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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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lichen Schaden thun ohne die mindeste Rücksicht, ob dadurch zugleich Unbe-
theiligte zu Schaden kamen. In Zukunft wird der Krieg vielleicht nur noch
ein Conflict zwischen den Heeren und Flotten der Parteien sein, der die In¬
teressen der Neutralen direct unberührt läßt. In den Kriegen der ersten bei¬
den Decennien dieses Jahrhunderts nahm England noch das Recht in An¬
spruch, feindliches Gut in neutralen Schiffen und neutrales Gut in feindlichen
Schiffen zu consisciren, britische Seeleute von fremden Fahrzellgen wegzuholen,
Pavicrblockaden zu verhängen und Kaper auszurüsten, feindliche Häfen zu ver¬
schütten und die Küsten der Gegner zu brandschatzen.*) Im letzten Pariser
Frieden wurden die meisten dieser angeblichen Befugnisse von England und
allen andern seefahrenden Nationen mir Ausnahme der Amerikaner aufgegeben.
Die neutrale Flagge deckt jetzt feindliches Gut, neutrales Gut geht im feind¬
lichen Kiel sicher vor Wegnahme über das Meer, Pavicrblockaden gelten für
nichtig und unverbindlich, und es wird keinem englischen Kreuzer mehr ein¬
fallen, englische Unterthanen auf Grund dessen, daß sie dem Matrosenpressen
unterworfen, von neutralen Schiffen wegzuschleppen. Keine europäische Macht
wird ferner Kaperschiffe ausstellen, alle mißbilligten sie (beiläufig ohne genügenden
Grund) die Verschüttung des Hafens von Charleston als einen Act der Barbarei.

Nur zwei Rechte Kriegführender, welche die Interessen Neutraler berüh¬
ren, sind noch erhalten: das Recht der Blockade und das Recht, alle nach
feindlichen Häfen bestimmten Schiffe nach Kriegscontrebande zu durchsuchen,
eventuell diese Contrebande wegzunehmen. Man darf sich der Hoffnung hin¬
geben, daß alle Seemächte sich über kurz oder lang vereinigen werden, das
zuletzt erwähnte Recht, als des Nisicos von Streit und Zerwürfniß nicht
werth, das es einschließt, ganz aufzugeben, und das andere dahin einzu¬
schränken, daß es nur für eine bestimmte Frist gilt. Ohne Zweifel ist das¬
selbe ein hochbedeutsames Recht, da eine Blockade oft ebenso nothwendig sein
kann wie die Belagerung und Absperrung crier Stadt. Aber ebenso klar er¬
scheint, daß man keinem Kriegführenden die Befugniß zugestehen darf, die Hä¬
fen des Gegners für alle Zeiten dem Verkehr mit andern Nationen zu ver¬
schließen, wo der Zutritt zu diesen Häfen von hoher Wichtigkeit für die ge-
sammte übrige Welt ist. Die Welt braucht, um ein paar schlagende Beispiele
anzuführen, Schwefel, und Schwefel wird vorzüglich von Sicilien geliefert,
sie braucht Quecksilber, und Quecksilber kommt in genügender Masse nur aus
Spanien, sie braucht gewisse Droguen für ihre Apotheken, die nur in ge¬
wissen südafrikanischen Ländern wachsen, die Welt braucht endlich Baum-
Wolle, und nie wird es gelingen, die "Orleans" (so heißt in der Marktsprache



*) Letzteres geschah noch im Jahre 1855 in einer von allen Nichtengländcrn verurtheilten
Weise an der finnischen Küste.

lichen Schaden thun ohne die mindeste Rücksicht, ob dadurch zugleich Unbe-
theiligte zu Schaden kamen. In Zukunft wird der Krieg vielleicht nur noch
ein Conflict zwischen den Heeren und Flotten der Parteien sein, der die In¬
teressen der Neutralen direct unberührt läßt. In den Kriegen der ersten bei¬
den Decennien dieses Jahrhunderts nahm England noch das Recht in An¬
spruch, feindliches Gut in neutralen Schiffen und neutrales Gut in feindlichen
Schiffen zu consisciren, britische Seeleute von fremden Fahrzellgen wegzuholen,
Pavicrblockaden zu verhängen und Kaper auszurüsten, feindliche Häfen zu ver¬
schütten und die Küsten der Gegner zu brandschatzen.*) Im letzten Pariser
Frieden wurden die meisten dieser angeblichen Befugnisse von England und
allen andern seefahrenden Nationen mir Ausnahme der Amerikaner aufgegeben.
Die neutrale Flagge deckt jetzt feindliches Gut, neutrales Gut geht im feind¬
lichen Kiel sicher vor Wegnahme über das Meer, Pavicrblockaden gelten für
nichtig und unverbindlich, und es wird keinem englischen Kreuzer mehr ein¬
fallen, englische Unterthanen auf Grund dessen, daß sie dem Matrosenpressen
unterworfen, von neutralen Schiffen wegzuschleppen. Keine europäische Macht
wird ferner Kaperschiffe ausstellen, alle mißbilligten sie (beiläufig ohne genügenden
Grund) die Verschüttung des Hafens von Charleston als einen Act der Barbarei.

Nur zwei Rechte Kriegführender, welche die Interessen Neutraler berüh¬
ren, sind noch erhalten: das Recht der Blockade und das Recht, alle nach
feindlichen Häfen bestimmten Schiffe nach Kriegscontrebande zu durchsuchen,
eventuell diese Contrebande wegzunehmen. Man darf sich der Hoffnung hin¬
geben, daß alle Seemächte sich über kurz oder lang vereinigen werden, das
zuletzt erwähnte Recht, als des Nisicos von Streit und Zerwürfniß nicht
werth, das es einschließt, ganz aufzugeben, und das andere dahin einzu¬
schränken, daß es nur für eine bestimmte Frist gilt. Ohne Zweifel ist das¬
selbe ein hochbedeutsames Recht, da eine Blockade oft ebenso nothwendig sein
kann wie die Belagerung und Absperrung crier Stadt. Aber ebenso klar er¬
scheint, daß man keinem Kriegführenden die Befugniß zugestehen darf, die Hä¬
fen des Gegners für alle Zeiten dem Verkehr mit andern Nationen zu ver¬
schließen, wo der Zutritt zu diesen Häfen von hoher Wichtigkeit für die ge-
sammte übrige Welt ist. Die Welt braucht, um ein paar schlagende Beispiele
anzuführen, Schwefel, und Schwefel wird vorzüglich von Sicilien geliefert,
sie braucht Quecksilber, und Quecksilber kommt in genügender Masse nur aus
Spanien, sie braucht gewisse Droguen für ihre Apotheken, die nur in ge¬
wissen südafrikanischen Ländern wachsen, die Welt braucht endlich Baum-
Wolle, und nie wird es gelingen, die „Orleans" (so heißt in der Marktsprache



*) Letzteres geschah noch im Jahre 1855 in einer von allen Nichtengländcrn verurtheilten
Weise an der finnischen Küste.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/250>, abgerufen am 14.05.2024.