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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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nahm das Portefeuille der Finanzen und der Kaiser schrieb an seinen Staats¬
minister, den Grafen Walewski, er habe beschlossen, am 2. December (dein
Tage von Austerlitz und des Staatsstreiches) den Senat zu berufen, um durch
ihn eine Aenderung der Verfassung annehmen zu lassen, welche den gesetz¬
gebenden Körper ermächtige, über die Budgets der verschiedenen Ministerien
nicht mehr im Ganzen, sondern nach großen Abschnitten abzustimmen. Da¬
mit erfülle er ein während der letzten Session gegebenes Versprechen. Außer¬
dem aber werde er dem Senate seine Entschließung mittheilen, daß er auf
die Befugniß, wahrend des Zwischenraums der Sessionen ergänzende und außer¬
ordentliche Credite zu bewilligen, verzichte. Dieses Opfer an Macht werde in
den Senatsbeschluß aufgenommen werden. "Treu meinem Ursprünge," so
schließt der Kaiser, "kann ich die Prärogative der Krone weder als ein ge¬
heiligtes Pfand betrachten, das man nicht antasten dürfe, noch als das Erb¬
theil meiner Väter, welches vor Allem unversehrt meinem Sohne überliefert
werden müsse. Der Erwählte des Volkes, seine Interessen vertretend, werde
ich stets ohne Bedauern jedes dem Gemenrwohle unnütze Vorrecht aufgeben,
ebenso wie ich unerschütterlich in meinen Händen jede Gewalt festhalten
werde, welche für die Ruhe und das Gedeihen des Landes unentbehrlich ist."

Die Börse begrüßte den Moniteur vom 14. November mit einem Steigen
der Rente um 60 Centimen. Sie erwartete von dem Eintritt des Herrn Fould
die Aufhebung lästiger Beschränkungen des Börsenverkehrs, und diese Erwar¬
tung ist bereits in Erfüllung gegangen. Die Presse Frankreichs und Europas
lebte acht Tage von den Auslegungen der Fould'schen Denkschrift und den
Urtheilen über die Bedeutung der kaiserlichen Entschließung. Den Einen war
sie der Weltfriede, den Andern die Einleitung einer großen Anleihe, noch
Andern die durchsichtige Hülle eines nahen Kriegs. Die Denkschrift des Herrn
Fould rechtfertigt keine dieser Ansichten. Sie sagt im Eingange, daß die
Wirthschaft der früheren Regierungen ebenfalls schlecht gewesen sei. Die
Kammern hätten in die Verwaltung eingegriffen, die Opposition habe das
Budget als Waffe gegen die Regierung gebraucht. Die Negierung Ludwig
Philipp's habe sich nicht anders zu helfen gewußt, als durch ergänzende und
außerordentliche Credite; die Lage der Finanzen sei unklar geblieben; die
großen gemeinnützigen Unternehmungen seien durch Verweigerung der Mittel
aufgehalten worden, Frankreich sei darin hinter andern Staaten zurückgeblie¬
ben. Unter dem Kaiserreiche mußte dies anders werden. Dem Kaiser wurde
das Recht gegeben, gemeinnützige Unternehmungen durch Decrete anzuordnen,
die Mittel in Form außerordentlicher Credite anzuweisen, welche nachträglich
dem gesetzgebenden Körper zur Zustimmung vorgelegt wurden. Die Gejctz-
geber durften sich nicht mehr in die Verwaltung mischen. Das Budget wurde
ihnen zwar im Detail, nach Kapiteln und Artikeln, vorgelegt, mußte aber


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nahm das Portefeuille der Finanzen und der Kaiser schrieb an seinen Staats¬
minister, den Grafen Walewski, er habe beschlossen, am 2. December (dein
Tage von Austerlitz und des Staatsstreiches) den Senat zu berufen, um durch
ihn eine Aenderung der Verfassung annehmen zu lassen, welche den gesetz¬
gebenden Körper ermächtige, über die Budgets der verschiedenen Ministerien
nicht mehr im Ganzen, sondern nach großen Abschnitten abzustimmen. Da¬
mit erfülle er ein während der letzten Session gegebenes Versprechen. Außer¬
dem aber werde er dem Senate seine Entschließung mittheilen, daß er auf
die Befugniß, wahrend des Zwischenraums der Sessionen ergänzende und außer¬
ordentliche Credite zu bewilligen, verzichte. Dieses Opfer an Macht werde in
den Senatsbeschluß aufgenommen werden. „Treu meinem Ursprünge," so
schließt der Kaiser, „kann ich die Prärogative der Krone weder als ein ge¬
heiligtes Pfand betrachten, das man nicht antasten dürfe, noch als das Erb¬
theil meiner Väter, welches vor Allem unversehrt meinem Sohne überliefert
werden müsse. Der Erwählte des Volkes, seine Interessen vertretend, werde
ich stets ohne Bedauern jedes dem Gemenrwohle unnütze Vorrecht aufgeben,
ebenso wie ich unerschütterlich in meinen Händen jede Gewalt festhalten
werde, welche für die Ruhe und das Gedeihen des Landes unentbehrlich ist."

Die Börse begrüßte den Moniteur vom 14. November mit einem Steigen
der Rente um 60 Centimen. Sie erwartete von dem Eintritt des Herrn Fould
die Aufhebung lästiger Beschränkungen des Börsenverkehrs, und diese Erwar¬
tung ist bereits in Erfüllung gegangen. Die Presse Frankreichs und Europas
lebte acht Tage von den Auslegungen der Fould'schen Denkschrift und den
Urtheilen über die Bedeutung der kaiserlichen Entschließung. Den Einen war
sie der Weltfriede, den Andern die Einleitung einer großen Anleihe, noch
Andern die durchsichtige Hülle eines nahen Kriegs. Die Denkschrift des Herrn
Fould rechtfertigt keine dieser Ansichten. Sie sagt im Eingange, daß die
Wirthschaft der früheren Regierungen ebenfalls schlecht gewesen sei. Die
Kammern hätten in die Verwaltung eingegriffen, die Opposition habe das
Budget als Waffe gegen die Regierung gebraucht. Die Negierung Ludwig
Philipp's habe sich nicht anders zu helfen gewußt, als durch ergänzende und
außerordentliche Credite; die Lage der Finanzen sei unklar geblieben; die
großen gemeinnützigen Unternehmungen seien durch Verweigerung der Mittel
aufgehalten worden, Frankreich sei darin hinter andern Staaten zurückgeblie¬
ben. Unter dem Kaiserreiche mußte dies anders werden. Dem Kaiser wurde
das Recht gegeben, gemeinnützige Unternehmungen durch Decrete anzuordnen,
die Mittel in Form außerordentlicher Credite anzuweisen, welche nachträglich
dem gesetzgebenden Körper zur Zustimmung vorgelegt wurden. Die Gejctz-
geber durften sich nicht mehr in die Verwaltung mischen. Das Budget wurde
ihnen zwar im Detail, nach Kapiteln und Artikeln, vorgelegt, mußte aber


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/381>, abgerufen am 02.05.2024.