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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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In dem Kriege zwischen jenen neuen Regierungen und Spanien erklärten
wir zugleich mit ihrer Anerkennung unsre Neutralität, und daran haben wir
festgehalten, vorausgesetzt, daß keine Aenderung eintritt, welche nach dem
Urtheil der kompetenten Behörden unseres Staates eine, entsprechende Aen¬
derung auf Seiten der Vereinigten Staaten für deren Sicherheit unumgäng¬
lich macht.

Die letzten Ereignisse in Spanien und Portugal zeigen, daß Europa noch
immer nicht zur Ruhe und Ordnung gekommen ist. Für diese wichtige That¬
sache kann kein stärkerer Beweis beigebracht werden, als daß die verbündeten
Mächte auf Grund eines ihnen genügend scheinenden Princips es passend ge¬
funden haben, sich mit Gewalt in die innern Angelegenheiten Spaniens zu
Mischen. Bis zu welcher Ausdehnung diese Einmischung auf dasselbe Princip
hin getrieben werden kann, ist eine Frage, bei welcher alle unabhängigen
Mächte, deren Regierungssystem von dem jener Mächte abweicht, interessirt
sind, und zwar selbst die entferntesten und sicherlich keine mehr als die Vereinigten
Staaten. Unsere Politik hinsichtlich Europas, welche in einem frühen Sta¬
dium der Kriege, die diesen Theil des Erdballs so lange aufgeregt haben,
angenommen wurde, bleibt demungeachtet dieselbe, das heißt, sie gebietet,
uns nicht in die innern Angelegenheiten einer von seinen Mächten zu mengen,
die Regierung als tanto als die gesetzliche Regierung für uns zu betrachten,
freundliche Beziehungen mit ihr zu unterhalten und diese Beziehungen durch eine
aufrichtige, feste uno- männliche Politik zu pflegen, die in allen Fällen
den gerechten Ansprüchen jeder Macht entgegenkommt, von keiner sich U"ge'
bührliches gefallen läßt. Aber in Hinsicht auf diesen Kontinent sind die
Umstände außerordentlich und augenscheinlich verschieden. Es ist unmöglich,
daß die verbündeten Mächte ihr politisches System auf irgend einen Theil
des diesseitigen Festlands ausdehnen, ohne unsere Ruhe und Wohlfahrt zu
gefährden, und Niemand kann glauben, daß unsere südlichen Brüder (in
Mexico, Central- und Südamerika), sich selbst überlassen, es von freien
Stücken adoptiren werden. Es ist folglich gleichermaßen unmöglich, daß wir
eine solche Einmischung, gleichviel in welcher Form sie auftrete, mit Gleich,
giltigteit ansehen würden. Wenn wir auf die vergleichsweise" Kräfte und
Mittel Spaniens und dieser neuen Regierungen und ihre Entfernung von
einander blicken, so muß es Jedem klar sein, daß jenes diese nie unterwerfen
kann. Es. ist aber dennoch die wahre Politik der Vereinigten Staaten, die
Parteien sich selbst zu überlassen, in der Hoffnung, daß andere Mächte den¬
selben Weg verfolgen werden."

In dieser etwas weitschweifigen Auseinandersetzung ist die in späterer
Zeit oft erwähnte Monroe-Doctrin zum ersten Mal deutlich ausgespro¬
chen. Sie sagt kurz gefaßt: Es existirt eine-Art Solidarität aller freien


In dem Kriege zwischen jenen neuen Regierungen und Spanien erklärten
wir zugleich mit ihrer Anerkennung unsre Neutralität, und daran haben wir
festgehalten, vorausgesetzt, daß keine Aenderung eintritt, welche nach dem
Urtheil der kompetenten Behörden unseres Staates eine, entsprechende Aen¬
derung auf Seiten der Vereinigten Staaten für deren Sicherheit unumgäng¬
lich macht.

Die letzten Ereignisse in Spanien und Portugal zeigen, daß Europa noch
immer nicht zur Ruhe und Ordnung gekommen ist. Für diese wichtige That¬
sache kann kein stärkerer Beweis beigebracht werden, als daß die verbündeten
Mächte auf Grund eines ihnen genügend scheinenden Princips es passend ge¬
funden haben, sich mit Gewalt in die innern Angelegenheiten Spaniens zu
Mischen. Bis zu welcher Ausdehnung diese Einmischung auf dasselbe Princip
hin getrieben werden kann, ist eine Frage, bei welcher alle unabhängigen
Mächte, deren Regierungssystem von dem jener Mächte abweicht, interessirt
sind, und zwar selbst die entferntesten und sicherlich keine mehr als die Vereinigten
Staaten. Unsere Politik hinsichtlich Europas, welche in einem frühen Sta¬
dium der Kriege, die diesen Theil des Erdballs so lange aufgeregt haben,
angenommen wurde, bleibt demungeachtet dieselbe, das heißt, sie gebietet,
uns nicht in die innern Angelegenheiten einer von seinen Mächten zu mengen,
die Regierung als tanto als die gesetzliche Regierung für uns zu betrachten,
freundliche Beziehungen mit ihr zu unterhalten und diese Beziehungen durch eine
aufrichtige, feste uno- männliche Politik zu pflegen, die in allen Fällen
den gerechten Ansprüchen jeder Macht entgegenkommt, von keiner sich U"ge'
bührliches gefallen läßt. Aber in Hinsicht auf diesen Kontinent sind die
Umstände außerordentlich und augenscheinlich verschieden. Es ist unmöglich,
daß die verbündeten Mächte ihr politisches System auf irgend einen Theil
des diesseitigen Festlands ausdehnen, ohne unsere Ruhe und Wohlfahrt zu
gefährden, und Niemand kann glauben, daß unsere südlichen Brüder (in
Mexico, Central- und Südamerika), sich selbst überlassen, es von freien
Stücken adoptiren werden. Es ist folglich gleichermaßen unmöglich, daß wir
eine solche Einmischung, gleichviel in welcher Form sie auftrete, mit Gleich,
giltigteit ansehen würden. Wenn wir auf die vergleichsweise» Kräfte und
Mittel Spaniens und dieser neuen Regierungen und ihre Entfernung von
einander blicken, so muß es Jedem klar sein, daß jenes diese nie unterwerfen
kann. Es. ist aber dennoch die wahre Politik der Vereinigten Staaten, die
Parteien sich selbst zu überlassen, in der Hoffnung, daß andere Mächte den¬
selben Weg verfolgen werden."

In dieser etwas weitschweifigen Auseinandersetzung ist die in späterer
Zeit oft erwähnte Monroe-Doctrin zum ersten Mal deutlich ausgespro¬
chen. Sie sagt kurz gefaßt: Es existirt eine-Art Solidarität aller freien


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[0186] In dem Kriege zwischen jenen neuen Regierungen und Spanien erklärten wir zugleich mit ihrer Anerkennung unsre Neutralität, und daran haben wir festgehalten, vorausgesetzt, daß keine Aenderung eintritt, welche nach dem Urtheil der kompetenten Behörden unseres Staates eine, entsprechende Aen¬ derung auf Seiten der Vereinigten Staaten für deren Sicherheit unumgäng¬ lich macht. Die letzten Ereignisse in Spanien und Portugal zeigen, daß Europa noch immer nicht zur Ruhe und Ordnung gekommen ist. Für diese wichtige That¬ sache kann kein stärkerer Beweis beigebracht werden, als daß die verbündeten Mächte auf Grund eines ihnen genügend scheinenden Princips es passend ge¬ funden haben, sich mit Gewalt in die innern Angelegenheiten Spaniens zu Mischen. Bis zu welcher Ausdehnung diese Einmischung auf dasselbe Princip hin getrieben werden kann, ist eine Frage, bei welcher alle unabhängigen Mächte, deren Regierungssystem von dem jener Mächte abweicht, interessirt sind, und zwar selbst die entferntesten und sicherlich keine mehr als die Vereinigten Staaten. Unsere Politik hinsichtlich Europas, welche in einem frühen Sta¬ dium der Kriege, die diesen Theil des Erdballs so lange aufgeregt haben, angenommen wurde, bleibt demungeachtet dieselbe, das heißt, sie gebietet, uns nicht in die innern Angelegenheiten einer von seinen Mächten zu mengen, die Regierung als tanto als die gesetzliche Regierung für uns zu betrachten, freundliche Beziehungen mit ihr zu unterhalten und diese Beziehungen durch eine aufrichtige, feste uno- männliche Politik zu pflegen, die in allen Fällen den gerechten Ansprüchen jeder Macht entgegenkommt, von keiner sich U"ge' bührliches gefallen läßt. Aber in Hinsicht auf diesen Kontinent sind die Umstände außerordentlich und augenscheinlich verschieden. Es ist unmöglich, daß die verbündeten Mächte ihr politisches System auf irgend einen Theil des diesseitigen Festlands ausdehnen, ohne unsere Ruhe und Wohlfahrt zu gefährden, und Niemand kann glauben, daß unsere südlichen Brüder (in Mexico, Central- und Südamerika), sich selbst überlassen, es von freien Stücken adoptiren werden. Es ist folglich gleichermaßen unmöglich, daß wir eine solche Einmischung, gleichviel in welcher Form sie auftrete, mit Gleich, giltigteit ansehen würden. Wenn wir auf die vergleichsweise» Kräfte und Mittel Spaniens und dieser neuen Regierungen und ihre Entfernung von einander blicken, so muß es Jedem klar sein, daß jenes diese nie unterwerfen kann. Es. ist aber dennoch die wahre Politik der Vereinigten Staaten, die Parteien sich selbst zu überlassen, in der Hoffnung, daß andere Mächte den¬ selben Weg verfolgen werden." In dieser etwas weitschweifigen Auseinandersetzung ist die in späterer Zeit oft erwähnte Monroe-Doctrin zum ersten Mal deutlich ausgespro¬ chen. Sie sagt kurz gefaßt: Es existirt eine-Art Solidarität aller freien

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/186>, abgerufen am 12.05.2024.