Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

idesseitigen Bekenner der Freiheit, ein Gegengewicht und Schreckbild für dies¬
seitige despotische Gelüste am Horizont versinken zu sollen scheint. Er hat
endlich alle die für sich, welche die Sclaverei, wie sie in den sogenannten
Conföderirten Staaten besteht, für einen volkswirtschaftlichen Irrthum, einen
Schmutzfleck auf der Civilisation dieser Staaten, ein Hemmniß ihres Fort¬
schritts und eine Quelle der Demoralisation für die reichen, der Entwürdigung
für die ärmern weißen Bürger derselben halten. Wir theilen in gewissem
Grade jenen Schmerz, theilen diese Meinung von dem Wesen der Sclaverei
und deren nachtheiligen Wirkungen vollständig, und wir sind ebenso stark
als Mill von der Ueberzeugung durchdrungen, daß es hohe Zeit ist, diesem
Giftbaum die Axt an die Wurzel zu legen. Ueber das rechte Verfahren aber
sind wir durchaus andrer Meinung.

"Es gibt Leute", sagt Mill, "die uns versichern, daß sichs beim Norden
nicht im Mindesten um die Sclavereifrage handle. Der Norden sei bereit,
der Sclaverei neue Bürgschaften zu geben, auf Alles zu verzichten, wofür er
gestritten hat. und wenn die Gelegenheit sich bieten sollte, den Süden durch
Aufopferung des ganzen Streitpunkts der Union zurückzugewinnen. Nun ist
es allerdings wahr, daß der Norden nicht Krieg führt, um die Sclaverei in
den Staaten, wo sie gesetzlich besteht, abzuschaffen. Die republikanische Par¬
tei hat das Gesetz, hat die gegenwärtige Verfassung der Union zu ihrem
Rechtsboden genommen. Diese Verfassung verbietet ihr den Angriff auf die
Sclaverei in den Sclavenstaaten, gestattet ihr aber, dieselbe im Bezirk von
Columbia abzuschaffen, und dies thut sie jetzt; denn sie hat mitten in ihrer
jetzigen Geldklemme eine Million Dollars zur Entschädigung der Sclaven¬
halter dieses Districts bewilligt. Ebenso wenig verlangt die Verfassung von
ihr, daß sie die Einführung der Sclaverei in den Territorien, die noch nicht
Staaten sind, zulasse. Diese Einführung zu verhindern, hat sich die republi¬
kanische Partei gebildet, ist sie jetzt im Kampf begriffen, sowie die Sclaven-
Halter in Waffen stehen, um jene Einführung zu erzwingen. Obgleich nicht
abolitionistisch. gehört die jetzige Regierung der Union der Freibodcn-Partei
an, unh gegen die Ausbreitung der Sclaverei kämpfen, läuft auf dasselbe
hinaus, wie gegen den Bestand der Sclaverei kämpfen. Von dem Tage an.
wo die Sclaverei sich nicht mehr ausdehnen kann, ist ihr Schicksal besiegelt.
Die Sclavenhalter wissen dies., und es ist der Grund ihrer Wuth. Nach der
Meinung aller Urtheilsfähigen erhält sich die Sclaverei lediglich durch den
Baumwollenbau. dieser aber erschöpft in einer mäßigen Anzahl von Jahren
jeden Boden, für den er sich eignet, und kann nnr bestehen, wenn er immer
weiter nach Westen vordringt. Bleibt die Sclaverei auf ihren jetzigen Flächen¬
raum eingeengt, so werden die Sclavenhalter entweder rasch zu Grunde ge¬
hen, oder aus Mittel sinnen müssen, ihr Landbauwesen zu verbessern, was nur


idesseitigen Bekenner der Freiheit, ein Gegengewicht und Schreckbild für dies¬
seitige despotische Gelüste am Horizont versinken zu sollen scheint. Er hat
endlich alle die für sich, welche die Sclaverei, wie sie in den sogenannten
Conföderirten Staaten besteht, für einen volkswirtschaftlichen Irrthum, einen
Schmutzfleck auf der Civilisation dieser Staaten, ein Hemmniß ihres Fort¬
schritts und eine Quelle der Demoralisation für die reichen, der Entwürdigung
für die ärmern weißen Bürger derselben halten. Wir theilen in gewissem
Grade jenen Schmerz, theilen diese Meinung von dem Wesen der Sclaverei
und deren nachtheiligen Wirkungen vollständig, und wir sind ebenso stark
als Mill von der Ueberzeugung durchdrungen, daß es hohe Zeit ist, diesem
Giftbaum die Axt an die Wurzel zu legen. Ueber das rechte Verfahren aber
sind wir durchaus andrer Meinung.

„Es gibt Leute", sagt Mill, „die uns versichern, daß sichs beim Norden
nicht im Mindesten um die Sclavereifrage handle. Der Norden sei bereit,
der Sclaverei neue Bürgschaften zu geben, auf Alles zu verzichten, wofür er
gestritten hat. und wenn die Gelegenheit sich bieten sollte, den Süden durch
Aufopferung des ganzen Streitpunkts der Union zurückzugewinnen. Nun ist
es allerdings wahr, daß der Norden nicht Krieg führt, um die Sclaverei in
den Staaten, wo sie gesetzlich besteht, abzuschaffen. Die republikanische Par¬
tei hat das Gesetz, hat die gegenwärtige Verfassung der Union zu ihrem
Rechtsboden genommen. Diese Verfassung verbietet ihr den Angriff auf die
Sclaverei in den Sclavenstaaten, gestattet ihr aber, dieselbe im Bezirk von
Columbia abzuschaffen, und dies thut sie jetzt; denn sie hat mitten in ihrer
jetzigen Geldklemme eine Million Dollars zur Entschädigung der Sclaven¬
halter dieses Districts bewilligt. Ebenso wenig verlangt die Verfassung von
ihr, daß sie die Einführung der Sclaverei in den Territorien, die noch nicht
Staaten sind, zulasse. Diese Einführung zu verhindern, hat sich die republi¬
kanische Partei gebildet, ist sie jetzt im Kampf begriffen, sowie die Sclaven-
Halter in Waffen stehen, um jene Einführung zu erzwingen. Obgleich nicht
abolitionistisch. gehört die jetzige Regierung der Union der Freibodcn-Partei
an, unh gegen die Ausbreitung der Sclaverei kämpfen, läuft auf dasselbe
hinaus, wie gegen den Bestand der Sclaverei kämpfen. Von dem Tage an.
wo die Sclaverei sich nicht mehr ausdehnen kann, ist ihr Schicksal besiegelt.
Die Sclavenhalter wissen dies., und es ist der Grund ihrer Wuth. Nach der
Meinung aller Urtheilsfähigen erhält sich die Sclaverei lediglich durch den
Baumwollenbau. dieser aber erschöpft in einer mäßigen Anzahl von Jahren
jeden Boden, für den er sich eignet, und kann nnr bestehen, wenn er immer
weiter nach Westen vordringt. Bleibt die Sclaverei auf ihren jetzigen Flächen¬
raum eingeengt, so werden die Sclavenhalter entweder rasch zu Grunde ge¬
hen, oder aus Mittel sinnen müssen, ihr Landbauwesen zu verbessern, was nur


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0386" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113628"/>
          <p xml:id="ID_1182" prev="#ID_1181"> idesseitigen Bekenner der Freiheit, ein Gegengewicht und Schreckbild für dies¬<lb/>
seitige despotische Gelüste am Horizont versinken zu sollen scheint. Er hat<lb/>
endlich alle die für sich, welche die Sclaverei, wie sie in den sogenannten<lb/>
Conföderirten Staaten besteht, für einen volkswirtschaftlichen Irrthum, einen<lb/>
Schmutzfleck auf der Civilisation dieser Staaten, ein Hemmniß ihres Fort¬<lb/>
schritts und eine Quelle der Demoralisation für die reichen, der Entwürdigung<lb/>
für die ärmern weißen Bürger derselben halten. Wir theilen in gewissem<lb/>
Grade jenen Schmerz, theilen diese Meinung von dem Wesen der Sclaverei<lb/>
und deren nachtheiligen Wirkungen vollständig, und wir sind ebenso stark<lb/>
als Mill von der Ueberzeugung durchdrungen, daß es hohe Zeit ist, diesem<lb/>
Giftbaum die Axt an die Wurzel zu legen. Ueber das rechte Verfahren aber<lb/>
sind wir durchaus andrer Meinung.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1183" next="#ID_1184"> &#x201E;Es gibt Leute", sagt Mill, &#x201E;die uns versichern, daß sichs beim Norden<lb/>
nicht im Mindesten um die Sclavereifrage handle. Der Norden sei bereit,<lb/>
der Sclaverei neue Bürgschaften zu geben, auf Alles zu verzichten, wofür er<lb/>
gestritten hat. und wenn die Gelegenheit sich bieten sollte, den Süden durch<lb/>
Aufopferung des ganzen Streitpunkts der Union zurückzugewinnen. Nun ist<lb/>
es allerdings wahr, daß der Norden nicht Krieg führt, um die Sclaverei in<lb/>
den Staaten, wo sie gesetzlich besteht, abzuschaffen. Die republikanische Par¬<lb/>
tei hat das Gesetz, hat die gegenwärtige Verfassung der Union zu ihrem<lb/>
Rechtsboden genommen. Diese Verfassung verbietet ihr den Angriff auf die<lb/>
Sclaverei in den Sclavenstaaten, gestattet ihr aber, dieselbe im Bezirk von<lb/>
Columbia abzuschaffen, und dies thut sie jetzt; denn sie hat mitten in ihrer<lb/>
jetzigen Geldklemme eine Million Dollars zur Entschädigung der Sclaven¬<lb/>
halter dieses Districts bewilligt. Ebenso wenig verlangt die Verfassung von<lb/>
ihr, daß sie die Einführung der Sclaverei in den Territorien, die noch nicht<lb/>
Staaten sind, zulasse. Diese Einführung zu verhindern, hat sich die republi¬<lb/>
kanische Partei gebildet, ist sie jetzt im Kampf begriffen, sowie die Sclaven-<lb/>
Halter in Waffen stehen, um jene Einführung zu erzwingen. Obgleich nicht<lb/>
abolitionistisch. gehört die jetzige Regierung der Union der Freibodcn-Partei<lb/>
an, unh gegen die Ausbreitung der Sclaverei kämpfen, läuft auf dasselbe<lb/>
hinaus, wie gegen den Bestand der Sclaverei kämpfen. Von dem Tage an.<lb/>
wo die Sclaverei sich nicht mehr ausdehnen kann, ist ihr Schicksal besiegelt.<lb/>
Die Sclavenhalter wissen dies., und es ist der Grund ihrer Wuth. Nach der<lb/>
Meinung aller Urtheilsfähigen erhält sich die Sclaverei lediglich durch den<lb/>
Baumwollenbau. dieser aber erschöpft in einer mäßigen Anzahl von Jahren<lb/>
jeden Boden, für den er sich eignet, und kann nnr bestehen, wenn er immer<lb/>
weiter nach Westen vordringt. Bleibt die Sclaverei auf ihren jetzigen Flächen¬<lb/>
raum eingeengt, so werden die Sclavenhalter entweder rasch zu Grunde ge¬<lb/>
hen, oder aus Mittel sinnen müssen, ihr Landbauwesen zu verbessern, was nur</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0386] idesseitigen Bekenner der Freiheit, ein Gegengewicht und Schreckbild für dies¬ seitige despotische Gelüste am Horizont versinken zu sollen scheint. Er hat endlich alle die für sich, welche die Sclaverei, wie sie in den sogenannten Conföderirten Staaten besteht, für einen volkswirtschaftlichen Irrthum, einen Schmutzfleck auf der Civilisation dieser Staaten, ein Hemmniß ihres Fort¬ schritts und eine Quelle der Demoralisation für die reichen, der Entwürdigung für die ärmern weißen Bürger derselben halten. Wir theilen in gewissem Grade jenen Schmerz, theilen diese Meinung von dem Wesen der Sclaverei und deren nachtheiligen Wirkungen vollständig, und wir sind ebenso stark als Mill von der Ueberzeugung durchdrungen, daß es hohe Zeit ist, diesem Giftbaum die Axt an die Wurzel zu legen. Ueber das rechte Verfahren aber sind wir durchaus andrer Meinung. „Es gibt Leute", sagt Mill, „die uns versichern, daß sichs beim Norden nicht im Mindesten um die Sclavereifrage handle. Der Norden sei bereit, der Sclaverei neue Bürgschaften zu geben, auf Alles zu verzichten, wofür er gestritten hat. und wenn die Gelegenheit sich bieten sollte, den Süden durch Aufopferung des ganzen Streitpunkts der Union zurückzugewinnen. Nun ist es allerdings wahr, daß der Norden nicht Krieg führt, um die Sclaverei in den Staaten, wo sie gesetzlich besteht, abzuschaffen. Die republikanische Par¬ tei hat das Gesetz, hat die gegenwärtige Verfassung der Union zu ihrem Rechtsboden genommen. Diese Verfassung verbietet ihr den Angriff auf die Sclaverei in den Sclavenstaaten, gestattet ihr aber, dieselbe im Bezirk von Columbia abzuschaffen, und dies thut sie jetzt; denn sie hat mitten in ihrer jetzigen Geldklemme eine Million Dollars zur Entschädigung der Sclaven¬ halter dieses Districts bewilligt. Ebenso wenig verlangt die Verfassung von ihr, daß sie die Einführung der Sclaverei in den Territorien, die noch nicht Staaten sind, zulasse. Diese Einführung zu verhindern, hat sich die republi¬ kanische Partei gebildet, ist sie jetzt im Kampf begriffen, sowie die Sclaven- Halter in Waffen stehen, um jene Einführung zu erzwingen. Obgleich nicht abolitionistisch. gehört die jetzige Regierung der Union der Freibodcn-Partei an, unh gegen die Ausbreitung der Sclaverei kämpfen, läuft auf dasselbe hinaus, wie gegen den Bestand der Sclaverei kämpfen. Von dem Tage an. wo die Sclaverei sich nicht mehr ausdehnen kann, ist ihr Schicksal besiegelt. Die Sclavenhalter wissen dies., und es ist der Grund ihrer Wuth. Nach der Meinung aller Urtheilsfähigen erhält sich die Sclaverei lediglich durch den Baumwollenbau. dieser aber erschöpft in einer mäßigen Anzahl von Jahren jeden Boden, für den er sich eignet, und kann nnr bestehen, wenn er immer weiter nach Westen vordringt. Bleibt die Sclaverei auf ihren jetzigen Flächen¬ raum eingeengt, so werden die Sclavenhalter entweder rasch zu Grunde ge¬ hen, oder aus Mittel sinnen müssen, ihr Landbauwesen zu verbessern, was nur

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/386
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/386>, abgerufen am 13.05.2024.