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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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unter der künftigen Behausung vorzubeugen. Die Ausdehnung und der Um¬
fang der einzelnen Pfahlbauansiedclungen richtete sich natürlich nach "der Be-
schaffenheit des Seebodens und nach der Zahl der Anbauen Das Pfahlwerk
bei Wangen am Untersee bildet ein längliches Biercck, mehr als 700 Schritt
lang und 1.20 Schritt breit; die Pfähle stehen meist ein bis mehrere Fuß
von einander entfernt und zwar so, daß auf dem Flächenraum einer Quadrat¬
ruthe mindestens 12, häufig auch 17 bis 21 Stück bei einander stehen. Die
Gesammtzahl der Pfähle dieses Unterbaus schlägt man zu 30 -- 40.000 an.
Uebrigens ist es mehr als wahlscheinlich, daß diese Wasscrdörfcr ursprünglich
kleiner angelegt waren, mit der Zeit aber und in Folge der zunehmenden Be¬
völkerung eine immer größere Ausdehnung und räumliche Erweiterung erhiel¬
ten, wenn nicht fortwährend Auswanderungen und neue Kolonien an andern
Stationen stattgefunden haben sollen. Dazu kommt, daß die Bodenbeschaffen¬
heit unter dem PaUisadcnbaue. vorzüglich aber die an einer und derselben
Stelle aufgehobenen, verschiedenen Cultnrpcrioden angehörigen Fuudgegcnstände
gleichfalls für eine lauge Dauer ihres Bestehens Zeugniß ablegen.

Untersuchen wir deu Seeboden, so zeigt dieser gewöhnlich drei wohtge-
sonderte. horizontal über einander lagernde Schichte" von verschiedener Stärke
und Mächtigkeit. Die oberste und die "Meiste Schicht besteht aus dem gewöhn¬
lichen schwach gefärbten sandigen Letten, den das Wasser in ruhigen Buchten
abzusehen pflegt; beide werden blos von den Pfählen, deren Spitzen in der
untersten Schicht stecken, durchstochen. Die mittlere Schicht dagegen besteht
zwär auch aus sandigem Letten, ist aber durch die darin erfolgte Verwesung
einer großen Menge organischer Stoffe ganz schwarz gefärbt und zeichnet sich
insbesondere durch die darin begrabenen Alterthumsgegenstände und verschie¬
denartigsten Ueberreste eines früheren Culturlebens aus. Sie heißt die Cul¬
turschicht und hat sich offenbar nur in und während der Zeit der Bevöl¬
kerung dicker Seedörfer niedergeschlagen und die Abfälle aller Art in sich auf¬
genommen. Die darüber gelegene Schicht ist erst nach der Zerstörung ent¬
standen, wo Schlamm und Sand sich wieder ungestört ablagern konnten.
Aus der geologischen Beschaffenheit der Culturschichte, und den darin be¬
wahrten Gerätschaften hat sachkundige Beobachtung bei mehreren Kolonien
sowohl den sehr alten, vorgeschichtlichen Anfang als auch die nicht kurze Dauer
ihres Bestehens mit Bestimmtheit erkannt. Für das Alter der Pfahlbauten
im Pfäffikvner See bilden die Schichten des Torflagers das Geschichtsbuch, in
dem sich die Dauer dieser Wohnstätten nachschlagen läßt. "Nehmen wir an."
sagt ein Berichterstatter, "daß zum Entstehen einer fuhdicken Torfschicht ein
Jahrhundert erforderlich ist. so muß dieser Pfahlbau wenigstens dreihundert
Jahre be)padre gewesen sein. Wir fanden nämlich 3 Fuß unter der Ober¬
fläche des Torflagers die ersten Gegenstände, welche Bearbeitung durch Mer-


unter der künftigen Behausung vorzubeugen. Die Ausdehnung und der Um¬
fang der einzelnen Pfahlbauansiedclungen richtete sich natürlich nach »der Be-
schaffenheit des Seebodens und nach der Zahl der Anbauen Das Pfahlwerk
bei Wangen am Untersee bildet ein längliches Biercck, mehr als 700 Schritt
lang und 1.20 Schritt breit; die Pfähle stehen meist ein bis mehrere Fuß
von einander entfernt und zwar so, daß auf dem Flächenraum einer Quadrat¬
ruthe mindestens 12, häufig auch 17 bis 21 Stück bei einander stehen. Die
Gesammtzahl der Pfähle dieses Unterbaus schlägt man zu 30 — 40.000 an.
Uebrigens ist es mehr als wahlscheinlich, daß diese Wasscrdörfcr ursprünglich
kleiner angelegt waren, mit der Zeit aber und in Folge der zunehmenden Be¬
völkerung eine immer größere Ausdehnung und räumliche Erweiterung erhiel¬
ten, wenn nicht fortwährend Auswanderungen und neue Kolonien an andern
Stationen stattgefunden haben sollen. Dazu kommt, daß die Bodenbeschaffen¬
heit unter dem PaUisadcnbaue. vorzüglich aber die an einer und derselben
Stelle aufgehobenen, verschiedenen Cultnrpcrioden angehörigen Fuudgegcnstände
gleichfalls für eine lauge Dauer ihres Bestehens Zeugniß ablegen.

Untersuchen wir deu Seeboden, so zeigt dieser gewöhnlich drei wohtge-
sonderte. horizontal über einander lagernde Schichte» von verschiedener Stärke
und Mächtigkeit. Die oberste und die »Meiste Schicht besteht aus dem gewöhn¬
lichen schwach gefärbten sandigen Letten, den das Wasser in ruhigen Buchten
abzusehen pflegt; beide werden blos von den Pfählen, deren Spitzen in der
untersten Schicht stecken, durchstochen. Die mittlere Schicht dagegen besteht
zwär auch aus sandigem Letten, ist aber durch die darin erfolgte Verwesung
einer großen Menge organischer Stoffe ganz schwarz gefärbt und zeichnet sich
insbesondere durch die darin begrabenen Alterthumsgegenstände und verschie¬
denartigsten Ueberreste eines früheren Culturlebens aus. Sie heißt die Cul¬
turschicht und hat sich offenbar nur in und während der Zeit der Bevöl¬
kerung dicker Seedörfer niedergeschlagen und die Abfälle aller Art in sich auf¬
genommen. Die darüber gelegene Schicht ist erst nach der Zerstörung ent¬
standen, wo Schlamm und Sand sich wieder ungestört ablagern konnten.
Aus der geologischen Beschaffenheit der Culturschichte, und den darin be¬
wahrten Gerätschaften hat sachkundige Beobachtung bei mehreren Kolonien
sowohl den sehr alten, vorgeschichtlichen Anfang als auch die nicht kurze Dauer
ihres Bestehens mit Bestimmtheit erkannt. Für das Alter der Pfahlbauten
im Pfäffikvner See bilden die Schichten des Torflagers das Geschichtsbuch, in
dem sich die Dauer dieser Wohnstätten nachschlagen läßt. „Nehmen wir an."
sagt ein Berichterstatter, „daß zum Entstehen einer fuhdicken Torfschicht ein
Jahrhundert erforderlich ist. so muß dieser Pfahlbau wenigstens dreihundert
Jahre be)padre gewesen sein. Wir fanden nämlich 3 Fuß unter der Ober¬
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[0228] unter der künftigen Behausung vorzubeugen. Die Ausdehnung und der Um¬ fang der einzelnen Pfahlbauansiedclungen richtete sich natürlich nach »der Be- schaffenheit des Seebodens und nach der Zahl der Anbauen Das Pfahlwerk bei Wangen am Untersee bildet ein längliches Biercck, mehr als 700 Schritt lang und 1.20 Schritt breit; die Pfähle stehen meist ein bis mehrere Fuß von einander entfernt und zwar so, daß auf dem Flächenraum einer Quadrat¬ ruthe mindestens 12, häufig auch 17 bis 21 Stück bei einander stehen. Die Gesammtzahl der Pfähle dieses Unterbaus schlägt man zu 30 — 40.000 an. Uebrigens ist es mehr als wahlscheinlich, daß diese Wasscrdörfcr ursprünglich kleiner angelegt waren, mit der Zeit aber und in Folge der zunehmenden Be¬ völkerung eine immer größere Ausdehnung und räumliche Erweiterung erhiel¬ ten, wenn nicht fortwährend Auswanderungen und neue Kolonien an andern Stationen stattgefunden haben sollen. Dazu kommt, daß die Bodenbeschaffen¬ heit unter dem PaUisadcnbaue. vorzüglich aber die an einer und derselben Stelle aufgehobenen, verschiedenen Cultnrpcrioden angehörigen Fuudgegcnstände gleichfalls für eine lauge Dauer ihres Bestehens Zeugniß ablegen. Untersuchen wir deu Seeboden, so zeigt dieser gewöhnlich drei wohtge- sonderte. horizontal über einander lagernde Schichte» von verschiedener Stärke und Mächtigkeit. Die oberste und die »Meiste Schicht besteht aus dem gewöhn¬ lichen schwach gefärbten sandigen Letten, den das Wasser in ruhigen Buchten abzusehen pflegt; beide werden blos von den Pfählen, deren Spitzen in der untersten Schicht stecken, durchstochen. Die mittlere Schicht dagegen besteht zwär auch aus sandigem Letten, ist aber durch die darin erfolgte Verwesung einer großen Menge organischer Stoffe ganz schwarz gefärbt und zeichnet sich insbesondere durch die darin begrabenen Alterthumsgegenstände und verschie¬ denartigsten Ueberreste eines früheren Culturlebens aus. Sie heißt die Cul¬ turschicht und hat sich offenbar nur in und während der Zeit der Bevöl¬ kerung dicker Seedörfer niedergeschlagen und die Abfälle aller Art in sich auf¬ genommen. Die darüber gelegene Schicht ist erst nach der Zerstörung ent¬ standen, wo Schlamm und Sand sich wieder ungestört ablagern konnten. Aus der geologischen Beschaffenheit der Culturschichte, und den darin be¬ wahrten Gerätschaften hat sachkundige Beobachtung bei mehreren Kolonien sowohl den sehr alten, vorgeschichtlichen Anfang als auch die nicht kurze Dauer ihres Bestehens mit Bestimmtheit erkannt. Für das Alter der Pfahlbauten im Pfäffikvner See bilden die Schichten des Torflagers das Geschichtsbuch, in dem sich die Dauer dieser Wohnstätten nachschlagen läßt. „Nehmen wir an." sagt ein Berichterstatter, „daß zum Entstehen einer fuhdicken Torfschicht ein Jahrhundert erforderlich ist. so muß dieser Pfahlbau wenigstens dreihundert Jahre be)padre gewesen sein. Wir fanden nämlich 3 Fuß unter der Ober¬ fläche des Torflagers die ersten Gegenstände, welche Bearbeitung durch Mer-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/228>, abgerufen am 23.05.2024.