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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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soll, und auch wir hegen viel Sympathie für diese Einrichtung. Sie wird
aber weder heute noch morgen kommen, und wir brauchen die Flotte schon
heute oder morgen. Es ist daher ein wahres Glück, daß nach dieser Seite
hin eine Centralgewalt schon vorhanden ist. Die preußische Hegemonie im
Allgemeinen wird von fast allen deutschen Regierungen und von einem
ziemlich starken Theil des deutschen Volks als unstatthaft bezeichnet; die preußische
Hegemonie aber in einem Krieg gegen Dänemark wird von Niemandem in
Frage gestellt, außer höchstens vom Grasen Borries. Im Krieg gegen Dä¬
nemark muß Preußen den Oberbefehl führen; Preußen muß also auch die
Flotte haben.

Daß man auf ihren Wimpeln lieber andere Farben sähe als die schwarz-
weißen, wollen wir Niemand verargen, da aber diese andern Farben vorläufig
keinev ölkerrechtliche Geltung haben, und die Gründung einer schwarz-roth-goldnen
Centralgewalt noch nicht in nächster Aussicht steht, so werden wir doch hof¬
fentlich so weit die Kinderschuhe ausgetreten haben, daß wir, wo es die Sache
gilt, das Kleid nicht achten, daß wir, wo es sich um unsere Ehre handelt,
uns durch einen Firlefanz nicht bestimmen lassen.

Aber welche Garantie bietet uns Preußen, daß es die Flotte in unserm
Interesse und nicht etwa gegen unser Interesse anwenden wird? -- Gegen manche
Anschuldigungen wäre Preußen zu rechtfertigen, und in dieser Sache namentlich
hat das preußische Kriegsministerium nicht bloß sehr guten Willen, sondern
auch Energie gezeigt. -- Aber davon ganz abgesehen, liegt die Bürgschaft,
daß Preußen die Flotte nicht wider uns. sondern für uns anwenden wird,
darin, daß sie dieselbe nicht anders anwenden kann.

Die Verstärkung des preußischen Landheeres könnte unter Umständen in
Würzburg Verdacht erregen: man könnte fürchten und hat diese Befürchtung
bereits ausgesprochen, daß es mit demselben und etwa im Verein mit den
Franzosen in Würzburg einrücken könnte. Mit der Flotte kann es aber Würz-
burg nicht bomvardiren, denn Würzburg liegt nicht am Meer; die Flotte
kann es nur gegen Kopenhagen verwenden.

Indem wir Preußen dazu behilflich sind, eine Flotte zu gründen, geben
Wir ihm damit erstens die Möglichkeit, unsere Interessen in der Nord- und
Ostsee zu vertreten. Denn es geht über seine Kräfte, ein Landheer und eine
Flotte zugleich allein aus eigenen Mitteln zu vestreiten. Wir legen ihm zwei'
tems eine moralische Verpflichtung auf. welche der Kriegsminister selbst
offen und ehrlich anerkannt hat. Gegen die politische Gesinnung dieses
Kriegsministers ist vieles einzuwenden, aber das hat er gezeigt, daß, wenn er
etwas sagt, damit auch wirklich etwas gesagt ist. Wir setzen endlich Preußen
in die Lage, daß sein Interesse mit dem unsrigen durchaus nach einer
Richtung geht; und das ist für eine solide Verbindung die Hauptsache.




soll, und auch wir hegen viel Sympathie für diese Einrichtung. Sie wird
aber weder heute noch morgen kommen, und wir brauchen die Flotte schon
heute oder morgen. Es ist daher ein wahres Glück, daß nach dieser Seite
hin eine Centralgewalt schon vorhanden ist. Die preußische Hegemonie im
Allgemeinen wird von fast allen deutschen Regierungen und von einem
ziemlich starken Theil des deutschen Volks als unstatthaft bezeichnet; die preußische
Hegemonie aber in einem Krieg gegen Dänemark wird von Niemandem in
Frage gestellt, außer höchstens vom Grasen Borries. Im Krieg gegen Dä¬
nemark muß Preußen den Oberbefehl führen; Preußen muß also auch die
Flotte haben.

Daß man auf ihren Wimpeln lieber andere Farben sähe als die schwarz-
weißen, wollen wir Niemand verargen, da aber diese andern Farben vorläufig
keinev ölkerrechtliche Geltung haben, und die Gründung einer schwarz-roth-goldnen
Centralgewalt noch nicht in nächster Aussicht steht, so werden wir doch hof¬
fentlich so weit die Kinderschuhe ausgetreten haben, daß wir, wo es die Sache
gilt, das Kleid nicht achten, daß wir, wo es sich um unsere Ehre handelt,
uns durch einen Firlefanz nicht bestimmen lassen.

Aber welche Garantie bietet uns Preußen, daß es die Flotte in unserm
Interesse und nicht etwa gegen unser Interesse anwenden wird? — Gegen manche
Anschuldigungen wäre Preußen zu rechtfertigen, und in dieser Sache namentlich
hat das preußische Kriegsministerium nicht bloß sehr guten Willen, sondern
auch Energie gezeigt. — Aber davon ganz abgesehen, liegt die Bürgschaft,
daß Preußen die Flotte nicht wider uns. sondern für uns anwenden wird,
darin, daß sie dieselbe nicht anders anwenden kann.

Die Verstärkung des preußischen Landheeres könnte unter Umständen in
Würzburg Verdacht erregen: man könnte fürchten und hat diese Befürchtung
bereits ausgesprochen, daß es mit demselben und etwa im Verein mit den
Franzosen in Würzburg einrücken könnte. Mit der Flotte kann es aber Würz-
burg nicht bomvardiren, denn Würzburg liegt nicht am Meer; die Flotte
kann es nur gegen Kopenhagen verwenden.

Indem wir Preußen dazu behilflich sind, eine Flotte zu gründen, geben
Wir ihm damit erstens die Möglichkeit, unsere Interessen in der Nord- und
Ostsee zu vertreten. Denn es geht über seine Kräfte, ein Landheer und eine
Flotte zugleich allein aus eigenen Mitteln zu vestreiten. Wir legen ihm zwei'
tems eine moralische Verpflichtung auf. welche der Kriegsminister selbst
offen und ehrlich anerkannt hat. Gegen die politische Gesinnung dieses
Kriegsministers ist vieles einzuwenden, aber das hat er gezeigt, daß, wenn er
etwas sagt, damit auch wirklich etwas gesagt ist. Wir setzen endlich Preußen
in die Lage, daß sein Interesse mit dem unsrigen durchaus nach einer
Richtung geht; und das ist für eine solide Verbindung die Hauptsache.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/288>, abgerufen am 19.05.2024.