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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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durch Religiosiität und Beutelust verklärt wurde, sondern welches ihnen sogar
als ein zweites Heimathland erschien, in welchem ihre edelsten Helden, die be¬
rühmtesten Geschlechter gesiegt und geherrscht, das Leben genossen hatten und
untergegangen waren.

Schon zur Zelt des Augustus und seines Hauses muß der Zug nach
Italien in den Deutschen sehr stark gearbeitet haben. Alles Neue, Seltsame,
Kunstvolle, Luxus und Reichthum kam von dort in die deutschen Dörfer;
wen unruhiger Sinn oder Händel zu Hause nicht gedeihen ließen, der schlug
sich über die Alpen. Deutsche Fürsten bezogen von dort ihre Pensionen, welche
ihnen erlaubten, großes Gefolge zu hallen, besiegte Häuptlinge deutscher
Stämme verzehrten dort in Provinzialstädten ihre Gefangnenkost. Schon
unter Tiber gab es schwerlich einen deutschen Stamm, ja kaum einen Ort,
der nicht einzelne Fürsten oder Edle, Krieger oder Knaben in Italien hatte, als
Pensionäre, Geiseln, Gefangene oder Söldner der Römer.

Freilich waren Jahrhunderte nöthig, die Germanen mit dem italienischen
Leben fest zu verbinden. Die Leibwache des Augustus und seiner Nachfolger
bestand aus Deutschen, welche eine ähnliche bevorzugte Stellung unter den
Truppen einnahmen, wie bis jejzt die Schweizer im päpstlichen Rom; zu den
niedrigen Aemtern, welche großes persönliches Vertrauen erheischten, wurden
wohl schon damals freigelassene Deutsche gewählt; in den Legionen wurde
das deutsche Wesen immer zahlreicher, auch kriegsgefangene Sclaven müssen
einiges Germanenblut in das Volt und die römischen Familien gebracht
haben. Aber wie stark das Eindringen des deutschen Elementes in das ita¬
lienische Leben war, durch mehre Jahrhunderte nahmen deutsche Söldner
und Beamte im Römerreich eine eigenthümliche reservirte Stellung ein. Selbst
bei der schnellen Barbarisirung des Reiches, welche seit Marc Aurel eintrat,
besetzten die Deutschen den römischen Kaiserstuhl noch nicht rin Edlen aus
ihren Geschlechtern. Während rohes JUyriervolk den kaiserlichen Purpur um
die mißgestalteten Glieder schlägt, stehen die Germanen dem innern Leben des
römischen Staates immer noch fern. Sie sind zur Zeit Diocletian's mäch¬
tige Soldtruppen, sie bilden zuweilen die stärkste Kraft des Heeres, sie
üben großen Einfluß auf Brauch und Sitte der Armee, ja sogar des
Hofes. Sie sitzen zahlreich und anspruchsvoll in Stadt und Land und
bringen in der Nähe der Kaiser ihre altheimischen Trinksprüche aus.
Ihr nationaler Geschmack hat eine große Bedeutung für den Getreidemarkt,
ja sogar für den Handel mit Gewändern und Stoffen erhalten, ihr schwarzes
Roggenbrod wird in Byzanz und an den Küsten Kleinasiens gebacken, West-
phälische Schinken -- sie kommen dnrch die Marser und Menapier in den
Großhandel werden von griechischen Handelsschiffen auf dem Mittelmeere
verfahren, -- ihre Pelzröcke und Mäntel haben sie auch in Griechenland nicht


durch Religiosiität und Beutelust verklärt wurde, sondern welches ihnen sogar
als ein zweites Heimathland erschien, in welchem ihre edelsten Helden, die be¬
rühmtesten Geschlechter gesiegt und geherrscht, das Leben genossen hatten und
untergegangen waren.

Schon zur Zelt des Augustus und seines Hauses muß der Zug nach
Italien in den Deutschen sehr stark gearbeitet haben. Alles Neue, Seltsame,
Kunstvolle, Luxus und Reichthum kam von dort in die deutschen Dörfer;
wen unruhiger Sinn oder Händel zu Hause nicht gedeihen ließen, der schlug
sich über die Alpen. Deutsche Fürsten bezogen von dort ihre Pensionen, welche
ihnen erlaubten, großes Gefolge zu hallen, besiegte Häuptlinge deutscher
Stämme verzehrten dort in Provinzialstädten ihre Gefangnenkost. Schon
unter Tiber gab es schwerlich einen deutschen Stamm, ja kaum einen Ort,
der nicht einzelne Fürsten oder Edle, Krieger oder Knaben in Italien hatte, als
Pensionäre, Geiseln, Gefangene oder Söldner der Römer.

Freilich waren Jahrhunderte nöthig, die Germanen mit dem italienischen
Leben fest zu verbinden. Die Leibwache des Augustus und seiner Nachfolger
bestand aus Deutschen, welche eine ähnliche bevorzugte Stellung unter den
Truppen einnahmen, wie bis jejzt die Schweizer im päpstlichen Rom; zu den
niedrigen Aemtern, welche großes persönliches Vertrauen erheischten, wurden
wohl schon damals freigelassene Deutsche gewählt; in den Legionen wurde
das deutsche Wesen immer zahlreicher, auch kriegsgefangene Sclaven müssen
einiges Germanenblut in das Volt und die römischen Familien gebracht
haben. Aber wie stark das Eindringen des deutschen Elementes in das ita¬
lienische Leben war, durch mehre Jahrhunderte nahmen deutsche Söldner
und Beamte im Römerreich eine eigenthümliche reservirte Stellung ein. Selbst
bei der schnellen Barbarisirung des Reiches, welche seit Marc Aurel eintrat,
besetzten die Deutschen den römischen Kaiserstuhl noch nicht rin Edlen aus
ihren Geschlechtern. Während rohes JUyriervolk den kaiserlichen Purpur um
die mißgestalteten Glieder schlägt, stehen die Germanen dem innern Leben des
römischen Staates immer noch fern. Sie sind zur Zeit Diocletian's mäch¬
tige Soldtruppen, sie bilden zuweilen die stärkste Kraft des Heeres, sie
üben großen Einfluß auf Brauch und Sitte der Armee, ja sogar des
Hofes. Sie sitzen zahlreich und anspruchsvoll in Stadt und Land und
bringen in der Nähe der Kaiser ihre altheimischen Trinksprüche aus.
Ihr nationaler Geschmack hat eine große Bedeutung für den Getreidemarkt,
ja sogar für den Handel mit Gewändern und Stoffen erhalten, ihr schwarzes
Roggenbrod wird in Byzanz und an den Küsten Kleinasiens gebacken, West-
phälische Schinken — sie kommen dnrch die Marser und Menapier in den
Großhandel werden von griechischen Handelsschiffen auf dem Mittelmeere
verfahren, — ihre Pelzröcke und Mäntel haben sie auch in Griechenland nicht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/240>, abgerufen am 28.05.2024.