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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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Eigenthums ist ohnehin durch Verträge mit Preußen und anderen deutschen
Staaten der Weg gebahnt, und es bleibt den Franzosen nur die Ausdehnung
dieser Verträge auf das Vereinsgebiet zu wünschen.

Bei allen Erleichterungen des Verkehrs hat die Gegenseitigkeit für die vertrag¬
schließenden Theile nur dann gleichen Werth, wenn beide gleichen Gebrauch davon
zu machen in der Lage sind, oder wenn die Verschiedenheiten durch eine geschickte
Combination von Zugeständnissen ausgeglichen werden. Eine Verschiedenheit aber,
die nicht beseitigt werden kann, liegt in der Größe des Marktgebietes. Das
kleinere Land hat den größeren Vortheil. Dies gilt für Belgien, Frankreich
gegenüber, aber nicht für den Zollverein. Uebrigens sind, wie schon früher
angedeutet wurde, die neueren Verträge bestimmt. Propaganda zu machen.
Die Erleichterungen des Verkehrs sollen allmälig aus dem Vertragsgebiete
heraustreten und Gemeingut werden. In Beziehung auf die Tarife aber
ist nicht zu übersehen, daß die Prohibitionen und Verbotszölle jeweils in dem
Schleichhandel und in Ausfuhrprämien ihre Corrective gefunden haben. Das
Aufgeben des Ausschließungsfystems beschränkt oder beseitigt unter Anderem
auch diese beiden Begleiter. Wir wollen ein Beispiel anführen. Belgien er¬
hob früher von 100 Kilogramm Wollengarn (gezwirnt, gebleicht oder gefärbt)
69 Franken K Cents, Frankreich vergütete für die Ausfuhr desselben Quan¬
tums 100 Franken. Der französische Spinner fühlte daher nicht nur den bel¬
gischen Zoll gar nicht, sondern er genoß noch eine Prämie von 30 Franken
bei der Concurrenz mit dem belgischen Spinner. Wenn nun Frankreich dem
Zollvereine ähnliche Ermäßigungen seiner Tarifsätze, wie England und Belgien,
bieten wird, indem es Einfuhrverbote aufhebt und auf Sätze von 15 bis 10
Procent des Werthes heruntergeht, wird der Zollverein bei den von Frank¬
reich verlangten Zugeständnissen auf die Schwierigkeit stoßen, daß sein Tarif
die Zollsätze nach der Stückzahl, dem Maße oder Gewichte festsetzt, aber die
nach Procenten des Werthes der Waare bemessenen Zollsätze bis jetzt nicht
kennt. Dieser Umstand lag bei den Verhandlungen mit Belgien und Eng¬
land nicht vor, er mag aber bei den Verhandlungen mij Preußen sehr hin¬
derlich gewesen sein, vielleicht den eingetretenen Stillstand mit veranlaßt haben.
Wir kommen später auf diesen Punkt zurück. -- Bedenken gegen, die Nach¬
theile einer plötzlichen Entziehung des gewohnten Zollschutzes für manche
Zweige der Industrie wurden bei den Verhandlungen dadurch beseitigt, daß
die bedungenen niedrigen Tarifsätze nicht sofort, sondern erst nach Ablauf
einer geraumen Zeit, wol auch mit stufenweisen Uebergüngen in Kraft treten.
In dieser Beziehung hat sich Frankreich gegen Belgien sehr nachgiebig gezeigt;
eine Reihe französischer Artikel wird in Belgien von den verminderten Ein¬
gangszöllen erst vom Jahre 1864 an Nutzen ziehen, während Frankreich seine
Concessionen sofort eintreten läßt. Durch eine ähnliche Ucbergangsfrist


Eigenthums ist ohnehin durch Verträge mit Preußen und anderen deutschen
Staaten der Weg gebahnt, und es bleibt den Franzosen nur die Ausdehnung
dieser Verträge auf das Vereinsgebiet zu wünschen.

Bei allen Erleichterungen des Verkehrs hat die Gegenseitigkeit für die vertrag¬
schließenden Theile nur dann gleichen Werth, wenn beide gleichen Gebrauch davon
zu machen in der Lage sind, oder wenn die Verschiedenheiten durch eine geschickte
Combination von Zugeständnissen ausgeglichen werden. Eine Verschiedenheit aber,
die nicht beseitigt werden kann, liegt in der Größe des Marktgebietes. Das
kleinere Land hat den größeren Vortheil. Dies gilt für Belgien, Frankreich
gegenüber, aber nicht für den Zollverein. Uebrigens sind, wie schon früher
angedeutet wurde, die neueren Verträge bestimmt. Propaganda zu machen.
Die Erleichterungen des Verkehrs sollen allmälig aus dem Vertragsgebiete
heraustreten und Gemeingut werden. In Beziehung auf die Tarife aber
ist nicht zu übersehen, daß die Prohibitionen und Verbotszölle jeweils in dem
Schleichhandel und in Ausfuhrprämien ihre Corrective gefunden haben. Das
Aufgeben des Ausschließungsfystems beschränkt oder beseitigt unter Anderem
auch diese beiden Begleiter. Wir wollen ein Beispiel anführen. Belgien er¬
hob früher von 100 Kilogramm Wollengarn (gezwirnt, gebleicht oder gefärbt)
69 Franken K Cents, Frankreich vergütete für die Ausfuhr desselben Quan¬
tums 100 Franken. Der französische Spinner fühlte daher nicht nur den bel¬
gischen Zoll gar nicht, sondern er genoß noch eine Prämie von 30 Franken
bei der Concurrenz mit dem belgischen Spinner. Wenn nun Frankreich dem
Zollvereine ähnliche Ermäßigungen seiner Tarifsätze, wie England und Belgien,
bieten wird, indem es Einfuhrverbote aufhebt und auf Sätze von 15 bis 10
Procent des Werthes heruntergeht, wird der Zollverein bei den von Frank¬
reich verlangten Zugeständnissen auf die Schwierigkeit stoßen, daß sein Tarif
die Zollsätze nach der Stückzahl, dem Maße oder Gewichte festsetzt, aber die
nach Procenten des Werthes der Waare bemessenen Zollsätze bis jetzt nicht
kennt. Dieser Umstand lag bei den Verhandlungen mit Belgien und Eng¬
land nicht vor, er mag aber bei den Verhandlungen mij Preußen sehr hin¬
derlich gewesen sein, vielleicht den eingetretenen Stillstand mit veranlaßt haben.
Wir kommen später auf diesen Punkt zurück. — Bedenken gegen, die Nach¬
theile einer plötzlichen Entziehung des gewohnten Zollschutzes für manche
Zweige der Industrie wurden bei den Verhandlungen dadurch beseitigt, daß
die bedungenen niedrigen Tarifsätze nicht sofort, sondern erst nach Ablauf
einer geraumen Zeit, wol auch mit stufenweisen Uebergüngen in Kraft treten.
In dieser Beziehung hat sich Frankreich gegen Belgien sehr nachgiebig gezeigt;
eine Reihe französischer Artikel wird in Belgien von den verminderten Ein¬
gangszöllen erst vom Jahre 1864 an Nutzen ziehen, während Frankreich seine
Concessionen sofort eintreten läßt. Durch eine ähnliche Ucbergangsfrist


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[0295] Eigenthums ist ohnehin durch Verträge mit Preußen und anderen deutschen Staaten der Weg gebahnt, und es bleibt den Franzosen nur die Ausdehnung dieser Verträge auf das Vereinsgebiet zu wünschen. Bei allen Erleichterungen des Verkehrs hat die Gegenseitigkeit für die vertrag¬ schließenden Theile nur dann gleichen Werth, wenn beide gleichen Gebrauch davon zu machen in der Lage sind, oder wenn die Verschiedenheiten durch eine geschickte Combination von Zugeständnissen ausgeglichen werden. Eine Verschiedenheit aber, die nicht beseitigt werden kann, liegt in der Größe des Marktgebietes. Das kleinere Land hat den größeren Vortheil. Dies gilt für Belgien, Frankreich gegenüber, aber nicht für den Zollverein. Uebrigens sind, wie schon früher angedeutet wurde, die neueren Verträge bestimmt. Propaganda zu machen. Die Erleichterungen des Verkehrs sollen allmälig aus dem Vertragsgebiete heraustreten und Gemeingut werden. In Beziehung auf die Tarife aber ist nicht zu übersehen, daß die Prohibitionen und Verbotszölle jeweils in dem Schleichhandel und in Ausfuhrprämien ihre Corrective gefunden haben. Das Aufgeben des Ausschließungsfystems beschränkt oder beseitigt unter Anderem auch diese beiden Begleiter. Wir wollen ein Beispiel anführen. Belgien er¬ hob früher von 100 Kilogramm Wollengarn (gezwirnt, gebleicht oder gefärbt) 69 Franken K Cents, Frankreich vergütete für die Ausfuhr desselben Quan¬ tums 100 Franken. Der französische Spinner fühlte daher nicht nur den bel¬ gischen Zoll gar nicht, sondern er genoß noch eine Prämie von 30 Franken bei der Concurrenz mit dem belgischen Spinner. Wenn nun Frankreich dem Zollvereine ähnliche Ermäßigungen seiner Tarifsätze, wie England und Belgien, bieten wird, indem es Einfuhrverbote aufhebt und auf Sätze von 15 bis 10 Procent des Werthes heruntergeht, wird der Zollverein bei den von Frank¬ reich verlangten Zugeständnissen auf die Schwierigkeit stoßen, daß sein Tarif die Zollsätze nach der Stückzahl, dem Maße oder Gewichte festsetzt, aber die nach Procenten des Werthes der Waare bemessenen Zollsätze bis jetzt nicht kennt. Dieser Umstand lag bei den Verhandlungen mit Belgien und Eng¬ land nicht vor, er mag aber bei den Verhandlungen mij Preußen sehr hin¬ derlich gewesen sein, vielleicht den eingetretenen Stillstand mit veranlaßt haben. Wir kommen später auf diesen Punkt zurück. — Bedenken gegen, die Nach¬ theile einer plötzlichen Entziehung des gewohnten Zollschutzes für manche Zweige der Industrie wurden bei den Verhandlungen dadurch beseitigt, daß die bedungenen niedrigen Tarifsätze nicht sofort, sondern erst nach Ablauf einer geraumen Zeit, wol auch mit stufenweisen Uebergüngen in Kraft treten. In dieser Beziehung hat sich Frankreich gegen Belgien sehr nachgiebig gezeigt; eine Reihe französischer Artikel wird in Belgien von den verminderten Ein¬ gangszöllen erst vom Jahre 1864 an Nutzen ziehen, während Frankreich seine Concessionen sofort eintreten läßt. Durch eine ähnliche Ucbergangsfrist

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/295>, abgerufen am 29.04.2024.