Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.umfassend, es ist nichts nach Hörensagen, sondern nach der strengsten Quel¬ ' Mittheilungen aus Lobecks Briefwech sel. Nebst einem' litera- Die Gedächtnißrede. mit welcher Herr Friedländer diesen Nachlaß Lobeck's umfassend, es ist nichts nach Hörensagen, sondern nach der strengsten Quel¬ ' Mittheilungen aus Lobecks Briefwech sel. Nebst einem' litera- Die Gedächtnißrede. mit welcher Herr Friedländer diesen Nachlaß Lobeck's <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0434" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/112942"/> <p xml:id="ID_1306" prev="#ID_1305"> umfassend, es ist nichts nach Hörensagen, sondern nach der strengsten Quel¬<lb/> lenforschung dargestellt und, was bei einem Manne wie Wolf die Hauptsache<lb/> ist, der Verfasser hat ein vollgültiges Urtheil über seinen Gegenstand. Wir<lb/> warten das Erscheinen des zweiten Bandes ab, der bald in Aussicht steht,<lb/> um den Charakter des großen Gelehrten, wie er sich aus dieser neuen Arbeit<lb/> herausstellt, eingehender zu besprechen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1307"> ' Mittheilungen aus Lobecks Briefwech sel. Nebst einem' litera-<lb/> rischen Anhange und einer zur Feier seines Gedächtnisses gehaltenen Rede,<lb/> Herausgegeben "von Ludwig Friedländer. Leipzig. Druck und Verlag<lb/> von B. G. Teubner. 1861.</p><lb/> <p xml:id="ID_1308" next="#ID_1309"> Die Gedächtnißrede. mit welcher Herr Friedländer diesen Nachlaß Lobeck's<lb/> einleitet, hat, wenigstens theilweise, schon früher in den „Grenzboten" ge-<lb/> standen; sie spricht die sinnige Hingebung und Pietät eines treuen und dank¬<lb/> baren Schülers aus. den seine ernsten, umfassenden und umsichtigen Studien<lb/> wol dazu berechtigen , die Größe des Mannes, den er verehrt, zu ermessen.<lb/> Wir möchten unsere Leser namentlich auf einen Punkt aufmerksam machen,<lb/> auf den Kampf Lobeck's gegen eine Richtung der Philologie „die sich ver¬<lb/> mißt, durch Inspiration und Ahnung Geheimnisse zu ergründen, die der<lb/> wissenschaftlichen Forschung verschlossen bleiben." „Diese Richtung," fährt<lb/> der Verfasser fort, „hat zu allen Zeiten der Wissenschaft gegenüber gestanden.<lb/> Sie ist zu tief im Wesen des menschlichen Geistes begründet, um je aüszu-<lb/> sterben, und sie wird immer ganz besonders in der Masse der Halbwissenden<lb/> ihre Wurzeln treiben, weil sie den Dilettantismus für stimmfähig, ja für be¬<lb/> rechtigt erklärt, auf die Forschung vornehm herabzusehen, die vergebens auf<lb/> beschwerlichen Umwegen Zielen zustrebt, welche er mühelos erreicht. Eine seit<lb/> dein Ende des vorigen Jahrhunderts bei uns besonders gesteigerte und weit<lb/> verbreitete Unklarheit im Wissen und Glauben begünstigte das Umsichgreifen<lb/> dieser Richtung auch auf wissenschaftlichem Gebiet. Es war bekanntlich die<lb/> Blüthezeit der Naturphilosophie, die gebildete Welt wandte sich der Nachtseite<lb/> der Natur mit besonderer Vorliebe zu und lauschte den Offenbarungen der<lb/> Magnenseure. Visionäre und Geisterseher vielleicht Mit noch größerer An¬<lb/> dacht als heute; die Nestanrationever suche griffen vielfach ins Mittelalter<lb/> zurück, das künstlerische Schaffen wurde von einer bestimmten Form des Glau¬<lb/> bens für abhängig erklärt. Wer sich von der inneren Unwahrheit dieses<lb/> Treibens abwendete, wör den Visionen einer verwilderten Phantasie den Glau¬<lb/> ben weigerte, wurde des Mangels an Tiefe, poetischer Anschauung und<lb/> wahrer Frömmigkeit geziehen. Das ist es, was Lobeck den Aharisäismus<lb/> der Wissenschaft genannt hat, „die Heuchelei genialer Erleuchtung, welche<lb/> den Resultaten ernster Forschung das Gaukelwerk spielender Combinationen<lb/> entgegenstellt, statt des wissenschaftlich Erkennbaren die'eröigen Räthsel der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0434]
umfassend, es ist nichts nach Hörensagen, sondern nach der strengsten Quel¬
lenforschung dargestellt und, was bei einem Manne wie Wolf die Hauptsache
ist, der Verfasser hat ein vollgültiges Urtheil über seinen Gegenstand. Wir
warten das Erscheinen des zweiten Bandes ab, der bald in Aussicht steht,
um den Charakter des großen Gelehrten, wie er sich aus dieser neuen Arbeit
herausstellt, eingehender zu besprechen.
' Mittheilungen aus Lobecks Briefwech sel. Nebst einem' litera-
rischen Anhange und einer zur Feier seines Gedächtnisses gehaltenen Rede,
Herausgegeben "von Ludwig Friedländer. Leipzig. Druck und Verlag
von B. G. Teubner. 1861.
Die Gedächtnißrede. mit welcher Herr Friedländer diesen Nachlaß Lobeck's
einleitet, hat, wenigstens theilweise, schon früher in den „Grenzboten" ge-
standen; sie spricht die sinnige Hingebung und Pietät eines treuen und dank¬
baren Schülers aus. den seine ernsten, umfassenden und umsichtigen Studien
wol dazu berechtigen , die Größe des Mannes, den er verehrt, zu ermessen.
Wir möchten unsere Leser namentlich auf einen Punkt aufmerksam machen,
auf den Kampf Lobeck's gegen eine Richtung der Philologie „die sich ver¬
mißt, durch Inspiration und Ahnung Geheimnisse zu ergründen, die der
wissenschaftlichen Forschung verschlossen bleiben." „Diese Richtung," fährt
der Verfasser fort, „hat zu allen Zeiten der Wissenschaft gegenüber gestanden.
Sie ist zu tief im Wesen des menschlichen Geistes begründet, um je aüszu-
sterben, und sie wird immer ganz besonders in der Masse der Halbwissenden
ihre Wurzeln treiben, weil sie den Dilettantismus für stimmfähig, ja für be¬
rechtigt erklärt, auf die Forschung vornehm herabzusehen, die vergebens auf
beschwerlichen Umwegen Zielen zustrebt, welche er mühelos erreicht. Eine seit
dein Ende des vorigen Jahrhunderts bei uns besonders gesteigerte und weit
verbreitete Unklarheit im Wissen und Glauben begünstigte das Umsichgreifen
dieser Richtung auch auf wissenschaftlichem Gebiet. Es war bekanntlich die
Blüthezeit der Naturphilosophie, die gebildete Welt wandte sich der Nachtseite
der Natur mit besonderer Vorliebe zu und lauschte den Offenbarungen der
Magnenseure. Visionäre und Geisterseher vielleicht Mit noch größerer An¬
dacht als heute; die Nestanrationever suche griffen vielfach ins Mittelalter
zurück, das künstlerische Schaffen wurde von einer bestimmten Form des Glau¬
bens für abhängig erklärt. Wer sich von der inneren Unwahrheit dieses
Treibens abwendete, wör den Visionen einer verwilderten Phantasie den Glau¬
ben weigerte, wurde des Mangels an Tiefe, poetischer Anschauung und
wahrer Frömmigkeit geziehen. Das ist es, was Lobeck den Aharisäismus
der Wissenschaft genannt hat, „die Heuchelei genialer Erleuchtung, welche
den Resultaten ernster Forschung das Gaukelwerk spielender Combinationen
entgegenstellt, statt des wissenschaftlich Erkennbaren die'eröigen Räthsel der
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