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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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In Bezug auf den Eindruck dieses langsamen Feldzuges im Auslande ist
nichts zu fürchten. Die Freundschaftsversicherungen der auswärtigen Mächte
werden von Woche zu Woche nachdrücklicher. Selbst Lord Lyons ist höflich
und rücksichtsvoll geworden und ist nicht länger disponirt, Cabinettsmit-
glieder als untergeordnete Subjecte zu behandeln und sich unangenehm zu
machen. England ist in einem Raptus über die Baumwolle, aber es sieht
jetzt doch ein, daß der geschwindeste Weg, den Markt zu öffnen, ist, die Rebellion
der Baumwollenstaaten zu unterdrücken. Wenn es in irgend einer Form seine
Dienste anbietet, oder einen Druck nach irgend einer Seite ausübt, so wird es
sein nach der Seite der Erhaltung von Gesetz und Ordnung in der Republik.
Frankreich und die andern europäischen Großmächte sind schon jetzt sehr ent¬
schieden in ihren Ausdrücken der Sympathie mit unsrer Regiemug. Es ist
kein Schatten von Gefahr, daß irgend eine europäische Macht die Confödera-
tion der Verschwörer anerkennen wird.

Die Erkenntniß dieser Thatsachen ist ganz neuerdings auch im Geiste der
Leiter des Südens aufgedämmert. Sie sind betroffen worden und eben zum
vollen Bewußtsein gekommen von ihrer zweiten großen Enttäuschung. Sie
erwarteten als erstes einen getheilten Norden und eine vollendete Revolution.
Sie erwarteten zweitens eine prompte Anerkennung der europäischen Mächte.
So starrte ihnen denn die schlimme Alternative ins Angesicht, kühn sich für
ihr Leben zu wehren, oder qualvoll zollweise zu sterben -- in andern Worten,
eine große Demonstration gegen Washington zu unternehmen, oder hoffnungs¬
los auf Richmond zurück zu ziehen. Beauregnos soll letzte Woche für einen Marsch
auf Washington ! gewesen sein und die dortigen Secessionisten, privatim
davon unterrichtet, sollen hoffnungsvoll seiner Ankunft entgegengesehen haben.
Donnerstag und Freitag Nacht erwarteten sie über den Fluß hin den Donner
seiner Geschütze zu hören, und manche saßen ängstlich lauschend, die ganze
Nacht auf. Aber die Räder der Wagen zögern. Jefferson Davis soll ihm
das gedrohte Vordringen untersagt haben und es soll seines ganzen persön¬
lichen Einflusses bedurft haben, daß seine Autorität respectirt wurde. Aber
es ist sehr klar, daß Jcffersons Politik eine temporisirende ist. Könnte er
Washington einnehmen, so würden die hiesigen Vorräthe an Lebensmitteln
und Kriegsmaterial ihn bereichern und der Besitz des Regierungssitzes ihm die
Anerkennung des Auslandes verschaffen. Kann er Washington nicht nehmen,
so muß er sofort anfangen, sich zurückzuziehen, und zieht er sich über den
Jamesfluß zurück, so könnte er und seine Armee ebenso gut sich in den Golf
von Mexiko stürzen, wie die Säue in den See, als die Teufel hineinfuhren. --

Die kriegerischen Vorhersagungen unseres amerikanischen Schriftstellers
Möchten sich nur dann nicht in ihrem vollen Umfange erfüllen, wenn sich.
Kie neulich der kundige Korrespondent der Kölnischen Zeitung andeutete, im


35*

In Bezug auf den Eindruck dieses langsamen Feldzuges im Auslande ist
nichts zu fürchten. Die Freundschaftsversicherungen der auswärtigen Mächte
werden von Woche zu Woche nachdrücklicher. Selbst Lord Lyons ist höflich
und rücksichtsvoll geworden und ist nicht länger disponirt, Cabinettsmit-
glieder als untergeordnete Subjecte zu behandeln und sich unangenehm zu
machen. England ist in einem Raptus über die Baumwolle, aber es sieht
jetzt doch ein, daß der geschwindeste Weg, den Markt zu öffnen, ist, die Rebellion
der Baumwollenstaaten zu unterdrücken. Wenn es in irgend einer Form seine
Dienste anbietet, oder einen Druck nach irgend einer Seite ausübt, so wird es
sein nach der Seite der Erhaltung von Gesetz und Ordnung in der Republik.
Frankreich und die andern europäischen Großmächte sind schon jetzt sehr ent¬
schieden in ihren Ausdrücken der Sympathie mit unsrer Regiemug. Es ist
kein Schatten von Gefahr, daß irgend eine europäische Macht die Confödera-
tion der Verschwörer anerkennen wird.

Die Erkenntniß dieser Thatsachen ist ganz neuerdings auch im Geiste der
Leiter des Südens aufgedämmert. Sie sind betroffen worden und eben zum
vollen Bewußtsein gekommen von ihrer zweiten großen Enttäuschung. Sie
erwarteten als erstes einen getheilten Norden und eine vollendete Revolution.
Sie erwarteten zweitens eine prompte Anerkennung der europäischen Mächte.
So starrte ihnen denn die schlimme Alternative ins Angesicht, kühn sich für
ihr Leben zu wehren, oder qualvoll zollweise zu sterben — in andern Worten,
eine große Demonstration gegen Washington zu unternehmen, oder hoffnungs¬
los auf Richmond zurück zu ziehen. Beauregnos soll letzte Woche für einen Marsch
auf Washington ! gewesen sein und die dortigen Secessionisten, privatim
davon unterrichtet, sollen hoffnungsvoll seiner Ankunft entgegengesehen haben.
Donnerstag und Freitag Nacht erwarteten sie über den Fluß hin den Donner
seiner Geschütze zu hören, und manche saßen ängstlich lauschend, die ganze
Nacht auf. Aber die Räder der Wagen zögern. Jefferson Davis soll ihm
das gedrohte Vordringen untersagt haben und es soll seines ganzen persön¬
lichen Einflusses bedurft haben, daß seine Autorität respectirt wurde. Aber
es ist sehr klar, daß Jcffersons Politik eine temporisirende ist. Könnte er
Washington einnehmen, so würden die hiesigen Vorräthe an Lebensmitteln
und Kriegsmaterial ihn bereichern und der Besitz des Regierungssitzes ihm die
Anerkennung des Auslandes verschaffen. Kann er Washington nicht nehmen,
so muß er sofort anfangen, sich zurückzuziehen, und zieht er sich über den
Jamesfluß zurück, so könnte er und seine Armee ebenso gut sich in den Golf
von Mexiko stürzen, wie die Säue in den See, als die Teufel hineinfuhren. —

Die kriegerischen Vorhersagungen unseres amerikanischen Schriftstellers
Möchten sich nur dann nicht in ihrem vollen Umfange erfüllen, wenn sich.
Kie neulich der kundige Korrespondent der Kölnischen Zeitung andeutete, im


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[0285] In Bezug auf den Eindruck dieses langsamen Feldzuges im Auslande ist nichts zu fürchten. Die Freundschaftsversicherungen der auswärtigen Mächte werden von Woche zu Woche nachdrücklicher. Selbst Lord Lyons ist höflich und rücksichtsvoll geworden und ist nicht länger disponirt, Cabinettsmit- glieder als untergeordnete Subjecte zu behandeln und sich unangenehm zu machen. England ist in einem Raptus über die Baumwolle, aber es sieht jetzt doch ein, daß der geschwindeste Weg, den Markt zu öffnen, ist, die Rebellion der Baumwollenstaaten zu unterdrücken. Wenn es in irgend einer Form seine Dienste anbietet, oder einen Druck nach irgend einer Seite ausübt, so wird es sein nach der Seite der Erhaltung von Gesetz und Ordnung in der Republik. Frankreich und die andern europäischen Großmächte sind schon jetzt sehr ent¬ schieden in ihren Ausdrücken der Sympathie mit unsrer Regiemug. Es ist kein Schatten von Gefahr, daß irgend eine europäische Macht die Confödera- tion der Verschwörer anerkennen wird. Die Erkenntniß dieser Thatsachen ist ganz neuerdings auch im Geiste der Leiter des Südens aufgedämmert. Sie sind betroffen worden und eben zum vollen Bewußtsein gekommen von ihrer zweiten großen Enttäuschung. Sie erwarteten als erstes einen getheilten Norden und eine vollendete Revolution. Sie erwarteten zweitens eine prompte Anerkennung der europäischen Mächte. So starrte ihnen denn die schlimme Alternative ins Angesicht, kühn sich für ihr Leben zu wehren, oder qualvoll zollweise zu sterben — in andern Worten, eine große Demonstration gegen Washington zu unternehmen, oder hoffnungs¬ los auf Richmond zurück zu ziehen. Beauregnos soll letzte Woche für einen Marsch auf Washington ! gewesen sein und die dortigen Secessionisten, privatim davon unterrichtet, sollen hoffnungsvoll seiner Ankunft entgegengesehen haben. Donnerstag und Freitag Nacht erwarteten sie über den Fluß hin den Donner seiner Geschütze zu hören, und manche saßen ängstlich lauschend, die ganze Nacht auf. Aber die Räder der Wagen zögern. Jefferson Davis soll ihm das gedrohte Vordringen untersagt haben und es soll seines ganzen persön¬ lichen Einflusses bedurft haben, daß seine Autorität respectirt wurde. Aber es ist sehr klar, daß Jcffersons Politik eine temporisirende ist. Könnte er Washington einnehmen, so würden die hiesigen Vorräthe an Lebensmitteln und Kriegsmaterial ihn bereichern und der Besitz des Regierungssitzes ihm die Anerkennung des Auslandes verschaffen. Kann er Washington nicht nehmen, so muß er sofort anfangen, sich zurückzuziehen, und zieht er sich über den Jamesfluß zurück, so könnte er und seine Armee ebenso gut sich in den Golf von Mexiko stürzen, wie die Säue in den See, als die Teufel hineinfuhren. — Die kriegerischen Vorhersagungen unseres amerikanischen Schriftstellers Möchten sich nur dann nicht in ihrem vollen Umfange erfüllen, wenn sich. Kie neulich der kundige Korrespondent der Kölnischen Zeitung andeutete, im 35*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/285>, abgerufen am 27.05.2024.