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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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Rächer. Kleine Abtheilungen, gemischte Commandos wurden formirt. So
zogen wir in die Umgegend. Die Cavallerie umschwärmte die Orte, besetzte
die Ein- und Ausgänge, die Infanterie durchsuchte die Häuser und hielt
Standrecht, das heißt, sie theilte viele Prügel aus. Ehe. die Herren von der
Negierung kamen, war die ganze polnische Bevölkerung der Umgegend nach
alter slavischer Weise über vielen Bünden Stroh durchgeprügelt. Die Pfaffen
bekamen allerdings die stärksten Schläge, weil die Ahnung allgemein war,
die Regierung würde sie zuletzt frei durchgehen lassen. Häufig wurde bei
dem abgehaltenen Kriegsgericht gegen sie auf Todtschießen erkannt und die
Elenden dann erst unter grimmigen Geberden auf Hiebe begnadigt. Dies
Mittel stellte die'Ruhe vollkommen her.

Ich hatte ausgewirkt, daß die halbe Schwadron und die beiden Com¬
pagnien als Besatzung hier blieben. So konnte ich Frau und Kinder zurück¬
kommen lassen. Das waren wieder einmal gute Tage. Schon vorher hatte
ich mehrmals deutsche Volksversammlungen abgehalten, ich hatte einen Ge¬
meinde- und einen Krcisansschuß gebildet, um fester" Halt in die Menge zu
bringen; das wurde jetzt fortgesetzt. In diesen Versammlungen trat ich
allerdings fest und schroff auf, einen Republikaner, der mir Unsinn machen
wollte, lies; ich zur Thür hinauswerfen. Von der Versammlung wurde mir
der Auftrag, nach Berlin zu reisen und den Anschluß an Westpreußen zu be¬
treiben. Mit einer Bedeckung von 20 Husaren fuhr ich ab.

Den Eindruck, den Berlin auf mich machte, werde ich nie vergessen; ich reiste trost¬
loser ab, als ich hingekommen war, nicht weil mir meine Bitten nicht gewährt waren,
ich hatte ja Versprechungen die Menge, sondern weil ich erst jetzt die ganze
Ohnmacht dort erkannte. Ich hielt es nicht lange dort aus, lieber wollte ich
kämpfend für die deutsche Sache fallen, als'dort in feiger Unthätigkeit unter
diesen Schwächlingen verfaulen. Als ich aus der Rückreise nach Grabowo
kam. fand ich bei Sänger Alles auf dem Kriegsfuß; ich blieb einige Stun¬
den bei ihm, er sollte nach Frankfurt ins Parlament. In dem Augenblick
waren ihm aber Mieroslawsky's Truppen näher, und Alles bei Sängers
dachte und rüstete nur gegen ihn. Ich wurde besorgt gemacht, wie ich nach
Bromberg herankonimen würde, da Mieroslawsky diesseits Bromberg die
Netze überschreiten und sich in das entmische Land werfen wollte; ich hörte,
daß es in Wreschen einer Abtheilung unserer Truppen schlecht ergangen sei.
so mußte ich Alles für Ser -- und mein Amt befürchten. Bei der Abreise
hatte ich meinen Leuten den Auftrag hinterlassen, wenn das Militair wieder
abzieht, könnt ihr euch zu Hause nicht hallen, rettet deshalb, was ihr könnt,
entweder nach Bromberg oder mit dem Militär; die nöthigsten Lebensmittel
schickt nach Bromberg. Als ich jetzt nach Bromberg kam. fand ich meine
Ahnung bestätigt. Auf der Straße sah ich meine Gespanne, die Wagen be-


Rächer. Kleine Abtheilungen, gemischte Commandos wurden formirt. So
zogen wir in die Umgegend. Die Cavallerie umschwärmte die Orte, besetzte
die Ein- und Ausgänge, die Infanterie durchsuchte die Häuser und hielt
Standrecht, das heißt, sie theilte viele Prügel aus. Ehe. die Herren von der
Negierung kamen, war die ganze polnische Bevölkerung der Umgegend nach
alter slavischer Weise über vielen Bünden Stroh durchgeprügelt. Die Pfaffen
bekamen allerdings die stärksten Schläge, weil die Ahnung allgemein war,
die Regierung würde sie zuletzt frei durchgehen lassen. Häufig wurde bei
dem abgehaltenen Kriegsgericht gegen sie auf Todtschießen erkannt und die
Elenden dann erst unter grimmigen Geberden auf Hiebe begnadigt. Dies
Mittel stellte die'Ruhe vollkommen her.

Ich hatte ausgewirkt, daß die halbe Schwadron und die beiden Com¬
pagnien als Besatzung hier blieben. So konnte ich Frau und Kinder zurück¬
kommen lassen. Das waren wieder einmal gute Tage. Schon vorher hatte
ich mehrmals deutsche Volksversammlungen abgehalten, ich hatte einen Ge¬
meinde- und einen Krcisansschuß gebildet, um fester» Halt in die Menge zu
bringen; das wurde jetzt fortgesetzt. In diesen Versammlungen trat ich
allerdings fest und schroff auf, einen Republikaner, der mir Unsinn machen
wollte, lies; ich zur Thür hinauswerfen. Von der Versammlung wurde mir
der Auftrag, nach Berlin zu reisen und den Anschluß an Westpreußen zu be¬
treiben. Mit einer Bedeckung von 20 Husaren fuhr ich ab.

Den Eindruck, den Berlin auf mich machte, werde ich nie vergessen; ich reiste trost¬
loser ab, als ich hingekommen war, nicht weil mir meine Bitten nicht gewährt waren,
ich hatte ja Versprechungen die Menge, sondern weil ich erst jetzt die ganze
Ohnmacht dort erkannte. Ich hielt es nicht lange dort aus, lieber wollte ich
kämpfend für die deutsche Sache fallen, als'dort in feiger Unthätigkeit unter
diesen Schwächlingen verfaulen. Als ich aus der Rückreise nach Grabowo
kam. fand ich bei Sänger Alles auf dem Kriegsfuß; ich blieb einige Stun¬
den bei ihm, er sollte nach Frankfurt ins Parlament. In dem Augenblick
waren ihm aber Mieroslawsky's Truppen näher, und Alles bei Sängers
dachte und rüstete nur gegen ihn. Ich wurde besorgt gemacht, wie ich nach
Bromberg herankonimen würde, da Mieroslawsky diesseits Bromberg die
Netze überschreiten und sich in das entmische Land werfen wollte; ich hörte,
daß es in Wreschen einer Abtheilung unserer Truppen schlecht ergangen sei.
so mußte ich Alles für Ser — und mein Amt befürchten. Bei der Abreise
hatte ich meinen Leuten den Auftrag hinterlassen, wenn das Militair wieder
abzieht, könnt ihr euch zu Hause nicht hallen, rettet deshalb, was ihr könnt,
entweder nach Bromberg oder mit dem Militär; die nöthigsten Lebensmittel
schickt nach Bromberg. Als ich jetzt nach Bromberg kam. fand ich meine
Ahnung bestätigt. Auf der Straße sah ich meine Gespanne, die Wagen be-


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[0182] Rächer. Kleine Abtheilungen, gemischte Commandos wurden formirt. So zogen wir in die Umgegend. Die Cavallerie umschwärmte die Orte, besetzte die Ein- und Ausgänge, die Infanterie durchsuchte die Häuser und hielt Standrecht, das heißt, sie theilte viele Prügel aus. Ehe. die Herren von der Negierung kamen, war die ganze polnische Bevölkerung der Umgegend nach alter slavischer Weise über vielen Bünden Stroh durchgeprügelt. Die Pfaffen bekamen allerdings die stärksten Schläge, weil die Ahnung allgemein war, die Regierung würde sie zuletzt frei durchgehen lassen. Häufig wurde bei dem abgehaltenen Kriegsgericht gegen sie auf Todtschießen erkannt und die Elenden dann erst unter grimmigen Geberden auf Hiebe begnadigt. Dies Mittel stellte die'Ruhe vollkommen her. Ich hatte ausgewirkt, daß die halbe Schwadron und die beiden Com¬ pagnien als Besatzung hier blieben. So konnte ich Frau und Kinder zurück¬ kommen lassen. Das waren wieder einmal gute Tage. Schon vorher hatte ich mehrmals deutsche Volksversammlungen abgehalten, ich hatte einen Ge¬ meinde- und einen Krcisansschuß gebildet, um fester» Halt in die Menge zu bringen; das wurde jetzt fortgesetzt. In diesen Versammlungen trat ich allerdings fest und schroff auf, einen Republikaner, der mir Unsinn machen wollte, lies; ich zur Thür hinauswerfen. Von der Versammlung wurde mir der Auftrag, nach Berlin zu reisen und den Anschluß an Westpreußen zu be¬ treiben. Mit einer Bedeckung von 20 Husaren fuhr ich ab. Den Eindruck, den Berlin auf mich machte, werde ich nie vergessen; ich reiste trost¬ loser ab, als ich hingekommen war, nicht weil mir meine Bitten nicht gewährt waren, ich hatte ja Versprechungen die Menge, sondern weil ich erst jetzt die ganze Ohnmacht dort erkannte. Ich hielt es nicht lange dort aus, lieber wollte ich kämpfend für die deutsche Sache fallen, als'dort in feiger Unthätigkeit unter diesen Schwächlingen verfaulen. Als ich aus der Rückreise nach Grabowo kam. fand ich bei Sänger Alles auf dem Kriegsfuß; ich blieb einige Stun¬ den bei ihm, er sollte nach Frankfurt ins Parlament. In dem Augenblick waren ihm aber Mieroslawsky's Truppen näher, und Alles bei Sängers dachte und rüstete nur gegen ihn. Ich wurde besorgt gemacht, wie ich nach Bromberg herankonimen würde, da Mieroslawsky diesseits Bromberg die Netze überschreiten und sich in das entmische Land werfen wollte; ich hörte, daß es in Wreschen einer Abtheilung unserer Truppen schlecht ergangen sei. so mußte ich Alles für Ser — und mein Amt befürchten. Bei der Abreise hatte ich meinen Leuten den Auftrag hinterlassen, wenn das Militair wieder abzieht, könnt ihr euch zu Hause nicht hallen, rettet deshalb, was ihr könnt, entweder nach Bromberg oder mit dem Militär; die nöthigsten Lebensmittel schickt nach Bromberg. Als ich jetzt nach Bromberg kam. fand ich meine Ahnung bestätigt. Auf der Straße sah ich meine Gespanne, die Wagen be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/182>, abgerufen am 28.05.2024.