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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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Belgien aus den einträglichen Nachdruck französischer Bücher verzichtet. Es
hat ihm dies zur Ehre gereicht und es ist dadurch nicht verarmt. Wir hoffen
daher, daß derartige Umstände die Verhandlungen nicht erschwert haben
werden. Auch der Schifffahrtsvertrag, der zu den Gegenständen des Trac-
tats gehört, wird kein Stein des Anstoßes geworden sein. Zwar vernimmt
man, daß Preußen die Gleichstellung gewisser deutscher Häfen mit Zollvereins-
häsen verlangt, Frankreich aber dies mit dem Bemerken verweigert habe:,es
würde nach Abschluß des Vertrages leicht sein, solche Häfen zur Annahme
der allgemeinen Handelsgesetzgebung beider Länder zu bestimmen. Allein
wenn auch Preußen sich für die Hansestädte bemüht haben sollte, weil es
dem Zollvereine noch nicht gelungen ist, die Haupthafen für Versendung und
Bezug seiner Aus- und Einfuhrartikel zum Beitritte zu bestimmen: so wird
doch die Ablehnung dieses Antrags den Vertrag nicht zum Scheitern gebracht
haben. Vielleicht bleibt der Wink nicht ganz unbenutzt, daß durch solche
Stipulationen der Anschluß der Hansestädte an den Zollverein nur erschwert
werden würde. Emden, Brake. Geestemünde. Harburg und die preußischen
Ostseehäfen mögen sich bei den Franzosen bedanken.

2) Der Abschluß eines Vertrags mag auch dadurch erschwert worden
sein, daß die Zollvereinsstnaien sich nicht vorher über einen Tarif geeinigt
hatten, der als Entwurf und Grundlage für Erleichterung des internationalen
Verkehrs, ob vertragsmäßig oder acht, hätte dienen können. Jetzt berichten
französische Blätter, welche gegenwärtig veranlaßt sind, mit Preußen freund¬
lich zu thun, daß zwischen Herrn de Clercq und den preußischen Bevollmäch¬
tigten eine Einigung erzielt gewesen sei, daß aber andere Vereinsregierungen
ihre Zustimmung versagt hätten. Wir halten diese Nachricht mindestens für
verfrüht, aber man möchte sich als Deutscher schämen, daß hier wieder eine
Gelegenheit geboten wurde, die Jämmerlichkeit unserer Organisation vor dem
Auslande bloßzulegen und darzuthun, wie die Entwickelung einer deutschen
Handelspolitik und ihrer Beziehungen zu den andern Nationen an dem Veto
des Kleinsten unter den Kleinen Schiffbruch leiden kann. Hätte man sich
deutscher Seits im Besitze der nöthigen Vorarbeiten befunden, so würde wol
auch der Streit über Gewichts- und Werthzoll nicht so viel Zeit gekostet und
Galle erregt haben, sondern befriedigend ausgetragen worden sein. Im Hin-
blick auf die schon vor zwei Jahren gepflogenen Unterhandlungen zwischen
Frankreich und England, später mit Belgien, hatte sich Preußen, das doch
durch seine Gesandten und Consuln genau unterrichtet gewesen sein wird,
sagen müssen, daß die Zeit zu ähnlichen Verhandlungen auch sür den Zoll¬
verein herannahe, und daß die Frage des Werthzolles eine der wichtigeren
sein werde. Wir haben oben gesehen, daß in Belgien selbst für Garne der
Gewichtszoll, mit Abstufungen nach dem Grade der Feinheit, ausreichte,


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Belgien aus den einträglichen Nachdruck französischer Bücher verzichtet. Es
hat ihm dies zur Ehre gereicht und es ist dadurch nicht verarmt. Wir hoffen
daher, daß derartige Umstände die Verhandlungen nicht erschwert haben
werden. Auch der Schifffahrtsvertrag, der zu den Gegenständen des Trac-
tats gehört, wird kein Stein des Anstoßes geworden sein. Zwar vernimmt
man, daß Preußen die Gleichstellung gewisser deutscher Häfen mit Zollvereins-
häsen verlangt, Frankreich aber dies mit dem Bemerken verweigert habe:,es
würde nach Abschluß des Vertrages leicht sein, solche Häfen zur Annahme
der allgemeinen Handelsgesetzgebung beider Länder zu bestimmen. Allein
wenn auch Preußen sich für die Hansestädte bemüht haben sollte, weil es
dem Zollvereine noch nicht gelungen ist, die Haupthafen für Versendung und
Bezug seiner Aus- und Einfuhrartikel zum Beitritte zu bestimmen: so wird
doch die Ablehnung dieses Antrags den Vertrag nicht zum Scheitern gebracht
haben. Vielleicht bleibt der Wink nicht ganz unbenutzt, daß durch solche
Stipulationen der Anschluß der Hansestädte an den Zollverein nur erschwert
werden würde. Emden, Brake. Geestemünde. Harburg und die preußischen
Ostseehäfen mögen sich bei den Franzosen bedanken.

2) Der Abschluß eines Vertrags mag auch dadurch erschwert worden
sein, daß die Zollvereinsstnaien sich nicht vorher über einen Tarif geeinigt
hatten, der als Entwurf und Grundlage für Erleichterung des internationalen
Verkehrs, ob vertragsmäßig oder acht, hätte dienen können. Jetzt berichten
französische Blätter, welche gegenwärtig veranlaßt sind, mit Preußen freund¬
lich zu thun, daß zwischen Herrn de Clercq und den preußischen Bevollmäch¬
tigten eine Einigung erzielt gewesen sei, daß aber andere Vereinsregierungen
ihre Zustimmung versagt hätten. Wir halten diese Nachricht mindestens für
verfrüht, aber man möchte sich als Deutscher schämen, daß hier wieder eine
Gelegenheit geboten wurde, die Jämmerlichkeit unserer Organisation vor dem
Auslande bloßzulegen und darzuthun, wie die Entwickelung einer deutschen
Handelspolitik und ihrer Beziehungen zu den andern Nationen an dem Veto
des Kleinsten unter den Kleinen Schiffbruch leiden kann. Hätte man sich
deutscher Seits im Besitze der nöthigen Vorarbeiten befunden, so würde wol
auch der Streit über Gewichts- und Werthzoll nicht so viel Zeit gekostet und
Galle erregt haben, sondern befriedigend ausgetragen worden sein. Im Hin-
blick auf die schon vor zwei Jahren gepflogenen Unterhandlungen zwischen
Frankreich und England, später mit Belgien, hatte sich Preußen, das doch
durch seine Gesandten und Consuln genau unterrichtet gewesen sein wird,
sagen müssen, daß die Zeit zu ähnlichen Verhandlungen auch sür den Zoll¬
verein herannahe, und daß die Frage des Werthzolles eine der wichtigeren
sein werde. Wir haben oben gesehen, daß in Belgien selbst für Garne der
Gewichtszoll, mit Abstufungen nach dem Grade der Feinheit, ausreichte,


Grenzboten IV. 1L61. 37
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/299>, abgerufen am 01.05.2024.