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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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Marine grade im jetzigen Augenblicke von höchst geringem Nutzen. Gezwungen
beim ersten Beginne des Krieges sich in die Knegshäfcn der istrianischen und
dalmatinischen Küste zurückzuziehen, würde die östreichische Marine die feind¬
liche nicht nur nicht zurückschlagen, sondern auch weder den östreichischen Seehandel
beschützen, noch selbst die eigenen Küsten vor einer Landung bewahren können.
Dagegen könnte allerdings die Flottille auf dem Po, den Landseen und be¬
sonders den Lagunen erhebliche Dienste leisten.

Was die Erhaltungskosten des Personals der östreichischen Marine an¬
belangt, so sind dieselben verhältnismäßig sehr bedeutend. Nicht nur ist die
Löhnung der Matrosen 'weit höher als jene der Landsoldaten und die Zahl
der Unteroffiziere viel größer, sondern es ist auch der Stand der Offiziere,
insbesondere aber der höhern Befehlshaber fast außer allem Verhältniß zu
der Zahl und Größe der vorhandenen Schiffe. Ein solch günstiges Avance¬
ment, wie es seit 13 Jahren in der östreichischen Marine stattgefunden hat.
dürfte wohl nicht leicht seines Gleichen finden. Leute, die 1848 als Cabeltau
eintraten, sind seitdem, ohne besondere Protection zu besitzen und ohne sich
etwa durch Tapferkeit oder Geschicklichkeit sehr ausgezeichnet zu haben, blos
in der gewöhnlichen Rangstour zu Fregattencapitänen (Oberstlieutenants)
avancirt! Freilich trugen hierzu nebst der fortwährenden Vermehrung der
Stellen die zahlreichen Besetzungen und P.'nsioninmgen bei. Aber da
letztere so leichthin und oft ungerechtfertigt erfolgten, wutden nicht nur viele
noch ganz brauchbare Männer dem Dienste entzogen, sondern auch der Staats¬
schatz um ein Bedeutendes belastet.

Ohne Küstenland ist keine Marine möglich, und der gesicherte Besitz des
ersteren wirkt wieder auf die Kraft und Lebensfähigkeit der letzteren zurück.
Denn sowie die Marine die Küsten und den Handel ihres Staates beschütze"
muß, so wird auch umgekehrt die Marine -- besonders bei einem unerwarte-
ten feindlichen Angriffe -- hinter den Befestigungen ihrer Küste Schutz suchen
und sich zur Ergreifung der Offensive vorbereiten und sammeln.- Auch müssen
die Arsenale und Werften der Flotte, sowie die Vorrathsspeicher des Handels,
der ja die Grundbedingung einer lebenskräftigen Marine ist, vor der Gewalt
des Gegners auch dann gesichert sein, wenn die eigene Seemacht zu schwach
oder an einem andern Punkte festgehalten ist. Und daher sind, wenn über
die Marine eines Staates ein umfassendes und eingehendes Urtheil gefüllt
werden soll, auch die Beschaffenheit der Küstenvertheidigung desselben und
überhaupt die Verhältnisse seiner Küstenprovinzen in Erwägung zu ziehen.

Die östreichischen Küstenprovinzen bestehen bekanntlich aus Venedig, den
Gebieten von Görz und Triest, Jstrien. dem ungarisch-kroatischen Littorale
und Dalmatien.

Die venetianische Küste bietet der geringen Tiefe des sie bespülenden


Marine grade im jetzigen Augenblicke von höchst geringem Nutzen. Gezwungen
beim ersten Beginne des Krieges sich in die Knegshäfcn der istrianischen und
dalmatinischen Küste zurückzuziehen, würde die östreichische Marine die feind¬
liche nicht nur nicht zurückschlagen, sondern auch weder den östreichischen Seehandel
beschützen, noch selbst die eigenen Küsten vor einer Landung bewahren können.
Dagegen könnte allerdings die Flottille auf dem Po, den Landseen und be¬
sonders den Lagunen erhebliche Dienste leisten.

Was die Erhaltungskosten des Personals der östreichischen Marine an¬
belangt, so sind dieselben verhältnismäßig sehr bedeutend. Nicht nur ist die
Löhnung der Matrosen 'weit höher als jene der Landsoldaten und die Zahl
der Unteroffiziere viel größer, sondern es ist auch der Stand der Offiziere,
insbesondere aber der höhern Befehlshaber fast außer allem Verhältniß zu
der Zahl und Größe der vorhandenen Schiffe. Ein solch günstiges Avance¬
ment, wie es seit 13 Jahren in der östreichischen Marine stattgefunden hat.
dürfte wohl nicht leicht seines Gleichen finden. Leute, die 1848 als Cabeltau
eintraten, sind seitdem, ohne besondere Protection zu besitzen und ohne sich
etwa durch Tapferkeit oder Geschicklichkeit sehr ausgezeichnet zu haben, blos
in der gewöhnlichen Rangstour zu Fregattencapitänen (Oberstlieutenants)
avancirt! Freilich trugen hierzu nebst der fortwährenden Vermehrung der
Stellen die zahlreichen Besetzungen und P.'nsioninmgen bei. Aber da
letztere so leichthin und oft ungerechtfertigt erfolgten, wutden nicht nur viele
noch ganz brauchbare Männer dem Dienste entzogen, sondern auch der Staats¬
schatz um ein Bedeutendes belastet.

Ohne Küstenland ist keine Marine möglich, und der gesicherte Besitz des
ersteren wirkt wieder auf die Kraft und Lebensfähigkeit der letzteren zurück.
Denn sowie die Marine die Küsten und den Handel ihres Staates beschütze»
muß, so wird auch umgekehrt die Marine — besonders bei einem unerwarte-
ten feindlichen Angriffe — hinter den Befestigungen ihrer Küste Schutz suchen
und sich zur Ergreifung der Offensive vorbereiten und sammeln.- Auch müssen
die Arsenale und Werften der Flotte, sowie die Vorrathsspeicher des Handels,
der ja die Grundbedingung einer lebenskräftigen Marine ist, vor der Gewalt
des Gegners auch dann gesichert sein, wenn die eigene Seemacht zu schwach
oder an einem andern Punkte festgehalten ist. Und daher sind, wenn über
die Marine eines Staates ein umfassendes und eingehendes Urtheil gefüllt
werden soll, auch die Beschaffenheit der Küstenvertheidigung desselben und
überhaupt die Verhältnisse seiner Küstenprovinzen in Erwägung zu ziehen.

Die östreichischen Küstenprovinzen bestehen bekanntlich aus Venedig, den
Gebieten von Görz und Triest, Jstrien. dem ungarisch-kroatischen Littorale
und Dalmatien.

Die venetianische Küste bietet der geringen Tiefe des sie bespülenden


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[0022] Marine grade im jetzigen Augenblicke von höchst geringem Nutzen. Gezwungen beim ersten Beginne des Krieges sich in die Knegshäfcn der istrianischen und dalmatinischen Küste zurückzuziehen, würde die östreichische Marine die feind¬ liche nicht nur nicht zurückschlagen, sondern auch weder den östreichischen Seehandel beschützen, noch selbst die eigenen Küsten vor einer Landung bewahren können. Dagegen könnte allerdings die Flottille auf dem Po, den Landseen und be¬ sonders den Lagunen erhebliche Dienste leisten. Was die Erhaltungskosten des Personals der östreichischen Marine an¬ belangt, so sind dieselben verhältnismäßig sehr bedeutend. Nicht nur ist die Löhnung der Matrosen 'weit höher als jene der Landsoldaten und die Zahl der Unteroffiziere viel größer, sondern es ist auch der Stand der Offiziere, insbesondere aber der höhern Befehlshaber fast außer allem Verhältniß zu der Zahl und Größe der vorhandenen Schiffe. Ein solch günstiges Avance¬ ment, wie es seit 13 Jahren in der östreichischen Marine stattgefunden hat. dürfte wohl nicht leicht seines Gleichen finden. Leute, die 1848 als Cabeltau eintraten, sind seitdem, ohne besondere Protection zu besitzen und ohne sich etwa durch Tapferkeit oder Geschicklichkeit sehr ausgezeichnet zu haben, blos in der gewöhnlichen Rangstour zu Fregattencapitänen (Oberstlieutenants) avancirt! Freilich trugen hierzu nebst der fortwährenden Vermehrung der Stellen die zahlreichen Besetzungen und P.'nsioninmgen bei. Aber da letztere so leichthin und oft ungerechtfertigt erfolgten, wutden nicht nur viele noch ganz brauchbare Männer dem Dienste entzogen, sondern auch der Staats¬ schatz um ein Bedeutendes belastet. Ohne Küstenland ist keine Marine möglich, und der gesicherte Besitz des ersteren wirkt wieder auf die Kraft und Lebensfähigkeit der letzteren zurück. Denn sowie die Marine die Küsten und den Handel ihres Staates beschütze» muß, so wird auch umgekehrt die Marine — besonders bei einem unerwarte- ten feindlichen Angriffe — hinter den Befestigungen ihrer Küste Schutz suchen und sich zur Ergreifung der Offensive vorbereiten und sammeln.- Auch müssen die Arsenale und Werften der Flotte, sowie die Vorrathsspeicher des Handels, der ja die Grundbedingung einer lebenskräftigen Marine ist, vor der Gewalt des Gegners auch dann gesichert sein, wenn die eigene Seemacht zu schwach oder an einem andern Punkte festgehalten ist. Und daher sind, wenn über die Marine eines Staates ein umfassendes und eingehendes Urtheil gefüllt werden soll, auch die Beschaffenheit der Küstenvertheidigung desselben und überhaupt die Verhältnisse seiner Küstenprovinzen in Erwägung zu ziehen. Die östreichischen Küstenprovinzen bestehen bekanntlich aus Venedig, den Gebieten von Görz und Triest, Jstrien. dem ungarisch-kroatischen Littorale und Dalmatien. Die venetianische Küste bietet der geringen Tiefe des sie bespülenden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/22>, abgerufen am 13.05.2024.