬
cher die Particularsouveränetät ihren Schutz gesucht hat. An der Spitze des Bun¬
des steht Oestreich, welches sein Interesse in der Getheiltheit Deutschlands und in
der Niederhaltung des Volksgeistes sucht, die regelmäßige Mehrheit in der Bundes¬
versammlung wird von Bayern, Sachsen, Hannover, Würtemberg, den beiden
Hessen, Mecklenburg und den beiden ausländischen und Deutschland feindlichen
Staaten, den Niederlanden und Dänemark, gebildet. Man muß sich stets darüber
klar sein, daß, wenn man vom deutschen Bunde spricht, man die Coalition
der die Mehrheit der Bundesversammlungen bildenden Regierungen, Oestreichs,
der Mittelstaaten und des Auslandes meint. Eigenthümliche Verhältnisse der
einzelnen Staaten und Fragen können in Betreff der Mehrheit Ausnahmen
von der Regel begründen; dieselben bleiben aber immer Ausnahmen, und es
gibt deren einzelne sehr erfreuliche, z. B. in Betreff Badens. Wir würden
auch Baden zu jenen Staaten rechnen müssen, wenn acht theils die beson¬
dere Entwicklung dieses Landes, theils die Persönlichkeit feines gegenwärtigen
Fürsten dasselbe aus dem Kreise der Mittelstaaten ausscheiden ließe.

Preußen und die übrigen Staaten haben ihrer Natur nach, jenes weil
es im Wesentlichen die Interessen der Gesammtheit verfolgen kann, diese,
weil sie zu klein sind, um mit Consequenz Sonderinteressen zu verfol¬
gen, eine nationale und zugleich liberale Richtung. Wenn Preußen und die
kleinen Staaten sich der Bundcsmajorität anschließen, so handeln sie ebenso¬
sehr gegen die Natur der Dinge, als wenn Oestreich, die Mittelstaaten und
die nichtdeutschen Staaten von nationalen und liberalen Gesichtspunkten aus
in den Bundesverhältnissen handeln.

Wir mußten dies vorausschicken, um die Stellung einer deutschen Kriegs¬
marine zu dem deutschen Bunde klar zu machen.

Eine Bundesmarine paßt deshalb nicht in die Organisation des deutschen
Bundes, weil sie dem Bundeszwecke, der Aufrechthaltung der Territoricilsou-
veränetät. nicht dienen kann, sie ist deshalb ein nationales Institut, weil sie
"icht wie das Bundesheer aus Contingcnten aller Staaten zusammengesetzt
sein kann und daher in Organisation und Oberbefehl einheitlich gestaltet sein
^nß. Eine Bundesmarine würde also ein der Contingentverfassung gefähr¬
liches Princip für das Bundesheer aufstellen.

Die Contingentverfassung des Bundesheeres ist aber die Basis der Bun¬
desverfassung. Das Bundesheer, der Bundesoberbefehl über dieses Heer, die
ganze Bundeskriegsverfassung sind Nichts als Fictionen, das Wesentliche und
thatsächliche ist, daß die deutschen Einzelstaaten, wie andre europäische Staa-
ten. Truppenkörper haben, über welche dem Souverän eine unumschränkte
Disposition zusteht. Bei den kleineren Staaten werden diese Truppenkörper
Ziemlich werthlos, die größeren deutschen Staaten haben dagegen Armeen


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Der deutsche Bund ist im Wesentlichen nichts Anderes, als die Form, in wel¬
cher die Particularsouveränetät ihren Schutz gesucht hat. An der Spitze des Bun¬
des steht Oestreich, welches sein Interesse in der Getheiltheit Deutschlands und in
der Niederhaltung des Volksgeistes sucht, die regelmäßige Mehrheit in der Bundes¬
versammlung wird von Bayern, Sachsen, Hannover, Würtemberg, den beiden
Hessen, Mecklenburg und den beiden ausländischen und Deutschland feindlichen
Staaten, den Niederlanden und Dänemark, gebildet. Man muß sich stets darüber
klar sein, daß, wenn man vom deutschen Bunde spricht, man die Coalition
der die Mehrheit der Bundesversammlungen bildenden Regierungen, Oestreichs,
der Mittelstaaten und des Auslandes meint. Eigenthümliche Verhältnisse der
einzelnen Staaten und Fragen können in Betreff der Mehrheit Ausnahmen
von der Regel begründen; dieselben bleiben aber immer Ausnahmen, und es
gibt deren einzelne sehr erfreuliche, z. B. in Betreff Badens. Wir würden
auch Baden zu jenen Staaten rechnen müssen, wenn acht theils die beson¬
dere Entwicklung dieses Landes, theils die Persönlichkeit feines gegenwärtigen
Fürsten dasselbe aus dem Kreise der Mittelstaaten ausscheiden ließe.

Preußen und die übrigen Staaten haben ihrer Natur nach, jenes weil
es im Wesentlichen die Interessen der Gesammtheit verfolgen kann, diese,
weil sie zu klein sind, um mit Consequenz Sonderinteressen zu verfol¬
gen, eine nationale und zugleich liberale Richtung. Wenn Preußen und die
kleinen Staaten sich der Bundcsmajorität anschließen, so handeln sie ebenso¬
sehr gegen die Natur der Dinge, als wenn Oestreich, die Mittelstaaten und
die nichtdeutschen Staaten von nationalen und liberalen Gesichtspunkten aus
in den Bundesverhältnissen handeln.

Wir mußten dies vorausschicken, um die Stellung einer deutschen Kriegs¬
marine zu dem deutschen Bunde klar zu machen.

Eine Bundesmarine paßt deshalb nicht in die Organisation des deutschen
Bundes, weil sie dem Bundeszwecke, der Aufrechthaltung der Territoricilsou-
veränetät. nicht dienen kann, sie ist deshalb ein nationales Institut, weil sie
"icht wie das Bundesheer aus Contingcnten aller Staaten zusammengesetzt
sein kann und daher in Organisation und Oberbefehl einheitlich gestaltet sein
^nß. Eine Bundesmarine würde also ein der Contingentverfassung gefähr¬
liches Princip für das Bundesheer aufstellen.

Die Contingentverfassung des Bundesheeres ist aber die Basis der Bun¬
desverfassung. Das Bundesheer, der Bundesoberbefehl über dieses Heer, die
ganze Bundeskriegsverfassung sind Nichts als Fictionen, das Wesentliche und
thatsächliche ist, daß die deutschen Einzelstaaten, wie andre europäische Staa-
ten. Truppenkörper haben, über welche dem Souverän eine unumschränkte
Disposition zusteht. Bei den kleineren Staaten werden diese Truppenkörper
Ziemlich werthlos, die größeren deutschen Staaten haben dagegen Armeen


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[0213] Der deutsche Bund ist im Wesentlichen nichts Anderes, als die Form, in wel¬ cher die Particularsouveränetät ihren Schutz gesucht hat. An der Spitze des Bun¬ des steht Oestreich, welches sein Interesse in der Getheiltheit Deutschlands und in der Niederhaltung des Volksgeistes sucht, die regelmäßige Mehrheit in der Bundes¬ versammlung wird von Bayern, Sachsen, Hannover, Würtemberg, den beiden Hessen, Mecklenburg und den beiden ausländischen und Deutschland feindlichen Staaten, den Niederlanden und Dänemark, gebildet. Man muß sich stets darüber klar sein, daß, wenn man vom deutschen Bunde spricht, man die Coalition der die Mehrheit der Bundesversammlungen bildenden Regierungen, Oestreichs, der Mittelstaaten und des Auslandes meint. Eigenthümliche Verhältnisse der einzelnen Staaten und Fragen können in Betreff der Mehrheit Ausnahmen von der Regel begründen; dieselben bleiben aber immer Ausnahmen, und es gibt deren einzelne sehr erfreuliche, z. B. in Betreff Badens. Wir würden auch Baden zu jenen Staaten rechnen müssen, wenn acht theils die beson¬ dere Entwicklung dieses Landes, theils die Persönlichkeit feines gegenwärtigen Fürsten dasselbe aus dem Kreise der Mittelstaaten ausscheiden ließe. Preußen und die übrigen Staaten haben ihrer Natur nach, jenes weil es im Wesentlichen die Interessen der Gesammtheit verfolgen kann, diese, weil sie zu klein sind, um mit Consequenz Sonderinteressen zu verfol¬ gen, eine nationale und zugleich liberale Richtung. Wenn Preußen und die kleinen Staaten sich der Bundcsmajorität anschließen, so handeln sie ebenso¬ sehr gegen die Natur der Dinge, als wenn Oestreich, die Mittelstaaten und die nichtdeutschen Staaten von nationalen und liberalen Gesichtspunkten aus in den Bundesverhältnissen handeln. Wir mußten dies vorausschicken, um die Stellung einer deutschen Kriegs¬ marine zu dem deutschen Bunde klar zu machen. Eine Bundesmarine paßt deshalb nicht in die Organisation des deutschen Bundes, weil sie dem Bundeszwecke, der Aufrechthaltung der Territoricilsou- veränetät. nicht dienen kann, sie ist deshalb ein nationales Institut, weil sie "icht wie das Bundesheer aus Contingcnten aller Staaten zusammengesetzt sein kann und daher in Organisation und Oberbefehl einheitlich gestaltet sein ^nß. Eine Bundesmarine würde also ein der Contingentverfassung gefähr¬ liches Princip für das Bundesheer aufstellen. Die Contingentverfassung des Bundesheeres ist aber die Basis der Bun¬ desverfassung. Das Bundesheer, der Bundesoberbefehl über dieses Heer, die ganze Bundeskriegsverfassung sind Nichts als Fictionen, das Wesentliche und thatsächliche ist, daß die deutschen Einzelstaaten, wie andre europäische Staa- ten. Truppenkörper haben, über welche dem Souverän eine unumschränkte Disposition zusteht. Bei den kleineren Staaten werden diese Truppenkörper Ziemlich werthlos, die größeren deutschen Staaten haben dagegen Armeen 26*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/213>, abgerufen am 17.06.2024.