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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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vorzulegen. Mit diesem Antrag war der Finanzminister cinveistanden, und
es schien also jede Möglichkeit eines Conflicts beseitigt.

Aber ganz anders kam es, als am letzten Donnerstag (6. März) vie
Sache im Plenum des Hauses verhandelt wurde. Eine große Anzahl von
Mitgliedern war damit unzufrieden, daß die wirksamere Finanzcontrole erst
1863 in Ausführung kommen solle, während sie doch gerade jetzt dringend
wünschenswert!) sei, wo, wie es scheint, definitive Provisor!" wieder in Aus¬
sicht stehen. Der Abgeordnete Hagen nahm also seinen ursprünglichen Antrag
in einer etwas modificirten Weise wieder ans. Sein neuer Antrag geht dahin
daß i) der Staatshaushalts-Etat in seinen Titeln durch Aufnahme der wesent¬
lichen Einnahme- und Aufgabe-Positionen ans den demselben zu Grunde liegen¬
de" Verwaltungs-Etats mehr zu specialisiren, 2) diese Specialisirung schon
bei der Feststellung des Staatshaushalts - Etats xi-v 1862. und zwar im
Anhalt an die Titel und Titelabthcilungen der pro 1859 gelegten Spccial-
Rechnungeu zu bewirken sei. Von dem früheren Antrag unterscheide: sich dieser
neue dadurch, daß die Specialisirung des Etats, welche jetzt verlangt wird,
lauge nicht so weit geht, als in dem ersten Antrag. Der Unterschied von dem
Commissions-Antrag liegt darin, daß Hagen dabei bleibt, die Specialisirung
auch schon für das Jahr 1862 zu verlangen.

Dies ist der Punkt, wo der Conflict mit der Negierung eintritt. Der
Finanzminister hat principiell gegen den Hagen'schen Antrag im Grnnde nichts
einzuwenden. Er kämpft nur gegen die sofortige Durchführung in dem Bud¬
get des laufenden Jahres. Auch dies erklärt er nicht für unausführbar. Er
hat nur das Bedenken, daß, weil die Vorarbeiten für das Budget schon alle
gemacht sind, durch die Annahme des Antrages die Wiederholung einer sehr
mühsamen Arbeit nothwendig werde, und daß der Erfolg wahrscheinlich in
feinem Verhältniß zu der Mühe stehen werde. Dabei erklärte er ausdrücklich,
daß er den Antrag nicht als ein Mißtrauensvotum auffasse, fügte aber doch
zugleich hinzu, er werde sich fragen, ob "ach Annahme des Antrags es "och
möglich sei, zu regieren und die Verantwortung sür die Leitung der Geschäfte
zu übernehmen, ob darin nicht ein Eingriff in die Executive liege. Vergeb¬
lich versuchte der Abgeordnete Kühne durch ein vermittelndes Amendement,
welches wenigstens eine theilweise Specialisirung des Etats schon für das
Jahr 1862 in Aussicht feilte, den unmittelbar drohenden Conflict zu um¬
gehen. Der Finanzminister, welcher anfänglich auch das Amendement Kühne
zurückwies, erklärte sich schließlich mit demselben einverstanden. Gleichwohl
ward bei der Abstimmung der Hagen'sehe Antrag mit 171 gegen 143 Stim¬
men angenommen. Für den Antrag stimmten die Fortschrittspartei, die Frac-
tionen Immermann und Bockum-Dolfss (nur der Abgeordnete Stavenhagen
stimmte mit der Minorität), serner dre Polen und einige wenige Mitglieder


vorzulegen. Mit diesem Antrag war der Finanzminister cinveistanden, und
es schien also jede Möglichkeit eines Conflicts beseitigt.

Aber ganz anders kam es, als am letzten Donnerstag (6. März) vie
Sache im Plenum des Hauses verhandelt wurde. Eine große Anzahl von
Mitgliedern war damit unzufrieden, daß die wirksamere Finanzcontrole erst
1863 in Ausführung kommen solle, während sie doch gerade jetzt dringend
wünschenswert!) sei, wo, wie es scheint, definitive Provisor!» wieder in Aus¬
sicht stehen. Der Abgeordnete Hagen nahm also seinen ursprünglichen Antrag
in einer etwas modificirten Weise wieder ans. Sein neuer Antrag geht dahin
daß i) der Staatshaushalts-Etat in seinen Titeln durch Aufnahme der wesent¬
lichen Einnahme- und Aufgabe-Positionen ans den demselben zu Grunde liegen¬
de» Verwaltungs-Etats mehr zu specialisiren, 2) diese Specialisirung schon
bei der Feststellung des Staatshaushalts - Etats xi-v 1862. und zwar im
Anhalt an die Titel und Titelabthcilungen der pro 1859 gelegten Spccial-
Rechnungeu zu bewirken sei. Von dem früheren Antrag unterscheide: sich dieser
neue dadurch, daß die Specialisirung des Etats, welche jetzt verlangt wird,
lauge nicht so weit geht, als in dem ersten Antrag. Der Unterschied von dem
Commissions-Antrag liegt darin, daß Hagen dabei bleibt, die Specialisirung
auch schon für das Jahr 1862 zu verlangen.

Dies ist der Punkt, wo der Conflict mit der Negierung eintritt. Der
Finanzminister hat principiell gegen den Hagen'schen Antrag im Grnnde nichts
einzuwenden. Er kämpft nur gegen die sofortige Durchführung in dem Bud¬
get des laufenden Jahres. Auch dies erklärt er nicht für unausführbar. Er
hat nur das Bedenken, daß, weil die Vorarbeiten für das Budget schon alle
gemacht sind, durch die Annahme des Antrages die Wiederholung einer sehr
mühsamen Arbeit nothwendig werde, und daß der Erfolg wahrscheinlich in
feinem Verhältniß zu der Mühe stehen werde. Dabei erklärte er ausdrücklich,
daß er den Antrag nicht als ein Mißtrauensvotum auffasse, fügte aber doch
zugleich hinzu, er werde sich fragen, ob »ach Annahme des Antrags es »och
möglich sei, zu regieren und die Verantwortung sür die Leitung der Geschäfte
zu übernehmen, ob darin nicht ein Eingriff in die Executive liege. Vergeb¬
lich versuchte der Abgeordnete Kühne durch ein vermittelndes Amendement,
welches wenigstens eine theilweise Specialisirung des Etats schon für das
Jahr 1862 in Aussicht feilte, den unmittelbar drohenden Conflict zu um¬
gehen. Der Finanzminister, welcher anfänglich auch das Amendement Kühne
zurückwies, erklärte sich schließlich mit demselben einverstanden. Gleichwohl
ward bei der Abstimmung der Hagen'sehe Antrag mit 171 gegen 143 Stim¬
men angenommen. Für den Antrag stimmten die Fortschrittspartei, die Frac-
tionen Immermann und Bockum-Dolfss (nur der Abgeordnete Stavenhagen
stimmte mit der Minorität), serner dre Polen und einige wenige Mitglieder


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[0485] vorzulegen. Mit diesem Antrag war der Finanzminister cinveistanden, und es schien also jede Möglichkeit eines Conflicts beseitigt. Aber ganz anders kam es, als am letzten Donnerstag (6. März) vie Sache im Plenum des Hauses verhandelt wurde. Eine große Anzahl von Mitgliedern war damit unzufrieden, daß die wirksamere Finanzcontrole erst 1863 in Ausführung kommen solle, während sie doch gerade jetzt dringend wünschenswert!) sei, wo, wie es scheint, definitive Provisor!» wieder in Aus¬ sicht stehen. Der Abgeordnete Hagen nahm also seinen ursprünglichen Antrag in einer etwas modificirten Weise wieder ans. Sein neuer Antrag geht dahin daß i) der Staatshaushalts-Etat in seinen Titeln durch Aufnahme der wesent¬ lichen Einnahme- und Aufgabe-Positionen ans den demselben zu Grunde liegen¬ de» Verwaltungs-Etats mehr zu specialisiren, 2) diese Specialisirung schon bei der Feststellung des Staatshaushalts - Etats xi-v 1862. und zwar im Anhalt an die Titel und Titelabthcilungen der pro 1859 gelegten Spccial- Rechnungeu zu bewirken sei. Von dem früheren Antrag unterscheide: sich dieser neue dadurch, daß die Specialisirung des Etats, welche jetzt verlangt wird, lauge nicht so weit geht, als in dem ersten Antrag. Der Unterschied von dem Commissions-Antrag liegt darin, daß Hagen dabei bleibt, die Specialisirung auch schon für das Jahr 1862 zu verlangen. Dies ist der Punkt, wo der Conflict mit der Negierung eintritt. Der Finanzminister hat principiell gegen den Hagen'schen Antrag im Grnnde nichts einzuwenden. Er kämpft nur gegen die sofortige Durchführung in dem Bud¬ get des laufenden Jahres. Auch dies erklärt er nicht für unausführbar. Er hat nur das Bedenken, daß, weil die Vorarbeiten für das Budget schon alle gemacht sind, durch die Annahme des Antrages die Wiederholung einer sehr mühsamen Arbeit nothwendig werde, und daß der Erfolg wahrscheinlich in feinem Verhältniß zu der Mühe stehen werde. Dabei erklärte er ausdrücklich, daß er den Antrag nicht als ein Mißtrauensvotum auffasse, fügte aber doch zugleich hinzu, er werde sich fragen, ob »ach Annahme des Antrags es »och möglich sei, zu regieren und die Verantwortung sür die Leitung der Geschäfte zu übernehmen, ob darin nicht ein Eingriff in die Executive liege. Vergeb¬ lich versuchte der Abgeordnete Kühne durch ein vermittelndes Amendement, welches wenigstens eine theilweise Specialisirung des Etats schon für das Jahr 1862 in Aussicht feilte, den unmittelbar drohenden Conflict zu um¬ gehen. Der Finanzminister, welcher anfänglich auch das Amendement Kühne zurückwies, erklärte sich schließlich mit demselben einverstanden. Gleichwohl ward bei der Abstimmung der Hagen'sehe Antrag mit 171 gegen 143 Stim¬ men angenommen. Für den Antrag stimmten die Fortschrittspartei, die Frac- tionen Immermann und Bockum-Dolfss (nur der Abgeordnete Stavenhagen stimmte mit der Minorität), serner dre Polen und einige wenige Mitglieder

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/485>, abgerufen am 12.05.2024.