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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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Preußen sonst noch alle sind -- Patzkc jedoch ist dabei vergessen -- als Gründe
angeführt, weshalb man zu der Geschichte kein Herz fassen könne. Was soll man
darauf erwidern? Wir räumen das Gewicht aller Vorwürfe, die man gegen die
innere und äußere Politik Preußens erheben mag, bereitwillig ein; aber was be¬
weisen sie gegen die Nothwendigkeit der Erbauung von Kriegsschiffen? Angenommen
der Krieg bricht morgen aus, die Franzosen fallen in das Land, werden auch
dann noch die Schulregulative als zureichender Grund geltend gemacht werden,
um die Theilnahme an der Vertheidigung des deutschen Bodens abzulehnen? Und
ist die Erbauung einer Anzahl von Kanonenbooten, um welche es sich jetzt zunächst
handelt, denn etwas Anderes als die nothdürftigste Vorbereitung für jene Abwehr?
Selbst zugegeben, was von den Pessimisten behauptet wird, eine Radicalcur der
preußischen und deutschen Zustände wäre erst von ein paar Niederlagen zu erwarten,
aber aus die Niederlagen müssen dann doch Siege folgen, und die Schiffe können
wir nicht erst bauen, wenn wir sie zu diesen Siegen unbedingt nöthig haben.
Uns selbst wollen wir stärken, indem wir Preußen, unsern rechten Arm stärken;
und gerade weil dieser Arm sich bisher schwach und lahm gezeigt hat, deshalb müssen
wir suchen, ihn stark zu machen. Von Vorliebe für Preußen, von Vertrauen
oder Mißtrauen, man kann dies nicht oft genug sagen, ist dabei gar keine Rede.
Auf was wir allein rechnen, ist das wohlverstandene Interesse des preußischen Staats,
in welchem wir nirgends einen Punkt entdecken^ der mit dem Lebensanliegcn der
deutschen Nation in Widerstreit wäre. So z. B. bei Schleswig-Holstein; die prak¬
tischen Engländer fassen denn auch die Angelegenheit der Herzogthümer bekanntlich
ganz und gar als ein preußisches Machtintcrcssc auf. Wenn trotzdem gerade diese
Sache von Preußen bisher matt und kleinmüthig genug betrieben worden ist, so hat
es damit vor allen Dingen sich selbst wehe gethan, und dies gewiß nicht aus einer
besondern Lust an der Selbsterniedrigung, sondern einfach, weil es sich nicht stark
genug fühlte, seine und Deutschlands Anliegen dem zu befürchtenden Widerstände
ganz Europa's gegenüber durchzusetzen. Wir bessern hieran nichts, wenn wir uns
begnügen, darüber zu wehklagen und zu schelten, sondern wir müssen das Unserige
dazu thun, daß das Gefühl der relativen Schwäche, in welcher Preußens ganze heu¬
tige Politik wurzelt, sich in Bewußtsein der Kraft verwandele. Daß übrigens Preu¬
ßen jemals seine eigenen Schiffe unter den Hammer bringen könnte, solche Befürch¬
tung kann doch wol nur der äußerste politische Unverstand hegen. Denjenigen aber,
welche mit eintöniger Ausdauer dabei bleiben, zu sagen: wir wollen keine preußische,
nur eine deutsche Flotte, sagen wir! Zeigt uns doch auch nur einen Schimmer von
Möglichkeit, eine deutsche, das will sagen, eine unter deutscher Flagge segelnde und


Preußen sonst noch alle sind — Patzkc jedoch ist dabei vergessen — als Gründe
angeführt, weshalb man zu der Geschichte kein Herz fassen könne. Was soll man
darauf erwidern? Wir räumen das Gewicht aller Vorwürfe, die man gegen die
innere und äußere Politik Preußens erheben mag, bereitwillig ein; aber was be¬
weisen sie gegen die Nothwendigkeit der Erbauung von Kriegsschiffen? Angenommen
der Krieg bricht morgen aus, die Franzosen fallen in das Land, werden auch
dann noch die Schulregulative als zureichender Grund geltend gemacht werden,
um die Theilnahme an der Vertheidigung des deutschen Bodens abzulehnen? Und
ist die Erbauung einer Anzahl von Kanonenbooten, um welche es sich jetzt zunächst
handelt, denn etwas Anderes als die nothdürftigste Vorbereitung für jene Abwehr?
Selbst zugegeben, was von den Pessimisten behauptet wird, eine Radicalcur der
preußischen und deutschen Zustände wäre erst von ein paar Niederlagen zu erwarten,
aber aus die Niederlagen müssen dann doch Siege folgen, und die Schiffe können
wir nicht erst bauen, wenn wir sie zu diesen Siegen unbedingt nöthig haben.
Uns selbst wollen wir stärken, indem wir Preußen, unsern rechten Arm stärken;
und gerade weil dieser Arm sich bisher schwach und lahm gezeigt hat, deshalb müssen
wir suchen, ihn stark zu machen. Von Vorliebe für Preußen, von Vertrauen
oder Mißtrauen, man kann dies nicht oft genug sagen, ist dabei gar keine Rede.
Auf was wir allein rechnen, ist das wohlverstandene Interesse des preußischen Staats,
in welchem wir nirgends einen Punkt entdecken^ der mit dem Lebensanliegcn der
deutschen Nation in Widerstreit wäre. So z. B. bei Schleswig-Holstein; die prak¬
tischen Engländer fassen denn auch die Angelegenheit der Herzogthümer bekanntlich
ganz und gar als ein preußisches Machtintcrcssc auf. Wenn trotzdem gerade diese
Sache von Preußen bisher matt und kleinmüthig genug betrieben worden ist, so hat
es damit vor allen Dingen sich selbst wehe gethan, und dies gewiß nicht aus einer
besondern Lust an der Selbsterniedrigung, sondern einfach, weil es sich nicht stark
genug fühlte, seine und Deutschlands Anliegen dem zu befürchtenden Widerstände
ganz Europa's gegenüber durchzusetzen. Wir bessern hieran nichts, wenn wir uns
begnügen, darüber zu wehklagen und zu schelten, sondern wir müssen das Unserige
dazu thun, daß das Gefühl der relativen Schwäche, in welcher Preußens ganze heu¬
tige Politik wurzelt, sich in Bewußtsein der Kraft verwandele. Daß übrigens Preu¬
ßen jemals seine eigenen Schiffe unter den Hammer bringen könnte, solche Befürch¬
tung kann doch wol nur der äußerste politische Unverstand hegen. Denjenigen aber,
welche mit eintöniger Ausdauer dabei bleiben, zu sagen: wir wollen keine preußische,
nur eine deutsche Flotte, sagen wir! Zeigt uns doch auch nur einen Schimmer von
Möglichkeit, eine deutsche, das will sagen, eine unter deutscher Flagge segelnde und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/88>, abgerufen am 03.05.2024.