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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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Kreuzes. Dann begab er sich in das Kloster, um Gebete für die Seele der
verewigten Prinzessin zu bestellen.

Als Alexis Iuriwitsch wieder heim kam. ließ er ein großes Faß mit
Wodka in seinen Salon schaffen und dann zechte er mit seinen Bauern an
die vierzehn Tage in Einem fort. Er gab dem einen ein Stück kostbaren
Sammet, dem andern einen Diamantring und betrug sich vollkommen wie ein
Wahnsinniger. Endlich erschien im Städtchen ein Offizier mit Soldaten und
ließ sich beim Fürsten anmelden. Letzterer zog seine Generalsumsorm an,
hing inne Eavaleriejchäipe um, nes seinen Bediente" zu, ihm die große Kar¬
dätsche zu bringen und bereitete sich aus diese Weise zum gebührenden Empfang
der Ankömmlinge vor. Als sie eintraten, erhob er sich kaum von seinem
Sitz. "Wir sind gekommen, Fürst Alexis Juriwitsch, um eine Untersuchung
über Ihr Verhalten gegen die Prinzessin Wnnvara und Ihr Thun und Trei¬
ben überhaupt anzustellen," sagte der Major.

"Und wie kommt Ihr Euch unterstehen, Eure Teufelsfratzen hier zu zeigen?"
brüllte der Fürst. "Ihr sollt allesammt die Knute zu schmecken kriegen, und
der Wojwode gleichermaßen, falls er zu erscheinen wagt."

"Beruhigen Sie sich, Hoheit", erwiederte der Offizier. "Ich habe eine
Bedeckung von Dragonern, und ich komme nicht vom Wojwode", sondern auf
directen Befehl Ihrer Majestät der Kaiserin."

Als der Fürst diese Worte vernahm, schauderte er zusammen, schrie "Ich bin
verloren, ich bin verloren!" kniete vor dem Major nieder, bot ihm zwanzig¬
tausend lliubel an, wen" er ihn verschonen wolle, und erniedrigte sich auf das
Kläglichste.

Der Major legte ihm verschiedene Fragen vor. Aber Alexis Iuriwitsch
verdrehte d>e Augen wie ein Besessener und antwortete unzusammenhängend,
sodaß jener sah, er sei nicht im Besitz seiner Sinne, und das weitere Verhör
auf den nächsten Tag verschob. Der Fürst ging auf sein Zimmer. Er mußte
dabei die Bildergallerie durchschreiten. PiotzUch hielt er vor dem Portrait der
Prinzessin Warwara um und schrak zurück. Es war ihm, als ob der Kopf
des Bildes sich bewegte, noch einmal blickte er hin, dann sank er besinnungs¬
los zu Boden. Als er wieder zu sich kam, befahl er den Bedienten, das Ge¬
sicht des Gemäldes Mit schwarzer Farbe zu überstreichen. Man brachte ihn
dann zu Bett, und ein Barbier ließ ihm zur Ader. Hieraus fragteer, ob das
Eesicht nun übermalt sei, und als man das bejaht, verschied er.

Die Familie der Fürsten von Zaboria ist jetzt ausgestorben.

Fürst Alexis Iuriwitsch war, als er >n den Besitz des Familienguts ge¬
kommen, so reich, daß er sein Gold- und Silbergeschirr nach Centnern und
seine harten Rubel nach Tonne" zu rechnen pflegte. Seine rücksichtslose Ver¬
schwendung war natürlich nicht ohne Folgen für seinen Besitz, und sein Sohn


Kreuzes. Dann begab er sich in das Kloster, um Gebete für die Seele der
verewigten Prinzessin zu bestellen.

Als Alexis Iuriwitsch wieder heim kam. ließ er ein großes Faß mit
Wodka in seinen Salon schaffen und dann zechte er mit seinen Bauern an
die vierzehn Tage in Einem fort. Er gab dem einen ein Stück kostbaren
Sammet, dem andern einen Diamantring und betrug sich vollkommen wie ein
Wahnsinniger. Endlich erschien im Städtchen ein Offizier mit Soldaten und
ließ sich beim Fürsten anmelden. Letzterer zog seine Generalsumsorm an,
hing inne Eavaleriejchäipe um, nes seinen Bediente» zu, ihm die große Kar¬
dätsche zu bringen und bereitete sich aus diese Weise zum gebührenden Empfang
der Ankömmlinge vor. Als sie eintraten, erhob er sich kaum von seinem
Sitz. „Wir sind gekommen, Fürst Alexis Juriwitsch, um eine Untersuchung
über Ihr Verhalten gegen die Prinzessin Wnnvara und Ihr Thun und Trei¬
ben überhaupt anzustellen," sagte der Major.

„Und wie kommt Ihr Euch unterstehen, Eure Teufelsfratzen hier zu zeigen?"
brüllte der Fürst. „Ihr sollt allesammt die Knute zu schmecken kriegen, und
der Wojwode gleichermaßen, falls er zu erscheinen wagt."

„Beruhigen Sie sich, Hoheit", erwiederte der Offizier. „Ich habe eine
Bedeckung von Dragonern, und ich komme nicht vom Wojwode», sondern auf
directen Befehl Ihrer Majestät der Kaiserin."

Als der Fürst diese Worte vernahm, schauderte er zusammen, schrie „Ich bin
verloren, ich bin verloren!" kniete vor dem Major nieder, bot ihm zwanzig¬
tausend lliubel an, wen» er ihn verschonen wolle, und erniedrigte sich auf das
Kläglichste.

Der Major legte ihm verschiedene Fragen vor. Aber Alexis Iuriwitsch
verdrehte d>e Augen wie ein Besessener und antwortete unzusammenhängend,
sodaß jener sah, er sei nicht im Besitz seiner Sinne, und das weitere Verhör
auf den nächsten Tag verschob. Der Fürst ging auf sein Zimmer. Er mußte
dabei die Bildergallerie durchschreiten. PiotzUch hielt er vor dem Portrait der
Prinzessin Warwara um und schrak zurück. Es war ihm, als ob der Kopf
des Bildes sich bewegte, noch einmal blickte er hin, dann sank er besinnungs¬
los zu Boden. Als er wieder zu sich kam, befahl er den Bedienten, das Ge¬
sicht des Gemäldes Mit schwarzer Farbe zu überstreichen. Man brachte ihn
dann zu Bett, und ein Barbier ließ ihm zur Ader. Hieraus fragteer, ob das
Eesicht nun übermalt sei, und als man das bejaht, verschied er.

Die Familie der Fürsten von Zaboria ist jetzt ausgestorben.

Fürst Alexis Iuriwitsch war, als er >n den Besitz des Familienguts ge¬
kommen, so reich, daß er sein Gold- und Silbergeschirr nach Centnern und
seine harten Rubel nach Tonne» zu rechnen pflegte. Seine rücksichtslose Ver¬
schwendung war natürlich nicht ohne Folgen für seinen Besitz, und sein Sohn


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/478>, abgerufen am 16.06.2024.