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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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treibt. In keinen inneren Streit soll er sich mischen. Er nimmt also z. B.
nicht Partei für oder gegen die dreijährige Dienstzeit, für oder gegen die nun¬
mehr vollzogene preußische Armceresonn; sondern er ergreift lediglich diese
Veranlassung wie jede andere, um den naiven Particularisten an ihren Er¬
fahrungen zu Gemüthe zu führen, welch ein bedrängtes Ding Deutschland
ohne die preußische Führung und Preußen ohne die geschlossenste Verbindung
mit Deutschland ist. Er zürnt dem preußischen Herrenhause auch nicht etwa
wegen der Einwände, die es gegen eine vernünftige und gerechte Ordnung
der Grundsteuer, des Eherechts oder der Zinsgesetzgebung erhoben hat; son¬
dern wenn er fein Gewicht in die Wagschale der Umgestaltung wirft, so ist
es wegen der Hindernisse, die das unvcrbesserte Herrenhaus einer nationalen
Politik Preußens bisher bereitet hat und ferner mit junkerlicher Wollust be¬
reiten wird. Allerdings aber folgen die Wünsche des Vereins nur der einen
Partei in die Wahlschlacht, die die Bundesreform bisher als eine Existenz¬
rage für Preußen anerkannt hat; allerdings ist er nicht diplomatisch rück¬
sichtsvoll genug, um unter rechtfertigenden allgemeinen Umständen eine Regie¬
rung nicht gedrängt wissen zu wollen, die gestürzt zu sehen ihm so unlieb
sein müßte wie irgend einer Fraction der großen liberalen Partei. Ist er
sich doch keiner unbilligen Forderung bewußt! Seine ganze Freundschaft
wäre zu haben gewesen und ist zu haben um einen weit mäßigeren Preis
als um die unverzügliche Ergreifung der Initiative zur Bundesreform -- um
den Preis einer ähnlich nationalen Politik, wie wir sie Coburg-Gotha und
Baden, jedes in seiner natürlichen Sphäre, seit längerer oder kürzerer Zeit
befolgen sehen.

Einer solchen Politik, wo sie sich activ bewährt, ihre herzlichste Unter¬
stützung zu leihen, nahm die Heidelberger Versammlung zweimal Veranlassung:
einmal, indem sie den badischen Antrag in der kurhessischen Frage freudig
willkommen hieß; und dann in dem dreimal ertönender Hoch auf Herzog
Ernst, mit dessen Aufbringung der stets kraftvoll leitende Vorsitzende einen
nicht unbedenklichen Antrag beseitigte, der. statt die unbedingt anzuerken¬
nende Hochherzigkeit eines Opfer bringenden Souveräns zur Anerkennung, die
Streitfrage der Militärconventionen zur Erörterung zu bringen drohte.

Aber auch der preußischen Politik konnte der Verein sich in einem beson¬
deren Stücke entgegenkommend, und wir hoffen wesentlich fördernd erweisen
^ in einem Stücke allerdings, mit welchem weder der abtretende noch der
nachfolgende Minister des Auswärtigen viel zu thun hat, das indessen gleich¬
wol auch die Entscheidung eines wichtigen internationalen Interesses im Schoße
tilgen kann. In dem Flottenbeschluß liegt die Bedeutung der diesjährigen
Versammlung des Nationalvereins. Hätte sie weiter auch nichts verhandelt
und beschlossen, um dieser That willen dürfte das Vaterland ihr dankbar sein-


treibt. In keinen inneren Streit soll er sich mischen. Er nimmt also z. B.
nicht Partei für oder gegen die dreijährige Dienstzeit, für oder gegen die nun¬
mehr vollzogene preußische Armceresonn; sondern er ergreift lediglich diese
Veranlassung wie jede andere, um den naiven Particularisten an ihren Er¬
fahrungen zu Gemüthe zu führen, welch ein bedrängtes Ding Deutschland
ohne die preußische Führung und Preußen ohne die geschlossenste Verbindung
mit Deutschland ist. Er zürnt dem preußischen Herrenhause auch nicht etwa
wegen der Einwände, die es gegen eine vernünftige und gerechte Ordnung
der Grundsteuer, des Eherechts oder der Zinsgesetzgebung erhoben hat; son¬
dern wenn er fein Gewicht in die Wagschale der Umgestaltung wirft, so ist
es wegen der Hindernisse, die das unvcrbesserte Herrenhaus einer nationalen
Politik Preußens bisher bereitet hat und ferner mit junkerlicher Wollust be¬
reiten wird. Allerdings aber folgen die Wünsche des Vereins nur der einen
Partei in die Wahlschlacht, die die Bundesreform bisher als eine Existenz¬
rage für Preußen anerkannt hat; allerdings ist er nicht diplomatisch rück¬
sichtsvoll genug, um unter rechtfertigenden allgemeinen Umständen eine Regie¬
rung nicht gedrängt wissen zu wollen, die gestürzt zu sehen ihm so unlieb
sein müßte wie irgend einer Fraction der großen liberalen Partei. Ist er
sich doch keiner unbilligen Forderung bewußt! Seine ganze Freundschaft
wäre zu haben gewesen und ist zu haben um einen weit mäßigeren Preis
als um die unverzügliche Ergreifung der Initiative zur Bundesreform — um
den Preis einer ähnlich nationalen Politik, wie wir sie Coburg-Gotha und
Baden, jedes in seiner natürlichen Sphäre, seit längerer oder kürzerer Zeit
befolgen sehen.

Einer solchen Politik, wo sie sich activ bewährt, ihre herzlichste Unter¬
stützung zu leihen, nahm die Heidelberger Versammlung zweimal Veranlassung:
einmal, indem sie den badischen Antrag in der kurhessischen Frage freudig
willkommen hieß; und dann in dem dreimal ertönender Hoch auf Herzog
Ernst, mit dessen Aufbringung der stets kraftvoll leitende Vorsitzende einen
nicht unbedenklichen Antrag beseitigte, der. statt die unbedingt anzuerken¬
nende Hochherzigkeit eines Opfer bringenden Souveräns zur Anerkennung, die
Streitfrage der Militärconventionen zur Erörterung zu bringen drohte.

Aber auch der preußischen Politik konnte der Verein sich in einem beson¬
deren Stücke entgegenkommend, und wir hoffen wesentlich fördernd erweisen
^ in einem Stücke allerdings, mit welchem weder der abtretende noch der
nachfolgende Minister des Auswärtigen viel zu thun hat, das indessen gleich¬
wol auch die Entscheidung eines wichtigen internationalen Interesses im Schoße
tilgen kann. In dem Flottenbeschluß liegt die Bedeutung der diesjährigen
Versammlung des Nationalvereins. Hätte sie weiter auch nichts verhandelt
und beschlossen, um dieser That willen dürfte das Vaterland ihr dankbar sein-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/431>, abgerufen am 10.11.2024.