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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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und bewirken, daß sich auch dort die "Volksstimme" für die Rückkehr unter
das spanische Scepter ausspricht. Ein Zug nach der Hauptstadt und die Er¬
oberung derselben bietet unter solchen Umständen keine unüberwindlichen
Schwierigkeiten; war dies doch 1847 den A>ner>lauern möglich, die keine Par¬
tei im Lande und also ganz Mexico gegen sich hatten.

Das spanische Heer ferner hat sich in Marokko bewährt, Miramon und
seine Genossen können ihm in Betreff der in Betracht kommenden Verhält¬
nisse treffliche Führer und Berather sein. Das mexicanische Heer ist von einer
Beschaffenheit, die es sehr zweifelhaft erscheinen läßt, ob es guten europäische,,
Truppen erfolgreichem Widerstand leisten wird, als die Mauren Marokko's den
Spaniern bei Tetnan und auf dein Marsch nach Tanger.

Die Reiterei Mexico's ist sehr wenig werth. Ihre Pferde, von Natur
vortrefflich, befinden sich in der Regel in Folge schlechter Verpflegung und
AbWartung im kläglichsten Zustande, und die Leute, mit Lanzen bewaffnet,
taugen fast nur zu Patrouille" und Spähern. Wo sie eine Attacke wagten,
genügten gewöhnlich el" paar Kartätschenschüsse, sie in wilde Flucht zu jagen.
Die Infanterie ist nicht viel besser. Ihre Gewehre sind von alterthümlicher
Beschaffenheit, von Schuhwerk ist hei den wenigsten die Rede, ihre blaue
Uniform schillert in allen Farben, ihr größter Stolz sind ihre aus Europa
eingeführten Tschackos, eine in dem heißen Lande höchst unpassende Kopfbe¬
deckung. Meist aus den Leperos*) der Städte recrutirt und fast ohne Aus¬
nahme Indianer oder Mischlinge von solchen und Weißen, besitzen diese Sol¬
daten allerdings, wenn-sie eine Zeitlang gedient haben, ausgezeichnete Eigen¬
schaften. Sie ertragen Entbehrungen und Mühseligkeiten mit türkischer Ge¬
duld, marschiren durch Wüsten unter tropischer Sonne, in denen jede andere
Armee zu Grunde gehen würde, und legen einen Muth an den Tag, der, rich¬
tig benutzt, heroischer Thaten fähig ist. Allein ihre Verpflegung in den
Kasernen ist höchst mangelhaft und so leiden sie, wenn-Seuchen ausbrechen,
mehr wie andere Truppen. Die Hauptursache aber, daß sie nur gegen Ihres¬
gleichen etwas leisten, liegt in ihrer schlechten Bewaffnung. Die Regierung
bezieht die Waffen für die Armee fast nur durch ausländische Handelshäuser,
und diese verkaufen ihr für gutes Geld die schlechteste Waare, meist ausge¬
musterte englische und französische Musketen und dazu ein Pulver, welches,
da es mehr Kohle als Salpeter enthält, kaum hundert Schritt weit trägt
und beim Abfeuen, des Gewehrs einen starken Schlag verursacht. Die armen
Jnfanteristen wissen das so gut. daß sie beim Schießen statt die Flinte an¬
zulegen, das Gesicht wegwenden, um durch den Schlag des Kolbens nicht



') Eigentlich: Aussätzige, dann Lazzaroni, Pöbel.

und bewirken, daß sich auch dort die „Volksstimme" für die Rückkehr unter
das spanische Scepter ausspricht. Ein Zug nach der Hauptstadt und die Er¬
oberung derselben bietet unter solchen Umständen keine unüberwindlichen
Schwierigkeiten; war dies doch 1847 den A>ner>lauern möglich, die keine Par¬
tei im Lande und also ganz Mexico gegen sich hatten.

Das spanische Heer ferner hat sich in Marokko bewährt, Miramon und
seine Genossen können ihm in Betreff der in Betracht kommenden Verhält¬
nisse treffliche Führer und Berather sein. Das mexicanische Heer ist von einer
Beschaffenheit, die es sehr zweifelhaft erscheinen läßt, ob es guten europäische,,
Truppen erfolgreichem Widerstand leisten wird, als die Mauren Marokko's den
Spaniern bei Tetnan und auf dein Marsch nach Tanger.

Die Reiterei Mexico's ist sehr wenig werth. Ihre Pferde, von Natur
vortrefflich, befinden sich in der Regel in Folge schlechter Verpflegung und
AbWartung im kläglichsten Zustande, und die Leute, mit Lanzen bewaffnet,
taugen fast nur zu Patrouille» und Spähern. Wo sie eine Attacke wagten,
genügten gewöhnlich el» paar Kartätschenschüsse, sie in wilde Flucht zu jagen.
Die Infanterie ist nicht viel besser. Ihre Gewehre sind von alterthümlicher
Beschaffenheit, von Schuhwerk ist hei den wenigsten die Rede, ihre blaue
Uniform schillert in allen Farben, ihr größter Stolz sind ihre aus Europa
eingeführten Tschackos, eine in dem heißen Lande höchst unpassende Kopfbe¬
deckung. Meist aus den Leperos*) der Städte recrutirt und fast ohne Aus¬
nahme Indianer oder Mischlinge von solchen und Weißen, besitzen diese Sol¬
daten allerdings, wenn-sie eine Zeitlang gedient haben, ausgezeichnete Eigen¬
schaften. Sie ertragen Entbehrungen und Mühseligkeiten mit türkischer Ge¬
duld, marschiren durch Wüsten unter tropischer Sonne, in denen jede andere
Armee zu Grunde gehen würde, und legen einen Muth an den Tag, der, rich¬
tig benutzt, heroischer Thaten fähig ist. Allein ihre Verpflegung in den
Kasernen ist höchst mangelhaft und so leiden sie, wenn-Seuchen ausbrechen,
mehr wie andere Truppen. Die Hauptursache aber, daß sie nur gegen Ihres¬
gleichen etwas leisten, liegt in ihrer schlechten Bewaffnung. Die Regierung
bezieht die Waffen für die Armee fast nur durch ausländische Handelshäuser,
und diese verkaufen ihr für gutes Geld die schlechteste Waare, meist ausge¬
musterte englische und französische Musketen und dazu ein Pulver, welches,
da es mehr Kohle als Salpeter enthält, kaum hundert Schritt weit trägt
und beim Abfeuen, des Gewehrs einen starken Schlag verursacht. Die armen
Jnfanteristen wissen das so gut. daß sie beim Schießen statt die Flinte an¬
zulegen, das Gesicht wegwenden, um durch den Schlag des Kolbens nicht



') Eigentlich: Aussätzige, dann Lazzaroni, Pöbel.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/218>, abgerufen am 28.05.2024.