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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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Uebung sehr hcrabstimmt. Die erneuerte Ermahnung des Jnristentags und
selbst die Aufnahme derselben in ein Gesetz wird nie einen andern Erfolg
haben, als die theoretische Belehrung, welche schon längst die Staatsanwülte
immer auf ihren hohen Beruf hinzuweisen suchte. Gerade die Idee, daß der
Staatsanwalt nicht Partei, sondern der Schutzengel des bedrohten Gesetzes
sein soll, bereitet der Gleichheit der Parteiwaffcn unübersteigliche Schwierig¬
keiten.

Uebrigens enthält der zum Beschluß erhobene Abtheilungsentwurf in die¬
ser Richtung ziemlich weitgreifende Zugeständnisse. Dem Angeklagten und
beziehungsweise dem, Vertheidiger sind namentlich in Beziehung auf die Vor¬
untersuchung sehr bedeutende Rechte gestattet, die ihm bis dahin fehlten. In
der Hauptverhandlung soll der Staatsanwalt nicht mehr durch eine Aus¬
einandersetzung der Anklage das Urtheil präoccupiren. Dem Vertheidiger wird
das directe Fragcrecht zugesichert. Alles das wird man. sowol in den Ein-
zelgcsetzgebungen, wie in einer deutschen Strafproceßordnnng, falls es dazu
ungeachtet der vorläufigen Ansicht des Bundestags kommen sollte, gern an¬
nehmen. Wir wollen auch die einzelnen Limitationen, welche in die Resolution
Eingang gefunden haben, und mit deren Hülfe die edeln Zwecke der Parteien¬
gleichheit leicht in der praktischen Handhabung bedeutend verkürzt werden könn¬
ten, nicht weiter hervorheben. Ebenso wenig, daß es an manchen Unklarheiten
nicht fehlt, wie dies bei einer nur oberflächlichen Berathung nicht anders der
Fall sein kann.

Wenn man aber den liberalen Anstrich wahrnimmt, den das Verfahren
empfängt, indem man bereitwillig als Princip der Parteistellung die Gleich¬
heit der Rechte zu Grunde legt, so will es bedünken, daß man um so mehr
noch einmal prüfen sollte, warum denn daneben noch als Princip die Anklage
von Staatswegen durchaus nothwendig sein soll. Noch einmal sollte man
die innere Berechtigung der Staatsanwaltschaft in der Form, wie sie heute
besteht, ebenso vorurtheilsfrei prüfen, wobei sich denn sofort ergibt, daß, wenn
man die Anklage, was das Natürlichste ist, als wirkliche Parteisache behandelt,
alles das. was man jetzt als eine besondere, ausdrückliche Bestimmung über
die Gleichberechtigung der Parteien hinstellen muß, von selbst da sein würde.

Am meisten Ruhm hat. wie schon früher bemerkt wurde, der Juristentag
von den Beschlußfassungen der vierten Abtheilung gehabt, welche von vorn¬
herein auch einfacher und darum besser angelegt waren. Es läßt sich nicht
verkennen, daß diese Abtheilung sachlich günstiger gestellt war; allein ein Theil
des Resultates kommt auch den Personen zur Anrechnung. Damit soll frei¬
lich nicht gesagt werden, daß alle Beschlüsse dieser Abtheilung, welche vom
Plenum adoptirt wurden, unanfechtbar seien.

Gleich bei dem Beschluß, welcher die Beseitigung der Competenzgenchts-


Uebung sehr hcrabstimmt. Die erneuerte Ermahnung des Jnristentags und
selbst die Aufnahme derselben in ein Gesetz wird nie einen andern Erfolg
haben, als die theoretische Belehrung, welche schon längst die Staatsanwülte
immer auf ihren hohen Beruf hinzuweisen suchte. Gerade die Idee, daß der
Staatsanwalt nicht Partei, sondern der Schutzengel des bedrohten Gesetzes
sein soll, bereitet der Gleichheit der Parteiwaffcn unübersteigliche Schwierig¬
keiten.

Uebrigens enthält der zum Beschluß erhobene Abtheilungsentwurf in die¬
ser Richtung ziemlich weitgreifende Zugeständnisse. Dem Angeklagten und
beziehungsweise dem, Vertheidiger sind namentlich in Beziehung auf die Vor¬
untersuchung sehr bedeutende Rechte gestattet, die ihm bis dahin fehlten. In
der Hauptverhandlung soll der Staatsanwalt nicht mehr durch eine Aus¬
einandersetzung der Anklage das Urtheil präoccupiren. Dem Vertheidiger wird
das directe Fragcrecht zugesichert. Alles das wird man. sowol in den Ein-
zelgcsetzgebungen, wie in einer deutschen Strafproceßordnnng, falls es dazu
ungeachtet der vorläufigen Ansicht des Bundestags kommen sollte, gern an¬
nehmen. Wir wollen auch die einzelnen Limitationen, welche in die Resolution
Eingang gefunden haben, und mit deren Hülfe die edeln Zwecke der Parteien¬
gleichheit leicht in der praktischen Handhabung bedeutend verkürzt werden könn¬
ten, nicht weiter hervorheben. Ebenso wenig, daß es an manchen Unklarheiten
nicht fehlt, wie dies bei einer nur oberflächlichen Berathung nicht anders der
Fall sein kann.

Wenn man aber den liberalen Anstrich wahrnimmt, den das Verfahren
empfängt, indem man bereitwillig als Princip der Parteistellung die Gleich¬
heit der Rechte zu Grunde legt, so will es bedünken, daß man um so mehr
noch einmal prüfen sollte, warum denn daneben noch als Princip die Anklage
von Staatswegen durchaus nothwendig sein soll. Noch einmal sollte man
die innere Berechtigung der Staatsanwaltschaft in der Form, wie sie heute
besteht, ebenso vorurtheilsfrei prüfen, wobei sich denn sofort ergibt, daß, wenn
man die Anklage, was das Natürlichste ist, als wirkliche Parteisache behandelt,
alles das. was man jetzt als eine besondere, ausdrückliche Bestimmung über
die Gleichberechtigung der Parteien hinstellen muß, von selbst da sein würde.

Am meisten Ruhm hat. wie schon früher bemerkt wurde, der Juristentag
von den Beschlußfassungen der vierten Abtheilung gehabt, welche von vorn¬
herein auch einfacher und darum besser angelegt waren. Es läßt sich nicht
verkennen, daß diese Abtheilung sachlich günstiger gestellt war; allein ein Theil
des Resultates kommt auch den Personen zur Anrechnung. Damit soll frei¬
lich nicht gesagt werden, daß alle Beschlüsse dieser Abtheilung, welche vom
Plenum adoptirt wurden, unanfechtbar seien.

Gleich bei dem Beschluß, welcher die Beseitigung der Competenzgenchts-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/310>, abgerufen am 06.06.2024.