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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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aus der Tiefe heraufgeholt. Er hat, von dem umgebenden Schlamme gerei¬
nigt, eine glänzend schwarze Farbe. Ueber die Behandlung und Verwendung
der Getreidekörner belehren uns die Reih- und Mahlsteine, die sogenannten
Kornquetschen, runde, auf einer Seite platt geklopfte Steine, die fast in
allen Wasscrdörfern in großer Zahl vorhanden sind; ferner das verkohlt ge¬
fundene Brot") und der in beuchten Töpfen noch hängende angebrannte
Körnerbrei. Und um den Speisezettel zu vervollständigen, so mögen die
Früchte wildwachsender Bäume und Sträucher, der Holzapfel und die Holz¬
birne, die Schiebe und Haselnuß, besonders aber die Himbeere und Brom¬
beere hier nicht unerwähnt blechen. Die Kerne dieser Früchte, gedörrte und
gcviertheilte Aepfel und Birnen, Schaalenhaufeu von Buch- und Haselnüssen
hat man an vielen Stellen in großer Menge aus der Culturschicht gegraben.
Es bestand also die Nahrung dieser Leute aus Gctreidekost, Obst und Wald¬
früchten, aus dem Fleische der Fische, des Wildes und der Hausthiere. Bon
den letzten, wurde natürlich auch die Milch benutzt. "Der aus der Milch be¬
reitete Zieger wurde wahrscheinlich in Töpfen im Rauchfange aufbewahrt.
Man findet nämlich nicht feiten Töpfe, welche mit ganzen Reihen von Löchern
bis gegen den Grund hinab versehen sind, daher sie nicht zur Aufbewahrung
von Flüssigkeiten dienen konnten, wol aber mußten sich diese zur Aufbewah¬
rung des Ziegers sehr gut eignen, indem die Molken durch die Löcher ab-
tropfen konnten." Neben den Cerealien wurde auch Flachs gezogen, dessen
Pflege und Zubereitung wieder andere Kenntnisse erfordert. Zeugen dieser
Cultur und Industrie sind Flachsüberreste, theils im rohen und unverarbei¬
teten Zustande, in Stengeln mit gut erhaltenen Samenkapseln oder in
sauber zusammengelegten Büscheln, theils zu Faden mit der Spindel ge¬
sponnen, sowie Trümmer und Stücke von allerlei Geflechten, von Mat¬
ten, Decken, Stricken und Schnüren; ja neuerdings scheint sogar eine
Art Weberei in aufgefundenen Zeugstücken und Geweben nachgewiesen
zu sein.



Ueber das Brot der Pfahlbauten spricht sich ein vorliegender Bericht also aus: "So
ähnlich dasselbe schon beim ersten Anblick verkohlten Brote steht, könnten doch gegen die Richtig,
keit dieser Deutung mannigfache Zweifel sich erheben; diese werden aber beseitigt durch die
Wahrnehmung, daß beim Zerbrechen des Brotes deutliche Reste der Kleie, ja noch zum Theil
wohlerhaltene Weizenkörner zum Vorschein kommen. Wir sehen daraus zugleich, daß die
Kleie nicht gesondert und die Körner sehr unvollständig zermalmt wurden. Die ganze zer¬
quetschte Masse wurde wahrscheinlich zu einem Teige angemacht und zwischen heißen Steinen
gebacken. Nach der Rinde zu schließen, war das Brot wahrscheinlich niedrig und tellerförmig;
es hat ganz kleine dicht beisammen stehende Poren, viel.kleiner als unser Weizenbrod, und
erinnert so mehr an Roggenbrod; allein Roggen ist noch nicht in den Pfahlbauten gefunden
worden, und die im Brot liegenden Körner weisen auf den Weizen und zeigen, daß man da¬
mals das Brot noch nicht zu treiben verstanden hat."

aus der Tiefe heraufgeholt. Er hat, von dem umgebenden Schlamme gerei¬
nigt, eine glänzend schwarze Farbe. Ueber die Behandlung und Verwendung
der Getreidekörner belehren uns die Reih- und Mahlsteine, die sogenannten
Kornquetschen, runde, auf einer Seite platt geklopfte Steine, die fast in
allen Wasscrdörfern in großer Zahl vorhanden sind; ferner das verkohlt ge¬
fundene Brot") und der in beuchten Töpfen noch hängende angebrannte
Körnerbrei. Und um den Speisezettel zu vervollständigen, so mögen die
Früchte wildwachsender Bäume und Sträucher, der Holzapfel und die Holz¬
birne, die Schiebe und Haselnuß, besonders aber die Himbeere und Brom¬
beere hier nicht unerwähnt blechen. Die Kerne dieser Früchte, gedörrte und
gcviertheilte Aepfel und Birnen, Schaalenhaufeu von Buch- und Haselnüssen
hat man an vielen Stellen in großer Menge aus der Culturschicht gegraben.
Es bestand also die Nahrung dieser Leute aus Gctreidekost, Obst und Wald¬
früchten, aus dem Fleische der Fische, des Wildes und der Hausthiere. Bon
den letzten, wurde natürlich auch die Milch benutzt. „Der aus der Milch be¬
reitete Zieger wurde wahrscheinlich in Töpfen im Rauchfange aufbewahrt.
Man findet nämlich nicht feiten Töpfe, welche mit ganzen Reihen von Löchern
bis gegen den Grund hinab versehen sind, daher sie nicht zur Aufbewahrung
von Flüssigkeiten dienen konnten, wol aber mußten sich diese zur Aufbewah¬
rung des Ziegers sehr gut eignen, indem die Molken durch die Löcher ab-
tropfen konnten." Neben den Cerealien wurde auch Flachs gezogen, dessen
Pflege und Zubereitung wieder andere Kenntnisse erfordert. Zeugen dieser
Cultur und Industrie sind Flachsüberreste, theils im rohen und unverarbei¬
teten Zustande, in Stengeln mit gut erhaltenen Samenkapseln oder in
sauber zusammengelegten Büscheln, theils zu Faden mit der Spindel ge¬
sponnen, sowie Trümmer und Stücke von allerlei Geflechten, von Mat¬
ten, Decken, Stricken und Schnüren; ja neuerdings scheint sogar eine
Art Weberei in aufgefundenen Zeugstücken und Geweben nachgewiesen
zu sein.



Ueber das Brot der Pfahlbauten spricht sich ein vorliegender Bericht also aus: „So
ähnlich dasselbe schon beim ersten Anblick verkohlten Brote steht, könnten doch gegen die Richtig,
keit dieser Deutung mannigfache Zweifel sich erheben; diese werden aber beseitigt durch die
Wahrnehmung, daß beim Zerbrechen des Brotes deutliche Reste der Kleie, ja noch zum Theil
wohlerhaltene Weizenkörner zum Vorschein kommen. Wir sehen daraus zugleich, daß die
Kleie nicht gesondert und die Körner sehr unvollständig zermalmt wurden. Die ganze zer¬
quetschte Masse wurde wahrscheinlich zu einem Teige angemacht und zwischen heißen Steinen
gebacken. Nach der Rinde zu schließen, war das Brot wahrscheinlich niedrig und tellerförmig;
es hat ganz kleine dicht beisammen stehende Poren, viel.kleiner als unser Weizenbrod, und
erinnert so mehr an Roggenbrod; allein Roggen ist noch nicht in den Pfahlbauten gefunden
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mals das Brot noch nicht zu treiben verstanden hat."
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/234>, abgerufen am 28.05.2024.