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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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lich viel Gewaltthätigkeit, Mord, Raub und Brand herrschen können? Es
finden sich in der That außerordentlich wenig Beispiele, daß ein Verschmier
wirklich gehängt ist, auch in Westfalen nicht, un? die häufigen Klagen nament¬
lich der süddeutschen Reichsstände beziehen sich nicht auf ungerecht oder auch
gerecht vollzogene Executionen, sondern lediglich auf die Kosten und Belästi¬
gungen, die ihre Unterthanen von den Fehmgerichten zu leiden hätten. Diese
waren ebenso machtlos, wie alle übrigen Gerichte in jener sturmvollen Zeit,
und wenn man erzählt, wie endlich, als "die Unthaten der verrufenen Blut¬
tribunale zu himmelschreiend" geworden, sich Gegenbündnisse gebildet und diese
mit stürmender Hand die "Burgen und Hauptsitze" der Fehme gebrochen hätten,
so rst das, wie aus allem Gesagten ersichtlich ist, eine rein unsinnige Erfindung.
Allerdings fürchtete man im Mittelalter die Fehmgerichte gar sehr, indeß ge¬
rade in Westfalen, wo man sie kannte, am allerwenigsten; man fürchtete sie.
weil man sie nicht kannte und sich an den Namen "heimliche Fehme" die
wunderbarlichsten und schauerlichsten Borstellungen gleichsam von selbst an¬
knüpften. An ihrer Machtlosigkeit sind denn auch die Fehmgerichte allmälig
zu Grunde gegangen; die ordentlichen Gerichte liefen ihnen den Rang ab.
Im 17. und 18. Jahrhundert verschwanden sie mehr und mehr; die noch
bestanden, waren bloße Rügegcrichte für geringfügige Bergehen, Schlägereien,
Schmähungen u. tgi. Das letzte förmliche Fehmgericht wurde gehalten zu
Allendors im Saucrlande 1787 und zwar unter dem Vorsitze des Arnsbcrger
Freigrafen. Dieser, der Hofgerichtsassessor Engelhard, starb hochbejahrt erst
im Jahre 1835. und mit ihm ist wol der letzte Zeuge der einst so gefürchteten
Fehme dahingegangen. Uebrigens kannte er bereits die heimliche Lösung nicht
mehr, wie denn überhaupt mit der Zeit die rechte Vorstellung vom eigentlichen
Wesen der Fehme ganz verloren gegangen war. Was wir gegenwärtig wissen,
beruht lediglich auf den schriftlichen Nachrichten, die unsere Archive erhalten
W. haben.-




lich viel Gewaltthätigkeit, Mord, Raub und Brand herrschen können? Es
finden sich in der That außerordentlich wenig Beispiele, daß ein Verschmier
wirklich gehängt ist, auch in Westfalen nicht, un? die häufigen Klagen nament¬
lich der süddeutschen Reichsstände beziehen sich nicht auf ungerecht oder auch
gerecht vollzogene Executionen, sondern lediglich auf die Kosten und Belästi¬
gungen, die ihre Unterthanen von den Fehmgerichten zu leiden hätten. Diese
waren ebenso machtlos, wie alle übrigen Gerichte in jener sturmvollen Zeit,
und wenn man erzählt, wie endlich, als „die Unthaten der verrufenen Blut¬
tribunale zu himmelschreiend" geworden, sich Gegenbündnisse gebildet und diese
mit stürmender Hand die „Burgen und Hauptsitze" der Fehme gebrochen hätten,
so rst das, wie aus allem Gesagten ersichtlich ist, eine rein unsinnige Erfindung.
Allerdings fürchtete man im Mittelalter die Fehmgerichte gar sehr, indeß ge¬
rade in Westfalen, wo man sie kannte, am allerwenigsten; man fürchtete sie.
weil man sie nicht kannte und sich an den Namen „heimliche Fehme" die
wunderbarlichsten und schauerlichsten Borstellungen gleichsam von selbst an¬
knüpften. An ihrer Machtlosigkeit sind denn auch die Fehmgerichte allmälig
zu Grunde gegangen; die ordentlichen Gerichte liefen ihnen den Rang ab.
Im 17. und 18. Jahrhundert verschwanden sie mehr und mehr; die noch
bestanden, waren bloße Rügegcrichte für geringfügige Bergehen, Schlägereien,
Schmähungen u. tgi. Das letzte förmliche Fehmgericht wurde gehalten zu
Allendors im Saucrlande 1787 und zwar unter dem Vorsitze des Arnsbcrger
Freigrafen. Dieser, der Hofgerichtsassessor Engelhard, starb hochbejahrt erst
im Jahre 1835. und mit ihm ist wol der letzte Zeuge der einst so gefürchteten
Fehme dahingegangen. Uebrigens kannte er bereits die heimliche Lösung nicht
mehr, wie denn überhaupt mit der Zeit die rechte Vorstellung vom eigentlichen
Wesen der Fehme ganz verloren gegangen war. Was wir gegenwärtig wissen,
beruht lediglich auf den schriftlichen Nachrichten, die unsere Archive erhalten
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[0358] lich viel Gewaltthätigkeit, Mord, Raub und Brand herrschen können? Es finden sich in der That außerordentlich wenig Beispiele, daß ein Verschmier wirklich gehängt ist, auch in Westfalen nicht, un? die häufigen Klagen nament¬ lich der süddeutschen Reichsstände beziehen sich nicht auf ungerecht oder auch gerecht vollzogene Executionen, sondern lediglich auf die Kosten und Belästi¬ gungen, die ihre Unterthanen von den Fehmgerichten zu leiden hätten. Diese waren ebenso machtlos, wie alle übrigen Gerichte in jener sturmvollen Zeit, und wenn man erzählt, wie endlich, als „die Unthaten der verrufenen Blut¬ tribunale zu himmelschreiend" geworden, sich Gegenbündnisse gebildet und diese mit stürmender Hand die „Burgen und Hauptsitze" der Fehme gebrochen hätten, so rst das, wie aus allem Gesagten ersichtlich ist, eine rein unsinnige Erfindung. Allerdings fürchtete man im Mittelalter die Fehmgerichte gar sehr, indeß ge¬ rade in Westfalen, wo man sie kannte, am allerwenigsten; man fürchtete sie. weil man sie nicht kannte und sich an den Namen „heimliche Fehme" die wunderbarlichsten und schauerlichsten Borstellungen gleichsam von selbst an¬ knüpften. An ihrer Machtlosigkeit sind denn auch die Fehmgerichte allmälig zu Grunde gegangen; die ordentlichen Gerichte liefen ihnen den Rang ab. Im 17. und 18. Jahrhundert verschwanden sie mehr und mehr; die noch bestanden, waren bloße Rügegcrichte für geringfügige Bergehen, Schlägereien, Schmähungen u. tgi. Das letzte förmliche Fehmgericht wurde gehalten zu Allendors im Saucrlande 1787 und zwar unter dem Vorsitze des Arnsbcrger Freigrafen. Dieser, der Hofgerichtsassessor Engelhard, starb hochbejahrt erst im Jahre 1835. und mit ihm ist wol der letzte Zeuge der einst so gefürchteten Fehme dahingegangen. Uebrigens kannte er bereits die heimliche Lösung nicht mehr, wie denn überhaupt mit der Zeit die rechte Vorstellung vom eigentlichen Wesen der Fehme ganz verloren gegangen war. Was wir gegenwärtig wissen, beruht lediglich auf den schriftlichen Nachrichten, die unsere Archive erhalten W. haben.-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/358>, abgerufen am 29.04.2024.