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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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als wir ihnen. Nur wenige amerikanische Kauffartheischiffe sind seit 1857
gebaut. Sie haben bekanntermaßen ein kurzes Leben, und die meisten von
denen, die wir erbeuten können, werden alt und halbverfault sein. Was aber
ihre Ladungen betrifft, so ist Folgendes in Betracht zu ziehen. Der Bürger¬
krieg hat die amerikanische Handelsmacht stark vermindert. Ein großer Theil
ihres Handels, soweit er durch lange Seereisen vermittelt wird, wird im gegen¬
wärtigen Augenblick von englischen Kaufleuten und mit englischen Schiffen
betrieben. So sind jetzt verhältnißmüßig wenige Ladungen für amerikanische
Rechnung von Indien und China nach den Bereinigten Staaten unterwegs,
und selbst diese sind großentheils englischen Häusern in London und Liverpool
verpfändet. Das wohlbekannte Verfahren bei diesen Unternehmungen ist,
solche Ladungen mittelst Credits in England zu kaufen und die Frachtbriefe
als Sicherheit an die Agenten der betreffenden englischen Firmen in der Union
zu senden, so daß der amerikanische Importeur weder für die von rhin be¬
stellten Waaren bezahlt, noch in den Besitz derselben gelangt, bevor das Schiff
mit denselben in Amerika eintrifft. Das Ergebniß eines Fanges wird folglich
sein, daß denen, die ihn machen, das halbverfaulte Schiff überliefert, die vcr-
Küllnißmäßig weit kostbarere Ladung aber von irgend einem englischen Hause,
welches den Beweis führt, daß sie mit seinem Geld bezahlt worden, bean¬
sprucht und demselben zurückerstattet werden wird. Ja, die Gewohnheit der
Amerikaner, mit britischen Capital Schiffe zu bauen und Handel zu treiben,
ist so allgemein, daß man mit gutem Grunde annehmen kann, eine Be-
schießung von Neuyork und Boston würde den Engländern beinahe eben so
schweren Schaden zufügen, als den Amerikanern."

"Ferner werden unsre Kaufleute und Rheder durch einen Krieg mit Ame¬
rika den werthvollen Handel zwischen entfernten Ländern und den Ber. Staa¬
ten einbüßen, der ihnen, wie bemerkt, für jetzt in die Hände gefallen ist.
Dagegen werden die Amerikaner gerade jetzt wenig werthvollen Handel als den
in Getreide und Mehl verlieren, und unsre eigne Bevölkerung wird von der
Verhinderung, diese Dinge kaufen zu können, mehr leiden, als die Amerikaner
von der Verhinderuirg, sie verkaufen zu können. Allerdings wird ein Krieg
uns über kurz oder lang mit mehr oder weniger Baumwolle versorgen. Aber
vielleicht würde uns die Erschöpfung einer oder beider kümpfenden Parteien
in Amerika diese Zufuhr ebenso bald gewähren, als sie uns ein Krieg mitten
in der Verwirrung und Störung von Ackerbau und Handel des Südens ver¬
schaffen kann. Niemand wird den Krieg blos deshalb empfehlen wollen,
weil, er uns Baumwolle liefern würde. Wir könnten sämmtliche vaumwoll-
spinnende Bezirke drei Jahre lang mit weniger Kosten ernähren, als ein ein¬
ziges Jahr Krieg mit Amerika erfordern würde."

"Will das Unglück, daß wir in den Krieg treiben, so hüten wir uns vor


Wrenzboten I. 1S62. 12

als wir ihnen. Nur wenige amerikanische Kauffartheischiffe sind seit 1857
gebaut. Sie haben bekanntermaßen ein kurzes Leben, und die meisten von
denen, die wir erbeuten können, werden alt und halbverfault sein. Was aber
ihre Ladungen betrifft, so ist Folgendes in Betracht zu ziehen. Der Bürger¬
krieg hat die amerikanische Handelsmacht stark vermindert. Ein großer Theil
ihres Handels, soweit er durch lange Seereisen vermittelt wird, wird im gegen¬
wärtigen Augenblick von englischen Kaufleuten und mit englischen Schiffen
betrieben. So sind jetzt verhältnißmüßig wenige Ladungen für amerikanische
Rechnung von Indien und China nach den Bereinigten Staaten unterwegs,
und selbst diese sind großentheils englischen Häusern in London und Liverpool
verpfändet. Das wohlbekannte Verfahren bei diesen Unternehmungen ist,
solche Ladungen mittelst Credits in England zu kaufen und die Frachtbriefe
als Sicherheit an die Agenten der betreffenden englischen Firmen in der Union
zu senden, so daß der amerikanische Importeur weder für die von rhin be¬
stellten Waaren bezahlt, noch in den Besitz derselben gelangt, bevor das Schiff
mit denselben in Amerika eintrifft. Das Ergebniß eines Fanges wird folglich
sein, daß denen, die ihn machen, das halbverfaulte Schiff überliefert, die vcr-
Küllnißmäßig weit kostbarere Ladung aber von irgend einem englischen Hause,
welches den Beweis führt, daß sie mit seinem Geld bezahlt worden, bean¬
sprucht und demselben zurückerstattet werden wird. Ja, die Gewohnheit der
Amerikaner, mit britischen Capital Schiffe zu bauen und Handel zu treiben,
ist so allgemein, daß man mit gutem Grunde annehmen kann, eine Be-
schießung von Neuyork und Boston würde den Engländern beinahe eben so
schweren Schaden zufügen, als den Amerikanern."

„Ferner werden unsre Kaufleute und Rheder durch einen Krieg mit Ame¬
rika den werthvollen Handel zwischen entfernten Ländern und den Ber. Staa¬
ten einbüßen, der ihnen, wie bemerkt, für jetzt in die Hände gefallen ist.
Dagegen werden die Amerikaner gerade jetzt wenig werthvollen Handel als den
in Getreide und Mehl verlieren, und unsre eigne Bevölkerung wird von der
Verhinderung, diese Dinge kaufen zu können, mehr leiden, als die Amerikaner
von der Verhinderuirg, sie verkaufen zu können. Allerdings wird ein Krieg
uns über kurz oder lang mit mehr oder weniger Baumwolle versorgen. Aber
vielleicht würde uns die Erschöpfung einer oder beider kümpfenden Parteien
in Amerika diese Zufuhr ebenso bald gewähren, als sie uns ein Krieg mitten
in der Verwirrung und Störung von Ackerbau und Handel des Südens ver¬
schaffen kann. Niemand wird den Krieg blos deshalb empfehlen wollen,
weil, er uns Baumwolle liefern würde. Wir könnten sämmtliche vaumwoll-
spinnende Bezirke drei Jahre lang mit weniger Kosten ernähren, als ein ein¬
ziges Jahr Krieg mit Amerika erfordern würde."

„Will das Unglück, daß wir in den Krieg treiben, so hüten wir uns vor


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[0097] als wir ihnen. Nur wenige amerikanische Kauffartheischiffe sind seit 1857 gebaut. Sie haben bekanntermaßen ein kurzes Leben, und die meisten von denen, die wir erbeuten können, werden alt und halbverfault sein. Was aber ihre Ladungen betrifft, so ist Folgendes in Betracht zu ziehen. Der Bürger¬ krieg hat die amerikanische Handelsmacht stark vermindert. Ein großer Theil ihres Handels, soweit er durch lange Seereisen vermittelt wird, wird im gegen¬ wärtigen Augenblick von englischen Kaufleuten und mit englischen Schiffen betrieben. So sind jetzt verhältnißmüßig wenige Ladungen für amerikanische Rechnung von Indien und China nach den Bereinigten Staaten unterwegs, und selbst diese sind großentheils englischen Häusern in London und Liverpool verpfändet. Das wohlbekannte Verfahren bei diesen Unternehmungen ist, solche Ladungen mittelst Credits in England zu kaufen und die Frachtbriefe als Sicherheit an die Agenten der betreffenden englischen Firmen in der Union zu senden, so daß der amerikanische Importeur weder für die von rhin be¬ stellten Waaren bezahlt, noch in den Besitz derselben gelangt, bevor das Schiff mit denselben in Amerika eintrifft. Das Ergebniß eines Fanges wird folglich sein, daß denen, die ihn machen, das halbverfaulte Schiff überliefert, die vcr- Küllnißmäßig weit kostbarere Ladung aber von irgend einem englischen Hause, welches den Beweis führt, daß sie mit seinem Geld bezahlt worden, bean¬ sprucht und demselben zurückerstattet werden wird. Ja, die Gewohnheit der Amerikaner, mit britischen Capital Schiffe zu bauen und Handel zu treiben, ist so allgemein, daß man mit gutem Grunde annehmen kann, eine Be- schießung von Neuyork und Boston würde den Engländern beinahe eben so schweren Schaden zufügen, als den Amerikanern." „Ferner werden unsre Kaufleute und Rheder durch einen Krieg mit Ame¬ rika den werthvollen Handel zwischen entfernten Ländern und den Ber. Staa¬ ten einbüßen, der ihnen, wie bemerkt, für jetzt in die Hände gefallen ist. Dagegen werden die Amerikaner gerade jetzt wenig werthvollen Handel als den in Getreide und Mehl verlieren, und unsre eigne Bevölkerung wird von der Verhinderung, diese Dinge kaufen zu können, mehr leiden, als die Amerikaner von der Verhinderuirg, sie verkaufen zu können. Allerdings wird ein Krieg uns über kurz oder lang mit mehr oder weniger Baumwolle versorgen. Aber vielleicht würde uns die Erschöpfung einer oder beider kümpfenden Parteien in Amerika diese Zufuhr ebenso bald gewähren, als sie uns ein Krieg mitten in der Verwirrung und Störung von Ackerbau und Handel des Südens ver¬ schaffen kann. Niemand wird den Krieg blos deshalb empfehlen wollen, weil, er uns Baumwolle liefern würde. Wir könnten sämmtliche vaumwoll- spinnende Bezirke drei Jahre lang mit weniger Kosten ernähren, als ein ein¬ ziges Jahr Krieg mit Amerika erfordern würde." „Will das Unglück, daß wir in den Krieg treiben, so hüten wir uns vor Wrenzboten I. 1S62. 12

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/97>, abgerufen am 06.06.2024.