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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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und wird wahrscheinlich wenig geneigt sein, Alles um neuen Gewinn auf das
Spiel zu setzen. Auch haben einzelne Personen seines Hauses und seiner Um¬
gebung größeren Einfluß auf ihn gewonnen, bereits machen die Parteien den
Hofes Geräusch, und ihre Auffassung neuer Fragen findet in den Berichten der
Gesandtschaften ernste Beachtung.

Von allen großen Dynastien Europas war die preußische die letzte, mit
welcher er in das Verhältniß freundlicher -Courtoisie und eines regelmäßigen
Austausches persönlicher Artigketten trat. Dem Besuch von Baden antwor¬
teten die Tage von Compiegne. Dort hatte das ritterliche Wesen der Majestät
von Preußen eine freundliche Annäherung bewirkt, welche, wie dies bei fürst¬
lichen Besuchen der Fall zu sein pflegt, etwa so lange aushielt, als der Hof
von den fremden Gästen zu plaudern für reizvoll fand. Der Kaiser hat darauf
-wieder mit der Artigkeit, welche ihn auszeichnet, durch die Krönungsbotschaft
und ihr Fest zu Berlin die Aufmerksamkeiten gesteigert. Unterdeß hatte er
/Gelegenheit, das preußische Wesen noch von anderer Seite kennen zu lernen. Die
Rheinmanöver. Hie Krönungsfeierlichkeiten, die Reden des Königs, das Ver¬
halten des Volkes gaben ihm eine Anzahl -Eindrücke, lebendiger und wirksamer,
als die-Berichte seiner-Gesandten. Er erkannte, daß es gegenwärtig hoffnungs¬
los war, auf Preußen bei Regulirung seiner Westgrenze zu rechnen, er konnte sich
nicht versagen,-der königlichen Betonung der Krone von Gottes Gnaden mit einer
nachdrücklichen Betonung seiner Stellung als Erwählter des Volkes zu ant¬
worten, sein Commissär für Abschluß des Handelsvertrages begann die For¬
derungen-höher zu spannen. Etwa vier Wochen nach dem Besuch des Königs
war.der bunte Staub von den Schmetterlingsflügeln der jungen Wärme für
Preußen abgestreift. Und wieder griff er in das geheime Schubfach alter Pläne
und begann prüfend drunter zu wählen.

In der That gibt es wenige Nachbarvölker, welche in wichtigen Grund¬
lagen ihrer politischen Existenz so grundverschieden sind als Preußen und
.das kaiserliche Frankreich, denn verschieden ist der Charakter der Fürsten, des
Heeres, der Finanzen, der beiderseitigen Volkskraft. Die Preußen sind viel¬
leicht das loyalste Volk Europas, selbst England nicht ausgenommen. Sie
sind im vorigen Jahrhundert durch die Hohenzollern zu einem Volke und Staat
zusammengeschlossen, sie haben im Beginn dieses Jahrhunderts den Hohen¬
zollern die verlorene Stellung in Europa zurück erobert, sie haben in den
alten und, neuen Provinzen das lebendige Gefühl, daß ihr Herrschergeschlecht
das älteste und erste Band ist. welches sie zusammenhält. So sitzen die
Könige von Preußen sicher und mit dem Volk verwachsen auf ihrer Väter
.Thron. Sre haben nicht gelernt für sich selbst zu sorgen; so oft sie gespart
haben, sie Haben's nicht für sich gethan; wenn heut eine Sturmfluth ihnen
den -Thron und ihre Schlösser wegführte, sie würden den Stolz behalten,


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und wird wahrscheinlich wenig geneigt sein, Alles um neuen Gewinn auf das
Spiel zu setzen. Auch haben einzelne Personen seines Hauses und seiner Um¬
gebung größeren Einfluß auf ihn gewonnen, bereits machen die Parteien den
Hofes Geräusch, und ihre Auffassung neuer Fragen findet in den Berichten der
Gesandtschaften ernste Beachtung.

Von allen großen Dynastien Europas war die preußische die letzte, mit
welcher er in das Verhältniß freundlicher -Courtoisie und eines regelmäßigen
Austausches persönlicher Artigketten trat. Dem Besuch von Baden antwor¬
teten die Tage von Compiegne. Dort hatte das ritterliche Wesen der Majestät
von Preußen eine freundliche Annäherung bewirkt, welche, wie dies bei fürst¬
lichen Besuchen der Fall zu sein pflegt, etwa so lange aushielt, als der Hof
von den fremden Gästen zu plaudern für reizvoll fand. Der Kaiser hat darauf
-wieder mit der Artigkeit, welche ihn auszeichnet, durch die Krönungsbotschaft
und ihr Fest zu Berlin die Aufmerksamkeiten gesteigert. Unterdeß hatte er
/Gelegenheit, das preußische Wesen noch von anderer Seite kennen zu lernen. Die
Rheinmanöver. Hie Krönungsfeierlichkeiten, die Reden des Königs, das Ver¬
halten des Volkes gaben ihm eine Anzahl -Eindrücke, lebendiger und wirksamer,
als die-Berichte seiner-Gesandten. Er erkannte, daß es gegenwärtig hoffnungs¬
los war, auf Preußen bei Regulirung seiner Westgrenze zu rechnen, er konnte sich
nicht versagen,-der königlichen Betonung der Krone von Gottes Gnaden mit einer
nachdrücklichen Betonung seiner Stellung als Erwählter des Volkes zu ant¬
worten, sein Commissär für Abschluß des Handelsvertrages begann die For¬
derungen-höher zu spannen. Etwa vier Wochen nach dem Besuch des Königs
war.der bunte Staub von den Schmetterlingsflügeln der jungen Wärme für
Preußen abgestreift. Und wieder griff er in das geheime Schubfach alter Pläne
und begann prüfend drunter zu wählen.

In der That gibt es wenige Nachbarvölker, welche in wichtigen Grund¬
lagen ihrer politischen Existenz so grundverschieden sind als Preußen und
.das kaiserliche Frankreich, denn verschieden ist der Charakter der Fürsten, des
Heeres, der Finanzen, der beiderseitigen Volkskraft. Die Preußen sind viel¬
leicht das loyalste Volk Europas, selbst England nicht ausgenommen. Sie
sind im vorigen Jahrhundert durch die Hohenzollern zu einem Volke und Staat
zusammengeschlossen, sie haben im Beginn dieses Jahrhunderts den Hohen¬
zollern die verlorene Stellung in Europa zurück erobert, sie haben in den
alten und, neuen Provinzen das lebendige Gefühl, daß ihr Herrschergeschlecht
das älteste und erste Band ist. welches sie zusammenhält. So sitzen die
Könige von Preußen sicher und mit dem Volk verwachsen auf ihrer Väter
.Thron. Sre haben nicht gelernt für sich selbst zu sorgen; so oft sie gespart
haben, sie Haben's nicht für sich gethan; wenn heut eine Sturmfluth ihnen
den -Thron und ihre Schlösser wegführte, sie würden den Stolz behalten,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/11>, abgerufen am 12.05.2024.