Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

soll in seinem Innern auf das Glänzendste mit goldenen, silbernen und elfen¬
beinernen Gerathen und Zierrath ausgestattet gewesen sein. Noch jetzt führen
8 Zugänge zu dessen Ruinen. Die weiten und hohen Thore sind mit Hiero¬
glyphen und großen Bildwerken geschmückt. In den Vorhöfen stehen Obe¬
lisken von 70 Pariser Fuß Höhe, ganz aus je einem Stücke Granit gehauen.
Eine im 15. und 14. Jahrhundert v. Chr. damit verbundene Säulenhalle,
nach dem jetzt dort gelegenen Dorfe der Palast von Karnak genannt, hat
318 Fuß Länge und 160 Fuß Breite und enthält 134 Säulen, wovon die
zwölf mittleren eine Höhe von 65 Fuß und einen Umfang von 34 Fuß (nahe
11 Fuß Durchmesser) besitzen, ihre Capitale aber 64 Fuß Umfang (nahe
21 Fuß Durchmesser) haben. Das Material derselben ist Sandstein. Zwei
besonders gerühmte Bildwerke, die sog. Memnonsäuleu, ein paar kolossale
Statuen in sitzender Stellung, dem alten Sonnencultus entsprechend mit dem
Antlitz gen Osten gerichtet, haben eine Höhe von 66 Fuß und sollen beim
Aufgang der Sonne einen heitern Ton. beim Untergang einen traurigen von
sich gegeben haben. Der Zeigefinger eines dieser Kolosse ist 4 Fuß lang. --
Nachdem die an solchen Denkmalen überreiche Stadt um's Jahr 525 v. Chr.
durch den Perserkönig Cambyses zerstört worden, fand Strabo 500 Jahre
später die Ruinen derselben von Nord nach Süd noch 2 geogr. Meilen weit
ausgedehnt.

Ferner sind für uns von Wichtigkeit die weltberühmten Pyramiden, deren
bekanntlich etwa 20 in Niederägypten westlich des Niles in der Nähe der
Ruinen von Memphis stehen, dieser zweiten Königsstadt, in welcher einst
Joseph waltete. Eine der besterhaltenen, angeblich von Cheops erbaut,
hat in ihrer quadratischen Grundfläche 716 Fuß Seitenlänge und in 203
Steinlagen eine Höhe .von 450 Fuß; ihrer Spitze beraubt, besitzt sie oben
eine Breite von 30 Fuß. Jene Höhe beträgt mehr als diejenige des Stra߬
burger Münsters. Auf der 15. Steinlage, bei 38 Fuß senkrechter Höhe, be¬
findet sich um der Nordseite der Eingang, der erst seit Strabo bekannt, indem
überhaupt nur ein einziger Stein den Eingang der Pyramiden verschließt, so
daß die Aufsindung eines solchen mit Schwierigkeiten verbunden. Von dem
Eingange zu jener Pyramide gelangt man durch einen 100 Fuß langen und
8 Fuß breiten Gang luden sog. Königssaal, welcher, genau nach den vier Welt¬
gegenden gerichtet, nahe der westlichen Seite den Sarkophag aus Granit enthält,
einem Gestein, womit auch die Wände des Saales bekleidet sind. Ein anderer
Gang führt von dem Hauptgang nach dem Saale der Königin, der mit weißem
Marmor bekleidet ist, und noch andere Gänge führen von diesen Haupträumen
in dem Innern der Pyramide herum, zum Theil in den Hauptgang zurück.
An dem Bau dieses merkwürdigen Todtentempels sollen nach Herodot (II, 124)
über 100.000 Menschen, welche von 3 zu 3 Monaten durch andere abgelöst


Grenzboten IV. 1861. 24

soll in seinem Innern auf das Glänzendste mit goldenen, silbernen und elfen¬
beinernen Gerathen und Zierrath ausgestattet gewesen sein. Noch jetzt führen
8 Zugänge zu dessen Ruinen. Die weiten und hohen Thore sind mit Hiero¬
glyphen und großen Bildwerken geschmückt. In den Vorhöfen stehen Obe¬
lisken von 70 Pariser Fuß Höhe, ganz aus je einem Stücke Granit gehauen.
Eine im 15. und 14. Jahrhundert v. Chr. damit verbundene Säulenhalle,
nach dem jetzt dort gelegenen Dorfe der Palast von Karnak genannt, hat
318 Fuß Länge und 160 Fuß Breite und enthält 134 Säulen, wovon die
zwölf mittleren eine Höhe von 65 Fuß und einen Umfang von 34 Fuß (nahe
11 Fuß Durchmesser) besitzen, ihre Capitale aber 64 Fuß Umfang (nahe
21 Fuß Durchmesser) haben. Das Material derselben ist Sandstein. Zwei
besonders gerühmte Bildwerke, die sog. Memnonsäuleu, ein paar kolossale
Statuen in sitzender Stellung, dem alten Sonnencultus entsprechend mit dem
Antlitz gen Osten gerichtet, haben eine Höhe von 66 Fuß und sollen beim
Aufgang der Sonne einen heitern Ton. beim Untergang einen traurigen von
sich gegeben haben. Der Zeigefinger eines dieser Kolosse ist 4 Fuß lang. —
Nachdem die an solchen Denkmalen überreiche Stadt um's Jahr 525 v. Chr.
durch den Perserkönig Cambyses zerstört worden, fand Strabo 500 Jahre
später die Ruinen derselben von Nord nach Süd noch 2 geogr. Meilen weit
ausgedehnt.

Ferner sind für uns von Wichtigkeit die weltberühmten Pyramiden, deren
bekanntlich etwa 20 in Niederägypten westlich des Niles in der Nähe der
Ruinen von Memphis stehen, dieser zweiten Königsstadt, in welcher einst
Joseph waltete. Eine der besterhaltenen, angeblich von Cheops erbaut,
hat in ihrer quadratischen Grundfläche 716 Fuß Seitenlänge und in 203
Steinlagen eine Höhe .von 450 Fuß; ihrer Spitze beraubt, besitzt sie oben
eine Breite von 30 Fuß. Jene Höhe beträgt mehr als diejenige des Stra߬
burger Münsters. Auf der 15. Steinlage, bei 38 Fuß senkrechter Höhe, be¬
findet sich um der Nordseite der Eingang, der erst seit Strabo bekannt, indem
überhaupt nur ein einziger Stein den Eingang der Pyramiden verschließt, so
daß die Aufsindung eines solchen mit Schwierigkeiten verbunden. Von dem
Eingange zu jener Pyramide gelangt man durch einen 100 Fuß langen und
8 Fuß breiten Gang luden sog. Königssaal, welcher, genau nach den vier Welt¬
gegenden gerichtet, nahe der westlichen Seite den Sarkophag aus Granit enthält,
einem Gestein, womit auch die Wände des Saales bekleidet sind. Ein anderer
Gang führt von dem Hauptgang nach dem Saale der Königin, der mit weißem
Marmor bekleidet ist, und noch andere Gänge führen von diesen Haupträumen
in dem Innern der Pyramide herum, zum Theil in den Hauptgang zurück.
An dem Bau dieses merkwürdigen Todtentempels sollen nach Herodot (II, 124)
über 100.000 Menschen, welche von 3 zu 3 Monaten durch andere abgelöst


Grenzboten IV. 1861. 24
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0195" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/112703"/>
            <p xml:id="ID_575" prev="#ID_574"> soll in seinem Innern auf das Glänzendste mit goldenen, silbernen und elfen¬<lb/>
beinernen Gerathen und Zierrath ausgestattet gewesen sein. Noch jetzt führen<lb/>
8 Zugänge zu dessen Ruinen. Die weiten und hohen Thore sind mit Hiero¬<lb/>
glyphen und großen Bildwerken geschmückt. In den Vorhöfen stehen Obe¬<lb/>
lisken von 70 Pariser Fuß Höhe, ganz aus je einem Stücke Granit gehauen.<lb/>
Eine im 15. und 14. Jahrhundert v. Chr. damit verbundene Säulenhalle,<lb/>
nach dem jetzt dort gelegenen Dorfe der Palast von Karnak genannt, hat<lb/>
318 Fuß Länge und 160 Fuß Breite und enthält 134 Säulen, wovon die<lb/>
zwölf mittleren eine Höhe von 65 Fuß und einen Umfang von 34 Fuß (nahe<lb/>
11 Fuß Durchmesser) besitzen, ihre Capitale aber 64 Fuß Umfang (nahe<lb/>
21 Fuß Durchmesser) haben. Das Material derselben ist Sandstein. Zwei<lb/>
besonders gerühmte Bildwerke, die sog. Memnonsäuleu, ein paar kolossale<lb/>
Statuen in sitzender Stellung, dem alten Sonnencultus entsprechend mit dem<lb/>
Antlitz gen Osten gerichtet, haben eine Höhe von 66 Fuß und sollen beim<lb/>
Aufgang der Sonne einen heitern Ton. beim Untergang einen traurigen von<lb/>
sich gegeben haben. Der Zeigefinger eines dieser Kolosse ist 4 Fuß lang. &#x2014;<lb/>
Nachdem die an solchen Denkmalen überreiche Stadt um's Jahr 525 v. Chr.<lb/>
durch den Perserkönig Cambyses zerstört worden, fand Strabo 500 Jahre<lb/>
später die Ruinen derselben von Nord nach Süd noch 2 geogr. Meilen weit<lb/>
ausgedehnt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_576" next="#ID_577"> Ferner sind für uns von Wichtigkeit die weltberühmten Pyramiden, deren<lb/>
bekanntlich etwa 20 in Niederägypten westlich des Niles in der Nähe der<lb/>
Ruinen von Memphis stehen, dieser zweiten Königsstadt, in welcher einst<lb/>
Joseph waltete. Eine der besterhaltenen, angeblich von Cheops erbaut,<lb/>
hat in ihrer quadratischen Grundfläche 716 Fuß Seitenlänge und in 203<lb/>
Steinlagen eine Höhe .von 450 Fuß; ihrer Spitze beraubt, besitzt sie oben<lb/>
eine Breite von 30 Fuß. Jene Höhe beträgt mehr als diejenige des Stra߬<lb/>
burger Münsters. Auf der 15. Steinlage, bei 38 Fuß senkrechter Höhe, be¬<lb/>
findet sich um der Nordseite der Eingang, der erst seit Strabo bekannt, indem<lb/>
überhaupt nur ein einziger Stein den Eingang der Pyramiden verschließt, so<lb/>
daß die Aufsindung eines solchen mit Schwierigkeiten verbunden. Von dem<lb/>
Eingange zu jener Pyramide gelangt man durch einen 100 Fuß langen und<lb/>
8 Fuß breiten Gang luden sog. Königssaal, welcher, genau nach den vier Welt¬<lb/>
gegenden gerichtet, nahe der westlichen Seite den Sarkophag aus Granit enthält,<lb/>
einem Gestein, womit auch die Wände des Saales bekleidet sind. Ein anderer<lb/>
Gang führt von dem Hauptgang nach dem Saale der Königin, der mit weißem<lb/>
Marmor bekleidet ist, und noch andere Gänge führen von diesen Haupträumen<lb/>
in dem Innern der Pyramide herum, zum Theil in den Hauptgang zurück.<lb/>
An dem Bau dieses merkwürdigen Todtentempels sollen nach Herodot (II, 124)<lb/>
über 100.000 Menschen, welche von 3 zu 3 Monaten durch andere abgelöst</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. 1861. 24</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0195] soll in seinem Innern auf das Glänzendste mit goldenen, silbernen und elfen¬ beinernen Gerathen und Zierrath ausgestattet gewesen sein. Noch jetzt führen 8 Zugänge zu dessen Ruinen. Die weiten und hohen Thore sind mit Hiero¬ glyphen und großen Bildwerken geschmückt. In den Vorhöfen stehen Obe¬ lisken von 70 Pariser Fuß Höhe, ganz aus je einem Stücke Granit gehauen. Eine im 15. und 14. Jahrhundert v. Chr. damit verbundene Säulenhalle, nach dem jetzt dort gelegenen Dorfe der Palast von Karnak genannt, hat 318 Fuß Länge und 160 Fuß Breite und enthält 134 Säulen, wovon die zwölf mittleren eine Höhe von 65 Fuß und einen Umfang von 34 Fuß (nahe 11 Fuß Durchmesser) besitzen, ihre Capitale aber 64 Fuß Umfang (nahe 21 Fuß Durchmesser) haben. Das Material derselben ist Sandstein. Zwei besonders gerühmte Bildwerke, die sog. Memnonsäuleu, ein paar kolossale Statuen in sitzender Stellung, dem alten Sonnencultus entsprechend mit dem Antlitz gen Osten gerichtet, haben eine Höhe von 66 Fuß und sollen beim Aufgang der Sonne einen heitern Ton. beim Untergang einen traurigen von sich gegeben haben. Der Zeigefinger eines dieser Kolosse ist 4 Fuß lang. — Nachdem die an solchen Denkmalen überreiche Stadt um's Jahr 525 v. Chr. durch den Perserkönig Cambyses zerstört worden, fand Strabo 500 Jahre später die Ruinen derselben von Nord nach Süd noch 2 geogr. Meilen weit ausgedehnt. Ferner sind für uns von Wichtigkeit die weltberühmten Pyramiden, deren bekanntlich etwa 20 in Niederägypten westlich des Niles in der Nähe der Ruinen von Memphis stehen, dieser zweiten Königsstadt, in welcher einst Joseph waltete. Eine der besterhaltenen, angeblich von Cheops erbaut, hat in ihrer quadratischen Grundfläche 716 Fuß Seitenlänge und in 203 Steinlagen eine Höhe .von 450 Fuß; ihrer Spitze beraubt, besitzt sie oben eine Breite von 30 Fuß. Jene Höhe beträgt mehr als diejenige des Stra߬ burger Münsters. Auf der 15. Steinlage, bei 38 Fuß senkrechter Höhe, be¬ findet sich um der Nordseite der Eingang, der erst seit Strabo bekannt, indem überhaupt nur ein einziger Stein den Eingang der Pyramiden verschließt, so daß die Aufsindung eines solchen mit Schwierigkeiten verbunden. Von dem Eingange zu jener Pyramide gelangt man durch einen 100 Fuß langen und 8 Fuß breiten Gang luden sog. Königssaal, welcher, genau nach den vier Welt¬ gegenden gerichtet, nahe der westlichen Seite den Sarkophag aus Granit enthält, einem Gestein, womit auch die Wände des Saales bekleidet sind. Ein anderer Gang führt von dem Hauptgang nach dem Saale der Königin, der mit weißem Marmor bekleidet ist, und noch andere Gänge führen von diesen Haupträumen in dem Innern der Pyramide herum, zum Theil in den Hauptgang zurück. An dem Bau dieses merkwürdigen Todtentempels sollen nach Herodot (II, 124) über 100.000 Menschen, welche von 3 zu 3 Monaten durch andere abgelöst Grenzboten IV. 1861. 24

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/195
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/195>, abgerufen am 29.04.2024.