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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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mit der Wurfschaufel die Spreu vom Weizen zu sondern. Was die Ansied-
lung der Protestanten in Tirol betrifft, so gibt vorläufig selbst der Bischof
von Brixen seine Sache verloren, wie er sich jüngst äußerte; es wäre freilich
für ihn und das Land besser gewesen, wenn er sie nie angefangen hätte.
Zu Bregenz sind bereits die Summen für den Bau einer lutherischen Kirche
und die Anstellung eines Predigers gezeichnet, leider scheint sich die Regierung
wieder auf das Zögern zu verlegen; denn obwol schon vor einigen Monaten
die Bewilligung derselben eingeholt ward, ist diese doch noch nicht erfolgt.
Ein gleiches Schicksal hatte die Bitte einiger Actionäre, welche zur Gründung
eines liberalen Blattes bereits ziemlich ansehnliche Summen gezeichnet hatten.
Sie wurden angeblich auf Grund des Gemeindegesejzes abgewiesen; die Pille
versüßte man allerdings damit, daß man ihnen die Errichtung eines Gesell¬
schaftsvertrages rieth. Statt dessen kommt nun ein Professor der Universität
Innsbruck um die Concession ein, doch ist dadurch leider die Erledigung um
Monate verzögert, während jeder Tag, wo man den Ultramontanen nicht
tüchtig über den Mund fährt, als Verlust gelten muß. Es ist eine bekannte
Sitte großer Herren, daß sie ihren Unmuth. den sie an dem schuldigen Gegen¬
stande nicht kühlen können, an einem unschuldigen auslassen. So scheint es
auch dem Director des Gymnasium zu Innsbruck, Sibinger. von Seite des
hochwürdigen Fürstbischofes zu Brixen ergangen zu sein. Sibinger hat mit
Ehren seine amtliche Laufbahn vollendet und wollte ausgezeichnet auch in
Anerkennung des Kaisers die Lehranstalt, welche sich unter seiner Leitung vor
allen andern hervorgethan, verlassen. Da berief ihn der Bischof, um ihm zu
sagen, daß die sittliche und religiöse Bildung der Schüler des Gymnasiums
völlig vernachlässigt sei, nur durch die zwei Professoren Bonbank, den ehemaligen
Redacteur der schmählichen Tirolerstimmen, und Herrn Greuter, der sich bereits
durch ganz Deutschland durch seinen Zelotismus eine keineswegs erfreuliche
Berühmtheit erworben, sei sie noch aufrecht erhalten. Sibinger konnte diese
Verlüumdung gründlich zurückweisen; wie man uns schreibt, soll sich der
Bischof auch noch beklagt haben, daß einer der Professoren zu den Führern
der liberalen Partei gehöre. Hin" Mac laeriirmö! D>e Professoren einer von
der Regierung bezahlten Lehranstalt sollen also unter Führung irgend eines
Fanatikers dem Ministerium Opposition machen, um allenfalls den Augen eines
Bischofes, der sich überhaupt um d,e politische Gesinnung der Lehrer einer
öffentlichen Anstalt gar nicht einmal zu kümmern das Recht hat, wohlgefällig
zu sein. Das ist doch naiv. Es wäre der Mühe werth, daß Jemand zu
Innsbruck diesem Vorgang genau nachspürte und ihn mit allen Details ver¬
öffentlichte, er wirft ein zu grelles Streiflicht auf unsere Zustände und die
Gelüste des Klerus.

Noch einen Blick auf die Universität! Oeffentlichen Blättern entnehmen


mit der Wurfschaufel die Spreu vom Weizen zu sondern. Was die Ansied-
lung der Protestanten in Tirol betrifft, so gibt vorläufig selbst der Bischof
von Brixen seine Sache verloren, wie er sich jüngst äußerte; es wäre freilich
für ihn und das Land besser gewesen, wenn er sie nie angefangen hätte.
Zu Bregenz sind bereits die Summen für den Bau einer lutherischen Kirche
und die Anstellung eines Predigers gezeichnet, leider scheint sich die Regierung
wieder auf das Zögern zu verlegen; denn obwol schon vor einigen Monaten
die Bewilligung derselben eingeholt ward, ist diese doch noch nicht erfolgt.
Ein gleiches Schicksal hatte die Bitte einiger Actionäre, welche zur Gründung
eines liberalen Blattes bereits ziemlich ansehnliche Summen gezeichnet hatten.
Sie wurden angeblich auf Grund des Gemeindegesejzes abgewiesen; die Pille
versüßte man allerdings damit, daß man ihnen die Errichtung eines Gesell¬
schaftsvertrages rieth. Statt dessen kommt nun ein Professor der Universität
Innsbruck um die Concession ein, doch ist dadurch leider die Erledigung um
Monate verzögert, während jeder Tag, wo man den Ultramontanen nicht
tüchtig über den Mund fährt, als Verlust gelten muß. Es ist eine bekannte
Sitte großer Herren, daß sie ihren Unmuth. den sie an dem schuldigen Gegen¬
stande nicht kühlen können, an einem unschuldigen auslassen. So scheint es
auch dem Director des Gymnasium zu Innsbruck, Sibinger. von Seite des
hochwürdigen Fürstbischofes zu Brixen ergangen zu sein. Sibinger hat mit
Ehren seine amtliche Laufbahn vollendet und wollte ausgezeichnet auch in
Anerkennung des Kaisers die Lehranstalt, welche sich unter seiner Leitung vor
allen andern hervorgethan, verlassen. Da berief ihn der Bischof, um ihm zu
sagen, daß die sittliche und religiöse Bildung der Schüler des Gymnasiums
völlig vernachlässigt sei, nur durch die zwei Professoren Bonbank, den ehemaligen
Redacteur der schmählichen Tirolerstimmen, und Herrn Greuter, der sich bereits
durch ganz Deutschland durch seinen Zelotismus eine keineswegs erfreuliche
Berühmtheit erworben, sei sie noch aufrecht erhalten. Sibinger konnte diese
Verlüumdung gründlich zurückweisen; wie man uns schreibt, soll sich der
Bischof auch noch beklagt haben, daß einer der Professoren zu den Führern
der liberalen Partei gehöre. Hin» Mac laeriirmö! D>e Professoren einer von
der Regierung bezahlten Lehranstalt sollen also unter Führung irgend eines
Fanatikers dem Ministerium Opposition machen, um allenfalls den Augen eines
Bischofes, der sich überhaupt um d,e politische Gesinnung der Lehrer einer
öffentlichen Anstalt gar nicht einmal zu kümmern das Recht hat, wohlgefällig
zu sein. Das ist doch naiv. Es wäre der Mühe werth, daß Jemand zu
Innsbruck diesem Vorgang genau nachspürte und ihn mit allen Details ver¬
öffentlichte, er wirft ein zu grelles Streiflicht auf unsere Zustände und die
Gelüste des Klerus.

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[0111] mit der Wurfschaufel die Spreu vom Weizen zu sondern. Was die Ansied- lung der Protestanten in Tirol betrifft, so gibt vorläufig selbst der Bischof von Brixen seine Sache verloren, wie er sich jüngst äußerte; es wäre freilich für ihn und das Land besser gewesen, wenn er sie nie angefangen hätte. Zu Bregenz sind bereits die Summen für den Bau einer lutherischen Kirche und die Anstellung eines Predigers gezeichnet, leider scheint sich die Regierung wieder auf das Zögern zu verlegen; denn obwol schon vor einigen Monaten die Bewilligung derselben eingeholt ward, ist diese doch noch nicht erfolgt. Ein gleiches Schicksal hatte die Bitte einiger Actionäre, welche zur Gründung eines liberalen Blattes bereits ziemlich ansehnliche Summen gezeichnet hatten. Sie wurden angeblich auf Grund des Gemeindegesejzes abgewiesen; die Pille versüßte man allerdings damit, daß man ihnen die Errichtung eines Gesell¬ schaftsvertrages rieth. Statt dessen kommt nun ein Professor der Universität Innsbruck um die Concession ein, doch ist dadurch leider die Erledigung um Monate verzögert, während jeder Tag, wo man den Ultramontanen nicht tüchtig über den Mund fährt, als Verlust gelten muß. Es ist eine bekannte Sitte großer Herren, daß sie ihren Unmuth. den sie an dem schuldigen Gegen¬ stande nicht kühlen können, an einem unschuldigen auslassen. So scheint es auch dem Director des Gymnasium zu Innsbruck, Sibinger. von Seite des hochwürdigen Fürstbischofes zu Brixen ergangen zu sein. Sibinger hat mit Ehren seine amtliche Laufbahn vollendet und wollte ausgezeichnet auch in Anerkennung des Kaisers die Lehranstalt, welche sich unter seiner Leitung vor allen andern hervorgethan, verlassen. Da berief ihn der Bischof, um ihm zu sagen, daß die sittliche und religiöse Bildung der Schüler des Gymnasiums völlig vernachlässigt sei, nur durch die zwei Professoren Bonbank, den ehemaligen Redacteur der schmählichen Tirolerstimmen, und Herrn Greuter, der sich bereits durch ganz Deutschland durch seinen Zelotismus eine keineswegs erfreuliche Berühmtheit erworben, sei sie noch aufrecht erhalten. Sibinger konnte diese Verlüumdung gründlich zurückweisen; wie man uns schreibt, soll sich der Bischof auch noch beklagt haben, daß einer der Professoren zu den Führern der liberalen Partei gehöre. Hin» Mac laeriirmö! D>e Professoren einer von der Regierung bezahlten Lehranstalt sollen also unter Führung irgend eines Fanatikers dem Ministerium Opposition machen, um allenfalls den Augen eines Bischofes, der sich überhaupt um d,e politische Gesinnung der Lehrer einer öffentlichen Anstalt gar nicht einmal zu kümmern das Recht hat, wohlgefällig zu sein. Das ist doch naiv. Es wäre der Mühe werth, daß Jemand zu Innsbruck diesem Vorgang genau nachspürte und ihn mit allen Details ver¬ öffentlichte, er wirft ein zu grelles Streiflicht auf unsere Zustände und die Gelüste des Klerus. Noch einen Blick auf die Universität! Oeffentlichen Blättern entnehmen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/111>, abgerufen am 03.05.2024.