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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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Alles mit Sensen. Gabeln und Aexten bewaffnet, viele >auch mit Flinten.
Ans der Stadt waren zwölf mit Büchsen gekommen. Es war eine kleine
Schaar. aber ich fühlte mich muthig. Eben hatte ich meine Truppe geord-
net. als ein Abgesandter aus der Stadt mit Fricdensanträgen vom polnischen
General eintraf; ich aber ließ ihm zurück sagen, er möge sich sofort mit seiner
Mannschaft aus der Stadt machen, sonst würde ich angreifen. Hierauf er¬
hielt ich eine fürchterliche Kriegserklärung, unterschrieben vom General Ga-
rodschinsky; ich ließ antreten, jetzt waren es wohl 20 Schützen und 40
mit Knütteln u. s. w. Ich formirte dre, Züge, den Schützenzug nahm ich
vor, ich aber marschirte rechts seitwärts vor dem Zuge, mein lautschallendes
Kommando kam aus muthiger Brust, die Leute folgten mir mit festem Schritt.
An der Marktccke stand ein Doppelposten von Sensenmännern, sie waren wie
versteinert. Ich commandirte ruhig: Rechts! Schwenkt! Marsch! und dabei
gab ich dem Posten eine Ohrfeige, daß er sammt seinem klirrenden Spieß
über den Eckstein auf das Pflaster fiel. Ich formirte die Front, ging im
Sturmschritt vor und überrumpelte den Feind, der nicht Zeit gewann, sich
auf dem Markt zu ordnen. Vier Schüsse wurden aus den Fenstern auf uns gerich¬
tet, alle fehlten, wir riefen Hurrah! und die Insurgenten flohen in wilder Flucht
und warfen die Waffen fort; einige erhielten noch tüchtige Hiebe. In diesem
Gemenge schoß ein Schmidt, dem ich immer Gutes gethan, auf zwei Schritte
nach mir; der Schuß ging mir an Schulter und Kopf vorbei, ich erkannte
das blasse zitternde Gesicht und wandte mich ab mit der Frage: Wer hat
hier geschossen? Sonst hätten ihn meine Leute zerrissen.

Gleich darauf hörte ich Pferdegctrcippel und glaubte schon, es wären die
Polnischen Edelleute mitneuem Zuzüge, da erkannte ich die Stimme meines Inspec-
tors von dem Vorwerke. desHennv. Kleist. Er hatteAlles zu Pferde gesetzt und kam
ander Spitze von 40 Reitern die Straße nach dem Markt mit dem Ruf: Dalli
elopees (Vorwärts. Ihr Jungen) in hausender Carriere heran. Alles vor
sich niederwerfend. Ich wollte gerade das Haus stürmen, in welchem die
polnische Generalität sich verrammelt hatte, indeß war auch schon Kleist vom
PWde gesprungen und warf sich mit herrlicher Kraft gegen die Thür. Sie
sprang auf. und jetzt begann ein neuer Kampf auf dem dunklen Flur. Einige
Schüsse sielen, ohne zu verwunden, nur einige schlimme Säbelhiebe kamen vor.
Ein Herr v. Wclowaski hatte mir von hinten Eins mit dem Säbel zugedacht,
aber einer meiner Bravsten, der Tischler Hampel, sing den Säbel mit der
offnen Hand ab. drehte ihn dem Burschen aus der Hand und schlug ihm mit
dem Gefäß den Kopf braun und blau. Es waren acht Personen, die wir
hier festnahmen. Immer noch fehlte mir der General. Nach langem Suchen
fanden wir ihn in einem geheimen Versteck, das nicht sehr ehrenvoll war. Durch
viele schlechte Witze wurde ihm das Leben gerettet. Unter den Gefangenen


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Alles mit Sensen. Gabeln und Aexten bewaffnet, viele >auch mit Flinten.
Ans der Stadt waren zwölf mit Büchsen gekommen. Es war eine kleine
Schaar. aber ich fühlte mich muthig. Eben hatte ich meine Truppe geord-
net. als ein Abgesandter aus der Stadt mit Fricdensanträgen vom polnischen
General eintraf; ich aber ließ ihm zurück sagen, er möge sich sofort mit seiner
Mannschaft aus der Stadt machen, sonst würde ich angreifen. Hierauf er¬
hielt ich eine fürchterliche Kriegserklärung, unterschrieben vom General Ga-
rodschinsky; ich ließ antreten, jetzt waren es wohl 20 Schützen und 40
mit Knütteln u. s. w. Ich formirte dre, Züge, den Schützenzug nahm ich
vor, ich aber marschirte rechts seitwärts vor dem Zuge, mein lautschallendes
Kommando kam aus muthiger Brust, die Leute folgten mir mit festem Schritt.
An der Marktccke stand ein Doppelposten von Sensenmännern, sie waren wie
versteinert. Ich commandirte ruhig: Rechts! Schwenkt! Marsch! und dabei
gab ich dem Posten eine Ohrfeige, daß er sammt seinem klirrenden Spieß
über den Eckstein auf das Pflaster fiel. Ich formirte die Front, ging im
Sturmschritt vor und überrumpelte den Feind, der nicht Zeit gewann, sich
auf dem Markt zu ordnen. Vier Schüsse wurden aus den Fenstern auf uns gerich¬
tet, alle fehlten, wir riefen Hurrah! und die Insurgenten flohen in wilder Flucht
und warfen die Waffen fort; einige erhielten noch tüchtige Hiebe. In diesem
Gemenge schoß ein Schmidt, dem ich immer Gutes gethan, auf zwei Schritte
nach mir; der Schuß ging mir an Schulter und Kopf vorbei, ich erkannte
das blasse zitternde Gesicht und wandte mich ab mit der Frage: Wer hat
hier geschossen? Sonst hätten ihn meine Leute zerrissen.

Gleich darauf hörte ich Pferdegctrcippel und glaubte schon, es wären die
Polnischen Edelleute mitneuem Zuzüge, da erkannte ich die Stimme meines Inspec-
tors von dem Vorwerke. desHennv. Kleist. Er hatteAlles zu Pferde gesetzt und kam
ander Spitze von 40 Reitern die Straße nach dem Markt mit dem Ruf: Dalli
elopees (Vorwärts. Ihr Jungen) in hausender Carriere heran. Alles vor
sich niederwerfend. Ich wollte gerade das Haus stürmen, in welchem die
polnische Generalität sich verrammelt hatte, indeß war auch schon Kleist vom
PWde gesprungen und warf sich mit herrlicher Kraft gegen die Thür. Sie
sprang auf. und jetzt begann ein neuer Kampf auf dem dunklen Flur. Einige
Schüsse sielen, ohne zu verwunden, nur einige schlimme Säbelhiebe kamen vor.
Ein Herr v. Wclowaski hatte mir von hinten Eins mit dem Säbel zugedacht,
aber einer meiner Bravsten, der Tischler Hampel, sing den Säbel mit der
offnen Hand ab. drehte ihn dem Burschen aus der Hand und schlug ihm mit
dem Gefäß den Kopf braun und blau. Es waren acht Personen, die wir
hier festnahmen. Immer noch fehlte mir der General. Nach langem Suchen
fanden wir ihn in einem geheimen Versteck, das nicht sehr ehrenvoll war. Durch
viele schlechte Witze wurde ihm das Leben gerettet. Unter den Gefangenen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/171>, abgerufen am 28.05.2024.