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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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abergläubischen Meinungen, gottesdienstlichen Handlungen u. d. in. nach den Tagen
des Jahres geordnet. Die einschlagenden Sprüchwörter und Lieder sind theilweise
auch in tschechischer Sprache mitgetheilt. Der Fleiß und die Genauigkeit des Ver¬
fassers sind zu loben. Der Kalender geht jetzt bis zum October und enthält beson¬
ders interessante Notizen über das Johannisfest und den Mariencultus in Böhmen.

Garibaldi's Feldzug in beiden Sicilien. Von Capitän C. S. For-
bes. Nach dem Englischen von Julius Seybt. Leipzig, Verlag von C. B. Lvrck.
1861. -- Der Verfasser hat, nicht als Militär, sondern als bloßer Beobachter, an
dem Zug Garibaldi's theilgenommen und zwar von Mitte Juli bis einige Tage nach
der Schlacht am Volturnv (1. October). Er schildert lebhast und in's Detail die
verschiedenen Vorgänge, und da er mit der Freundschaft Garibaldi's beehrt war und
allenthalben freien Zutritt hatte, so hat er vieles gesehen und erfahren, was An¬
deren nothwendigerweise verborgen blieb. Seine Ansicht über die Politik Cavours
-- es ist die Ansicht der italienischen Heißsporns -- theilen wir nicht, auch hat er
in manchen Punkten die Schatten übersehen. Indeß bleibt das Buch immerhin
lesenswerth.

Acht Jahre Amtsleben in Ungarn. Von einem k. k. Stuhlrichter in
Disponibilität. Leipzig, Verlag von G. Oehme. 1861. --

Die Klagen eines kaiserlichen Beamten, der von 1852 bis zur Vertreibung aller
deutschen Angestellten aus Ungarn dort die Mission der Deutschöstrcichcr erfüllen
half, den östreichischen Gesammtstaat herzustellen. Er ging ungern dahin; denn er
erwartete üble Zustände zu finden, und er täuschte sich nicht. Es war ein Chaos,
in das er gerieth, antediluvianische Zustände, Sitten und Einrichtungen, unendliche
Arbeit, unermeßliche Verwirrung der Begriffe, ungeheures Ungeschick der Unterbeamten
und dazu noch böser Wille der letzteren, soweit sie Magyaren oder Slowaken waren,
dazu allerlei Anfeindung von Seiten der Partei, die keine "Schwaben" im Lande
wollte. Indeß fand sich der Verfasser mit Humor in sein Schicksal, richtete sich in
der rohen Umgebung ein so gut es gehen wollte und begann eine civilisirte Erpe¬
dition herzustellen und einen ordentlichen Rechtsgang zu schaffen. Es gelang trotz
aller Hindernisse, und das niedere Volt war dankbar dafür, da ihm von jetzt an,
wenn auch vermuthlich mit einiger Umständlichkeit, sein Recht zu Theil wurde. Den¬
noch dauerten die Anfeindungen von Seiten der nationalen Partei fort, und das
Jahr 1866 warf das ganze, mühsam aufgeführte Gebäude wie im Großen so auch
hier im Kleinen um. Dieser Zusammensturz im Kleinen erregt unser Mitgefühl.
Es ist ein Stück treuer Pflichterfüllung, welches zerstört worden ist. Zudem hat der
Verfasser etwas von einer vornehmen Natur, er weiß sich und uns über sein Elend
mit guter Laune zu erheben, und so ist seine Schrift belehrend und anmuthig zu-
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Verantwortlicher Redacteur: Dr. Moritz Busch.
Verlag von F. L, Her dig. -- Druck von C. E. Elbert in Leipzig.

abergläubischen Meinungen, gottesdienstlichen Handlungen u. d. in. nach den Tagen
des Jahres geordnet. Die einschlagenden Sprüchwörter und Lieder sind theilweise
auch in tschechischer Sprache mitgetheilt. Der Fleiß und die Genauigkeit des Ver¬
fassers sind zu loben. Der Kalender geht jetzt bis zum October und enthält beson¬
ders interessante Notizen über das Johannisfest und den Mariencultus in Böhmen.

Garibaldi's Feldzug in beiden Sicilien. Von Capitän C. S. For-
bes. Nach dem Englischen von Julius Seybt. Leipzig, Verlag von C. B. Lvrck.
1861. — Der Verfasser hat, nicht als Militär, sondern als bloßer Beobachter, an
dem Zug Garibaldi's theilgenommen und zwar von Mitte Juli bis einige Tage nach
der Schlacht am Volturnv (1. October). Er schildert lebhast und in's Detail die
verschiedenen Vorgänge, und da er mit der Freundschaft Garibaldi's beehrt war und
allenthalben freien Zutritt hatte, so hat er vieles gesehen und erfahren, was An¬
deren nothwendigerweise verborgen blieb. Seine Ansicht über die Politik Cavours
— es ist die Ansicht der italienischen Heißsporns — theilen wir nicht, auch hat er
in manchen Punkten die Schatten übersehen. Indeß bleibt das Buch immerhin
lesenswerth.

Acht Jahre Amtsleben in Ungarn. Von einem k. k. Stuhlrichter in
Disponibilität. Leipzig, Verlag von G. Oehme. 1861. —

Die Klagen eines kaiserlichen Beamten, der von 1852 bis zur Vertreibung aller
deutschen Angestellten aus Ungarn dort die Mission der Deutschöstrcichcr erfüllen
half, den östreichischen Gesammtstaat herzustellen. Er ging ungern dahin; denn er
erwartete üble Zustände zu finden, und er täuschte sich nicht. Es war ein Chaos,
in das er gerieth, antediluvianische Zustände, Sitten und Einrichtungen, unendliche
Arbeit, unermeßliche Verwirrung der Begriffe, ungeheures Ungeschick der Unterbeamten
und dazu noch böser Wille der letzteren, soweit sie Magyaren oder Slowaken waren,
dazu allerlei Anfeindung von Seiten der Partei, die keine „Schwaben" im Lande
wollte. Indeß fand sich der Verfasser mit Humor in sein Schicksal, richtete sich in
der rohen Umgebung ein so gut es gehen wollte und begann eine civilisirte Erpe¬
dition herzustellen und einen ordentlichen Rechtsgang zu schaffen. Es gelang trotz
aller Hindernisse, und das niedere Volt war dankbar dafür, da ihm von jetzt an,
wenn auch vermuthlich mit einiger Umständlichkeit, sein Recht zu Theil wurde. Den¬
noch dauerten die Anfeindungen von Seiten der nationalen Partei fort, und das
Jahr 1866 warf das ganze, mühsam aufgeführte Gebäude wie im Großen so auch
hier im Kleinen um. Dieser Zusammensturz im Kleinen erregt unser Mitgefühl.
Es ist ein Stück treuer Pflichterfüllung, welches zerstört worden ist. Zudem hat der
Verfasser etwas von einer vornehmen Natur, er weiß sich und uns über sein Elend
mit guter Laune zu erheben, und so ist seine Schrift belehrend und anmuthig zu-
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Verantwortlicher Redacteur: Dr. Moritz Busch.
Verlag von F. L, Her dig. — Druck von C. E. Elbert in Leipzig.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/90>, abgerufen am 25.05.2024.