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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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Von Tula anlegen halfen. Auch die Kaiserin Anna suchte den König zu po¬
litischen Zwecken durch Uebersendung von "quatre beaux ^luLgelmAsnner", wie
sie sich in ihrem eigenhändigen Begleitschreiben ausdrückt, zu bestechen. Vor
Allem war es Graf Seckendorf, der österreichische Gesandte, der, unterstützt
durch Grumbkow. den König dem Interesse seines Souveräns hauptsächlich
dadurch fortwährend geneigt erhielt, daß er ihn ununterbrochen mit großen
Soldaten versah, auch, als er 1726 Preußen vom Bündniß mit England ab¬
zuziehen bemüht war, dem Prinzen Eugen vorschlug, "etliche große unnütze Rachen"
aufzutreiben, da man dem Könige kein angenehmeres Geschenk machen könne.
Auch der Administrator von Mecklenburg-Schwerin konnte während des nor¬
dischen Krieges Friedrich Wilhelm nicht eher zum Zurückziehen seiner Truppen
aus dem Lande bewegen, als bis er ihm sechs Kerle für seine Garde schickte.
Als verschiedene polnische Magnaten während des polnischen Krieges nach
Königsberg geflüchtet waren, stellte der König als Bedingung seines Schutzes
die Forderung: etliche lange Kerle oder 30,000 Thlr.; und als der französische
Gesandte ihm im Auftrage seines Monarchen einen mit Brillanten besetzten
Degen zum Geschenk anbot, lehnte er diesen mit der Versicherung ab: ein
Dutzend großer Kerle würden ihm lieber sein. In diese Zeit füllt eine Anek¬
dote, die für die Leidenschaft Friedrich Wilhelms für seine großen Grenadiere
recht bezeichnend ist. Der neue Thurm der Petrikirche zu Berlin war, kaum
vollendet, eingestürzt. Voll Sorge darüber, wie der König dieses Mißgeschick
aufnehmen würde, wurde ihm endlich die nothwendige Mittheilung mit den
Worten vorbereitet: "ein großes Unglück habe sich in Berlin ereignet." Aus
die Frage, was es sei, war die Antwort: "der Petersthurm ist eingestürzt!"
"Ich dachte Wunder was es wäre", sagte der König ganz gelassen, "und glaubte
schon, der Flügelmann von Glasenapp sei todt!"

Aber weder Geschenke noch Werbungen reichten hin, die Leibgarde voll¬
zählig zu erhalten; es mußte daher noch zu einem dritten Mittel ihrer Er¬
gänzung geschritten werden. Bei den jährlichen Musterungen über die Feld¬
regimenter ließ sich der König die größten Soldaten vorstellen. Diese wählte
er für seine Garde aus und ersetzte den Commandanten, was sie für dieselben
an Handgeld ausgelegt hatten. So bezahlte er beispielsweise für elf Soldaten,
die er im Jahre 1731 im Lager bei Wehlau den Linienregimentern abnahm,
an die Regimentschefs l4,000Thlr.. im Jahre 1733 für 46 Rekruten 43,000 Thlr.
Und für einen einzigen Rekruten des Regiments Schmettau zahlte er 5000 Thlr.
und gab noch überdem seiner Schwester eine Stelle in einem Früuleinstift!




Von Tula anlegen halfen. Auch die Kaiserin Anna suchte den König zu po¬
litischen Zwecken durch Uebersendung von „quatre beaux ^luLgelmAsnner", wie
sie sich in ihrem eigenhändigen Begleitschreiben ausdrückt, zu bestechen. Vor
Allem war es Graf Seckendorf, der österreichische Gesandte, der, unterstützt
durch Grumbkow. den König dem Interesse seines Souveräns hauptsächlich
dadurch fortwährend geneigt erhielt, daß er ihn ununterbrochen mit großen
Soldaten versah, auch, als er 1726 Preußen vom Bündniß mit England ab¬
zuziehen bemüht war, dem Prinzen Eugen vorschlug, „etliche große unnütze Rachen"
aufzutreiben, da man dem Könige kein angenehmeres Geschenk machen könne.
Auch der Administrator von Mecklenburg-Schwerin konnte während des nor¬
dischen Krieges Friedrich Wilhelm nicht eher zum Zurückziehen seiner Truppen
aus dem Lande bewegen, als bis er ihm sechs Kerle für seine Garde schickte.
Als verschiedene polnische Magnaten während des polnischen Krieges nach
Königsberg geflüchtet waren, stellte der König als Bedingung seines Schutzes
die Forderung: etliche lange Kerle oder 30,000 Thlr.; und als der französische
Gesandte ihm im Auftrage seines Monarchen einen mit Brillanten besetzten
Degen zum Geschenk anbot, lehnte er diesen mit der Versicherung ab: ein
Dutzend großer Kerle würden ihm lieber sein. In diese Zeit füllt eine Anek¬
dote, die für die Leidenschaft Friedrich Wilhelms für seine großen Grenadiere
recht bezeichnend ist. Der neue Thurm der Petrikirche zu Berlin war, kaum
vollendet, eingestürzt. Voll Sorge darüber, wie der König dieses Mißgeschick
aufnehmen würde, wurde ihm endlich die nothwendige Mittheilung mit den
Worten vorbereitet: „ein großes Unglück habe sich in Berlin ereignet." Aus
die Frage, was es sei, war die Antwort: „der Petersthurm ist eingestürzt!"
„Ich dachte Wunder was es wäre", sagte der König ganz gelassen, „und glaubte
schon, der Flügelmann von Glasenapp sei todt!"

Aber weder Geschenke noch Werbungen reichten hin, die Leibgarde voll¬
zählig zu erhalten; es mußte daher noch zu einem dritten Mittel ihrer Er¬
gänzung geschritten werden. Bei den jährlichen Musterungen über die Feld¬
regimenter ließ sich der König die größten Soldaten vorstellen. Diese wählte
er für seine Garde aus und ersetzte den Commandanten, was sie für dieselben
an Handgeld ausgelegt hatten. So bezahlte er beispielsweise für elf Soldaten,
die er im Jahre 1731 im Lager bei Wehlau den Linienregimentern abnahm,
an die Regimentschefs l4,000Thlr.. im Jahre 1733 für 46 Rekruten 43,000 Thlr.
Und für einen einzigen Rekruten des Regiments Schmettau zahlte er 5000 Thlr.
und gab noch überdem seiner Schwester eine Stelle in einem Früuleinstift!




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/129>, abgerufen am 29.04.2024.