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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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Welcker hatte in einer Versammlung von Mitgliedern des Nationalver¬
eins zu Pforzheim eine "Erklärung über die deutsche Reform vom Stand'
punkte des Rechts" vorgelegt, welcher die Versammlung beitrat. Die Er
klärung motivirt bündig die patriotische Pflicht aller besonnenen Männer,
"unser Recht, unser ganzes Recht und nichts als unser Recht zu fordern, Na¬
tionalversammlung nämlich. Centralgewalt und Nichtigkeitserklärung aller
Ausnahmsgesetze, sowie Beseitigung aller darauf gegründeten Landesgesetze."

Gegen diese Erklärung, sagt Welcker, seien ungerechte Angriffe erfolgt,
und diese veranlassen ihn "den Gedanken, welcher der Pforzheimer Erklärung
zu Grunde liegt, weiter auszuführen, nebenbei aber den ungerechten Angriffen
entgegen zu treten. Dies der Zweck der vorliegenden Schrift. Wir gestehen,
daß wir erst aus dieser von den Angriffen Kenntniß erhielten, und gespannt
waren, die Gegner kennen zu lernen, denen zu erwidern unser würdiger
Welcker sich veranlaßt sah. Die Regicrungspresse konnte es nicht sein, denn
die Pforzheimer Erklärung ist nicht gegen die badische Negierung oder gegen
ihre deutsche Politik gerichtet. So mußte es doch wenigstens ein anständiges
Organ des groß- oder süddeutschen Particularismus oder der östreichischen
Bundespoütik sein? Aber die Erklärung enthielt nicht das Losungswort, wel¬
ches den Zorn dieser Organe zu reizen pflegt, die preußische Führung. Wir
sehen noch und was finden wir? Es sind Artikel der Volkszeitung für Süd¬
deutschland (Heidelberg), welcher die Pforzheimer Erklärung zur Aufnahme
zugesendet war, die aber nicht die Erklärung, sondern eine Fluth von Schmäh¬
ungen, Lügen und Verleumdungen gegen Welcker und gegen die Constitutio-
nellen überhaupt brachte, wie die rothrepublikanischen Schmutzblätter von 1848
und 1849 in den schönsten Tagen ihrer kurzen Existenz. Welcker selbst deutet
an, daß an dem Blatte Männer jener alten Partei mitwirken und nament¬
lich in der Redaction ein Mann, dessen eigenes Blatt in jener Zeit ganz
ähnliche Schmähungen auch gegen ihn enthalten habe. Irren wir nicht, so
hieß der Titel jenes Blattes "die Republik" und der Herausgeber, ein ehe¬
maliger Schullehrer, ist in Folge der Amnestie zurückgekehrt, um das alte
Handwerk fortzutreiben. Es thut uns leid, daß Welcker an ein solches In¬
dividuum einen langen Brief in mildem Tone schreibt und denselben in seiner
Schrift, gleich hinter der Pforzheimer Erklärung, abdrucken läßt. Dieses
Pech anzurühren hatte Welcker nicht nöthig. Wir sind überzeugt, daß es in
Baden keinen anständigen Menschen gibt, welches sonst seine politische Rich¬
tung sei, der diesem lumpigsten von allem moralischen und politischen Lumpen¬
gesindel nicht mit Verachtung den Rücken kehrte. Die Zeit ist vorbei, wo ein
trunkener Pöbel dem wahnsinnigen Geschrei dieses Gelichters Beifall zu¬
jauchzte und der geängstigt" Bürger sich von ihm einschüchtern und brand¬
schatzen ließ. Wäre die Wiederkehr ähnlicher Vorgänge möglich, dann wäre


Welcker hatte in einer Versammlung von Mitgliedern des Nationalver¬
eins zu Pforzheim eine „Erklärung über die deutsche Reform vom Stand'
punkte des Rechts" vorgelegt, welcher die Versammlung beitrat. Die Er
klärung motivirt bündig die patriotische Pflicht aller besonnenen Männer,
„unser Recht, unser ganzes Recht und nichts als unser Recht zu fordern, Na¬
tionalversammlung nämlich. Centralgewalt und Nichtigkeitserklärung aller
Ausnahmsgesetze, sowie Beseitigung aller darauf gegründeten Landesgesetze."

Gegen diese Erklärung, sagt Welcker, seien ungerechte Angriffe erfolgt,
und diese veranlassen ihn „den Gedanken, welcher der Pforzheimer Erklärung
zu Grunde liegt, weiter auszuführen, nebenbei aber den ungerechten Angriffen
entgegen zu treten. Dies der Zweck der vorliegenden Schrift. Wir gestehen,
daß wir erst aus dieser von den Angriffen Kenntniß erhielten, und gespannt
waren, die Gegner kennen zu lernen, denen zu erwidern unser würdiger
Welcker sich veranlaßt sah. Die Regicrungspresse konnte es nicht sein, denn
die Pforzheimer Erklärung ist nicht gegen die badische Negierung oder gegen
ihre deutsche Politik gerichtet. So mußte es doch wenigstens ein anständiges
Organ des groß- oder süddeutschen Particularismus oder der östreichischen
Bundespoütik sein? Aber die Erklärung enthielt nicht das Losungswort, wel¬
ches den Zorn dieser Organe zu reizen pflegt, die preußische Führung. Wir
sehen noch und was finden wir? Es sind Artikel der Volkszeitung für Süd¬
deutschland (Heidelberg), welcher die Pforzheimer Erklärung zur Aufnahme
zugesendet war, die aber nicht die Erklärung, sondern eine Fluth von Schmäh¬
ungen, Lügen und Verleumdungen gegen Welcker und gegen die Constitutio-
nellen überhaupt brachte, wie die rothrepublikanischen Schmutzblätter von 1848
und 1849 in den schönsten Tagen ihrer kurzen Existenz. Welcker selbst deutet
an, daß an dem Blatte Männer jener alten Partei mitwirken und nament¬
lich in der Redaction ein Mann, dessen eigenes Blatt in jener Zeit ganz
ähnliche Schmähungen auch gegen ihn enthalten habe. Irren wir nicht, so
hieß der Titel jenes Blattes „die Republik" und der Herausgeber, ein ehe¬
maliger Schullehrer, ist in Folge der Amnestie zurückgekehrt, um das alte
Handwerk fortzutreiben. Es thut uns leid, daß Welcker an ein solches In¬
dividuum einen langen Brief in mildem Tone schreibt und denselben in seiner
Schrift, gleich hinter der Pforzheimer Erklärung, abdrucken läßt. Dieses
Pech anzurühren hatte Welcker nicht nöthig. Wir sind überzeugt, daß es in
Baden keinen anständigen Menschen gibt, welches sonst seine politische Rich¬
tung sei, der diesem lumpigsten von allem moralischen und politischen Lumpen¬
gesindel nicht mit Verachtung den Rücken kehrte. Die Zeit ist vorbei, wo ein
trunkener Pöbel dem wahnsinnigen Geschrei dieses Gelichters Beifall zu¬
jauchzte und der geängstigt« Bürger sich von ihm einschüchtern und brand¬
schatzen ließ. Wäre die Wiederkehr ähnlicher Vorgänge möglich, dann wäre


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/516>, abgerufen am 06.05.2024.