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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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kung der Niederlassung aufgeführt (S. 16)> und gleich darauf nochmals erwähnt
als eine der Arten, wie der Staatseinfluß durch die Sonder-Interessen aus¬
gebeutet wird (S. 17). Weiterhin wird gegen den Satz von Fr. List, daß
durch die Schutzzölle nachhaltige Prvductivkräfte erzielt werden, polemisirt. End¬
lich werden die früher angedeuteten Formen der Unfreiheit einzeln durchgenom-
men, und sie erscheinen dem Verfasser sämmtlich überwunden, der Sieg der
Gcwerbefteiheit, der Freizügigkeit, der freie Grundbesitz sind theils schon durch¬
geführt, theils in der Einsicht der Bessern entschieden. Nur der Schutzzoll ist
noch kein "überwundener Standpunkt", gegen ihn also ist noch eine Lanze ein¬
zulegen. Dies thut denn auch Herr Schäffle (S. 253--256) kurz und bündig,
und kommt zu dem Schlüsse, "daß ohne Schutzzoll die Zwecke, die er erreichen
soll (eine naturwüchsige Industrie zu erzielen), sicherer und naturgemäßer gleich¬
sam von selbst sich erfüllen lassen." Bestehende Schutzzölle sollen in schonen¬
den Uebergängen abgeschafft und dazu mögen Zeitpunkte der Prosperität ge¬
wählt werden, in welchen der Abbruch an Schutz am wenigsten empfindlich
ist. "Das Ziel, welchem die Zukunft mit wachsender Geschwindigkeit zustreben
wird, ist der Freihandel." Sehr richtig. Wie war es aber in Stuttgart mit
den Twistzöllen? Der Antrag ging auf stufenweise Ermäßigung des Tarifsatzes
von 3 Thalern. Dagegen solle durch Herabsetzung der Zölle aus Eisen (Ma¬
schinen) und durch Freizügigkeit den Spinnern ein Aequivalent geboten werden.
Ein Antrag, gerade wie er im Buche steht. Allein Herr Schäffle beantragte
den Uebergang zur Tagesordnung, weil der Zweck, die Ansichten auszutauschen,
erreicht sei, weil die Mehrzahl der Anwesenden nicht gehörig unterrichtet seien
und weil daher eine Abstimmung schwerlich das Richtige treffen werde. Die
Motive würden etwas für sich gehabt haben, namentlich bei der gegenwärtigen
Baumwollcnkrise, wenn der Beschluß der Versammlung eine unmittelbare Wir¬
kung auf den Tarifsatz hätte üben können. Für die Versammlung aber galt
es nur, eine Ansicht auszusprechen, welche mit der Ansicht in dem Buche des
Herrn Schäffle völlig übereinstimmt. Er aber verhinderte dies, indem er zu¬
gleich dem Sonderinteresse der Spinner ein verhüllendes Mäntelchen umwarf.

Der Zukunft des Zollvereins widmet Herr Schäffle in seinem Buche
einige Zeilen (S. 257). Sie sei schwer voraus zu bestimmen; die Politik
der mittleren Staaten werde mehr auf die östreichische Zolleinigung hindrän¬
gen. Preußen werde sie zu vermeiden suchen. "Es ist wahrscheinlich, daß die
Staats-, nicht die Handelspolitik über die nächste Zukunft des Zollvereins
entscheiden wird." Wenn die Mittclstaaten den Verband mit Preußen aus¬
geben und zu Oestreich übergehen wollen, so werden sie die Zollvereinsverträge
kündigen. Wir glauben aus vielen Gründen, daß sie dies nicht thun wer¬
den, wollen aber hier nur anmerken, daß Herr Schaffte, wie jeder verständige
Beobachter, anerkennt, daß die Zollvcreinsfrage eine politische Frage ist. In


kung der Niederlassung aufgeführt (S. 16)> und gleich darauf nochmals erwähnt
als eine der Arten, wie der Staatseinfluß durch die Sonder-Interessen aus¬
gebeutet wird (S. 17). Weiterhin wird gegen den Satz von Fr. List, daß
durch die Schutzzölle nachhaltige Prvductivkräfte erzielt werden, polemisirt. End¬
lich werden die früher angedeuteten Formen der Unfreiheit einzeln durchgenom-
men, und sie erscheinen dem Verfasser sämmtlich überwunden, der Sieg der
Gcwerbefteiheit, der Freizügigkeit, der freie Grundbesitz sind theils schon durch¬
geführt, theils in der Einsicht der Bessern entschieden. Nur der Schutzzoll ist
noch kein „überwundener Standpunkt", gegen ihn also ist noch eine Lanze ein¬
zulegen. Dies thut denn auch Herr Schäffle (S. 253—256) kurz und bündig,
und kommt zu dem Schlüsse, „daß ohne Schutzzoll die Zwecke, die er erreichen
soll (eine naturwüchsige Industrie zu erzielen), sicherer und naturgemäßer gleich¬
sam von selbst sich erfüllen lassen." Bestehende Schutzzölle sollen in schonen¬
den Uebergängen abgeschafft und dazu mögen Zeitpunkte der Prosperität ge¬
wählt werden, in welchen der Abbruch an Schutz am wenigsten empfindlich
ist. „Das Ziel, welchem die Zukunft mit wachsender Geschwindigkeit zustreben
wird, ist der Freihandel." Sehr richtig. Wie war es aber in Stuttgart mit
den Twistzöllen? Der Antrag ging auf stufenweise Ermäßigung des Tarifsatzes
von 3 Thalern. Dagegen solle durch Herabsetzung der Zölle aus Eisen (Ma¬
schinen) und durch Freizügigkeit den Spinnern ein Aequivalent geboten werden.
Ein Antrag, gerade wie er im Buche steht. Allein Herr Schäffle beantragte
den Uebergang zur Tagesordnung, weil der Zweck, die Ansichten auszutauschen,
erreicht sei, weil die Mehrzahl der Anwesenden nicht gehörig unterrichtet seien
und weil daher eine Abstimmung schwerlich das Richtige treffen werde. Die
Motive würden etwas für sich gehabt haben, namentlich bei der gegenwärtigen
Baumwollcnkrise, wenn der Beschluß der Versammlung eine unmittelbare Wir¬
kung auf den Tarifsatz hätte üben können. Für die Versammlung aber galt
es nur, eine Ansicht auszusprechen, welche mit der Ansicht in dem Buche des
Herrn Schäffle völlig übereinstimmt. Er aber verhinderte dies, indem er zu¬
gleich dem Sonderinteresse der Spinner ein verhüllendes Mäntelchen umwarf.

Der Zukunft des Zollvereins widmet Herr Schäffle in seinem Buche
einige Zeilen (S. 257). Sie sei schwer voraus zu bestimmen; die Politik
der mittleren Staaten werde mehr auf die östreichische Zolleinigung hindrän¬
gen. Preußen werde sie zu vermeiden suchen. „Es ist wahrscheinlich, daß die
Staats-, nicht die Handelspolitik über die nächste Zukunft des Zollvereins
entscheiden wird." Wenn die Mittclstaaten den Verband mit Preußen aus¬
geben und zu Oestreich übergehen wollen, so werden sie die Zollvereinsverträge
kündigen. Wir glauben aus vielen Gründen, daß sie dies nicht thun wer¬
den, wollen aber hier nur anmerken, daß Herr Schaffte, wie jeder verständige
Beobachter, anerkennt, daß die Zollvcreinsfrage eine politische Frage ist. In


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[0148] kung der Niederlassung aufgeführt (S. 16)> und gleich darauf nochmals erwähnt als eine der Arten, wie der Staatseinfluß durch die Sonder-Interessen aus¬ gebeutet wird (S. 17). Weiterhin wird gegen den Satz von Fr. List, daß durch die Schutzzölle nachhaltige Prvductivkräfte erzielt werden, polemisirt. End¬ lich werden die früher angedeuteten Formen der Unfreiheit einzeln durchgenom- men, und sie erscheinen dem Verfasser sämmtlich überwunden, der Sieg der Gcwerbefteiheit, der Freizügigkeit, der freie Grundbesitz sind theils schon durch¬ geführt, theils in der Einsicht der Bessern entschieden. Nur der Schutzzoll ist noch kein „überwundener Standpunkt", gegen ihn also ist noch eine Lanze ein¬ zulegen. Dies thut denn auch Herr Schäffle (S. 253—256) kurz und bündig, und kommt zu dem Schlüsse, „daß ohne Schutzzoll die Zwecke, die er erreichen soll (eine naturwüchsige Industrie zu erzielen), sicherer und naturgemäßer gleich¬ sam von selbst sich erfüllen lassen." Bestehende Schutzzölle sollen in schonen¬ den Uebergängen abgeschafft und dazu mögen Zeitpunkte der Prosperität ge¬ wählt werden, in welchen der Abbruch an Schutz am wenigsten empfindlich ist. „Das Ziel, welchem die Zukunft mit wachsender Geschwindigkeit zustreben wird, ist der Freihandel." Sehr richtig. Wie war es aber in Stuttgart mit den Twistzöllen? Der Antrag ging auf stufenweise Ermäßigung des Tarifsatzes von 3 Thalern. Dagegen solle durch Herabsetzung der Zölle aus Eisen (Ma¬ schinen) und durch Freizügigkeit den Spinnern ein Aequivalent geboten werden. Ein Antrag, gerade wie er im Buche steht. Allein Herr Schäffle beantragte den Uebergang zur Tagesordnung, weil der Zweck, die Ansichten auszutauschen, erreicht sei, weil die Mehrzahl der Anwesenden nicht gehörig unterrichtet seien und weil daher eine Abstimmung schwerlich das Richtige treffen werde. Die Motive würden etwas für sich gehabt haben, namentlich bei der gegenwärtigen Baumwollcnkrise, wenn der Beschluß der Versammlung eine unmittelbare Wir¬ kung auf den Tarifsatz hätte üben können. Für die Versammlung aber galt es nur, eine Ansicht auszusprechen, welche mit der Ansicht in dem Buche des Herrn Schäffle völlig übereinstimmt. Er aber verhinderte dies, indem er zu¬ gleich dem Sonderinteresse der Spinner ein verhüllendes Mäntelchen umwarf. Der Zukunft des Zollvereins widmet Herr Schäffle in seinem Buche einige Zeilen (S. 257). Sie sei schwer voraus zu bestimmen; die Politik der mittleren Staaten werde mehr auf die östreichische Zolleinigung hindrän¬ gen. Preußen werde sie zu vermeiden suchen. „Es ist wahrscheinlich, daß die Staats-, nicht die Handelspolitik über die nächste Zukunft des Zollvereins entscheiden wird." Wenn die Mittclstaaten den Verband mit Preußen aus¬ geben und zu Oestreich übergehen wollen, so werden sie die Zollvereinsverträge kündigen. Wir glauben aus vielen Gründen, daß sie dies nicht thun wer¬ den, wollen aber hier nur anmerken, daß Herr Schaffte, wie jeder verständige Beobachter, anerkennt, daß die Zollvcreinsfrage eine politische Frage ist. In

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/148>, abgerufen am 28.04.2024.