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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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feindlicher Absichten stützen, zumal gegen des Kaisers Bruder. Die Unmög¬
lichkeit seines ferneren Bleibens in Tirol mußte schärfer, schlagender, unab-
wcislicher hervortreten. Die klerikalen Wühler schafften die klarsten Beweise
dafür. Das ganze Volk sollte dafür zeugen, daß es fast wie ein Mann für
den Landtagsbeschluß vom 17. April gegen die Protestanten einstehe, vorerst
durch öffentliches und allgemeines Gebet, Wallfahrten zu den wunderthätigen
Bildern der von den Ketzern mißachteten Himmelskönigin und stürmische Aus¬
brüche übcrfluthender Herzensfreude. Säbel und Stutzen blitzten durch die
Weihrnuchwollen, wenn man in Wien den einzigen Wunsch, die nur nach
dem Himmel schmachtende Bitte der stämmigen Aelpler nicht erhören sollte.
So begann denn eine neue Agitation, mit der es, wie die "Tiroler Stimmen"
andeuteten, "seine eigenthümliche Bewandtnis; hatte"; sie ließ sich sicherer ahnen
als aussprechen.

Einer der Ersten, der daran dachte, "Gott dem Herrn, von dem jede gute
Gabe, jedes vollkommene Geschenk kommt, gebührend zu danken für den
im ganzen Lande so freudigen Widerhall*) findenden Beschluß des hohen Land¬
tags betreffs der Glaubenseinhcit Tirols" war der Propst von Bozen. Der
glaubenseifnge Prälat fand sich tief verletzt durch einen Artikel der "Bo-
zener Zeitung", worin der Bischof von Brixen der Aufhetzung beschuldigt war,
er wollte nun seine Gemeinde bei mehrstündiger Aussetzung des hochwürdigen
Guich feierlich "den Bund mit dem göttlichen Herzen Jesu" erneuern lassen,
um aller Welt zu zeigen, daß das "sinnlose Geschrei Einzelner" nicht den
"Kern" der Gemeinde, die "Volksmeinung" vertrete. Fast unwirsch forderte
er die Aufnahme seiner frommen Rachepfeile in die "Bozener Zeitung" als
einige Satisfaction für die Verunglimpfung des schuldlosen Bischofs. Einige
Tage später veränderte sich die Scene in eine Bergbcleuchtung. Ohne daß
außer den wenigen Eingeweihten Jemand um das nächtliche Schauspiel und
seine Bedeutung wußte, flammten am Abend des 1. Mai auf den Hügeln
und Bergen des oberen Etschthals von Neumarkt bis in's Vintschgau und
längs der Eisack bis Brixen wie auf ein Signal zahlreiche Feuer, Böller knall¬
ten und ein paar trübleuchtende Luftballons stiegen aus dem Garten des Land-
hauptmannstellvertreters Carl v. Zallinger in Bozen. Selbst die Handlanger,
welche die Feuer schürten, wußten nicht, welchem Ereignis; die feurigen Grüße
galten, man vermuthete sie mehr nach den Anstiftern, und die "Bozener Zei.
tung" dürfte sich dreist den Spott erlauben, die Demonstration Hütte der Er¬
öffnung des Reichsraths durch den Kaiser gegolten, die eben an jenem Tage
stattfand; der "Tiroler Bote" und die "Wiener Zeitung" druckten es ihr gläu¬
big nach. Die Potemkins aber, die nachhin ihr Taschenspiel als ein Volks-



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feindlicher Absichten stützen, zumal gegen des Kaisers Bruder. Die Unmög¬
lichkeit seines ferneren Bleibens in Tirol mußte schärfer, schlagender, unab-
wcislicher hervortreten. Die klerikalen Wühler schafften die klarsten Beweise
dafür. Das ganze Volk sollte dafür zeugen, daß es fast wie ein Mann für
den Landtagsbeschluß vom 17. April gegen die Protestanten einstehe, vorerst
durch öffentliches und allgemeines Gebet, Wallfahrten zu den wunderthätigen
Bildern der von den Ketzern mißachteten Himmelskönigin und stürmische Aus¬
brüche übcrfluthender Herzensfreude. Säbel und Stutzen blitzten durch die
Weihrnuchwollen, wenn man in Wien den einzigen Wunsch, die nur nach
dem Himmel schmachtende Bitte der stämmigen Aelpler nicht erhören sollte.
So begann denn eine neue Agitation, mit der es, wie die „Tiroler Stimmen"
andeuteten, „seine eigenthümliche Bewandtnis; hatte"; sie ließ sich sicherer ahnen
als aussprechen.

Einer der Ersten, der daran dachte, „Gott dem Herrn, von dem jede gute
Gabe, jedes vollkommene Geschenk kommt, gebührend zu danken für den
im ganzen Lande so freudigen Widerhall*) findenden Beschluß des hohen Land¬
tags betreffs der Glaubenseinhcit Tirols" war der Propst von Bozen. Der
glaubenseifnge Prälat fand sich tief verletzt durch einen Artikel der „Bo-
zener Zeitung", worin der Bischof von Brixen der Aufhetzung beschuldigt war,
er wollte nun seine Gemeinde bei mehrstündiger Aussetzung des hochwürdigen
Guich feierlich „den Bund mit dem göttlichen Herzen Jesu" erneuern lassen,
um aller Welt zu zeigen, daß das „sinnlose Geschrei Einzelner" nicht den
„Kern" der Gemeinde, die „Volksmeinung" vertrete. Fast unwirsch forderte
er die Aufnahme seiner frommen Rachepfeile in die „Bozener Zeitung" als
einige Satisfaction für die Verunglimpfung des schuldlosen Bischofs. Einige
Tage später veränderte sich die Scene in eine Bergbcleuchtung. Ohne daß
außer den wenigen Eingeweihten Jemand um das nächtliche Schauspiel und
seine Bedeutung wußte, flammten am Abend des 1. Mai auf den Hügeln
und Bergen des oberen Etschthals von Neumarkt bis in's Vintschgau und
längs der Eisack bis Brixen wie auf ein Signal zahlreiche Feuer, Böller knall¬
ten und ein paar trübleuchtende Luftballons stiegen aus dem Garten des Land-
hauptmannstellvertreters Carl v. Zallinger in Bozen. Selbst die Handlanger,
welche die Feuer schürten, wußten nicht, welchem Ereignis; die feurigen Grüße
galten, man vermuthete sie mehr nach den Anstiftern, und die „Bozener Zei.
tung" dürfte sich dreist den Spott erlauben, die Demonstration Hütte der Er¬
öffnung des Reichsraths durch den Kaiser gegolten, die eben an jenem Tage
stattfand; der „Tiroler Bote" und die „Wiener Zeitung" druckten es ihr gläu¬
big nach. Die Potemkins aber, die nachhin ihr Taschenspiel als ein Volks-



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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/52>, abgerufen am 07.05.2024.