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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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ordnet; ihr Inhalt sind die höchsten Ziele und Vorbilder der bildenden Kunst
in allegorischer Darstellung (die Phantasie, umgeben von den Parzen und Gra¬
zien, den geistlichen und weltlichen Tugenden und den Ländern der classischen
Kunstblüthe) inmitten der bildlichen Versinnlichung des göttlichen Schaffens
nach griechischer und biblischer Anschauung. Es sind die höchsten Erscheinungs¬
formen der historischen Malerei, deren Wiedergabe der Künstler erstrebte, und
daß er unmittelbar an Raphael und Michelangelo anknüpfte, deren Einfluß
im Zuge der Linien wie in der tiefen Farbengebung wiederklingt, wer möchte
es nicht als den rechten Weg bezeichnen, wo soviel selbständige Kraft, wie in
dem vorliegenden Werke zu Tage tritt? Denn viel Schönheit und Adel ist in
seinen Gestalten, reizend sind die umrabmendcn Arabesken. In vielfachen
Zügen den Einfluß seiner Meister -- Große war ein langjähriger Schüler
Bendemanns -- verrathend, vereinigen sic den ernsten Eindruck der strengen
stylistischen Richtung neuerer deutscher Kunst im Sinne des Altmeisters Corne¬
lius mit einer anmuthsvoller Gcsammtcnwicklung und Betonung des farbigen
Elementes. Lebhaft ist der Wunsch nach einer -- dem Vernehmen nach noch
nicht beschlossenen -- Ausführung im Große".

In verwandtem Sinne sind die beiden anderen Entwürfe concipirt, von
denen der Heinrich Gärtners in Rom, nach der im Programm ausgesprochenen
Andeutung, daß Landschaften nicht ausgeschlossen sein sollten, den Raum mit
landschaftlichen Compositionen historischen Styls ausschmückt, das Motiv der
biblischen Schöpfungsgeschichte zum leitenden Gedanken der in sinnigster Er¬
findung entworfenen Naturscenerien wählend. Nicht frei von Mängeln der
Zeichnung, ist die Arbeit doch als ein würdiges Erzeugniß derjenigen Richtung
der neuen deutschen Landschaftsmalerei, die in Joseph Anton Koch ihren Begrün¬
der gefunden hat, zu bezeichnen, und ihrem Urheber kann seine künftige Be¬
deutung vorausgesagt werden. -- Wohl nur in Rücksicht auf die Bedingungen
der Ausführbarkeit ist die erwähnte Arbeit von den Preisrichtern einem Entwürfe
vorangestellt worden, der seinem ausgesprochenen Style nach offenbar von der
Hand Hermann Wislicenus' in Weimar herrührt, und in seiner künst¬
lerischen Bedeutung wohl unmittelbar neben dem an erster Stelle gekrönten ge¬
nannt werden muß. Die Prometheussage, an die, im antiken Sinne alle
Wirksamkeit des unter den Menschen entzündeten göttlichen Funkens sich an¬
knüpft, ist hier auf den Wandflächen, Lünetten und Kuppelfeldern als ein zu¬
sammenhängendes reichgegliedertes Ganze zur Anschauung gebracht. Im Styl
verräth sich neben dem orginalen Compositionstalent des Künstlers (vormals
Schüler von Julius Schmorr in Dresden, unter dessen Leitung sein Bild
"Miseria und Abundantia" entstand) entschieden der Einfluß Genelli's; es ist
ein großartiges Ganze, das fesselnd dem Blick des Beschauers entgegentritt,
ein Reichthum schönheitsvoller Cvmpositionsmotive entwickelt sich bei näherem


Grenzboten II. 1862. 29

ordnet; ihr Inhalt sind die höchsten Ziele und Vorbilder der bildenden Kunst
in allegorischer Darstellung (die Phantasie, umgeben von den Parzen und Gra¬
zien, den geistlichen und weltlichen Tugenden und den Ländern der classischen
Kunstblüthe) inmitten der bildlichen Versinnlichung des göttlichen Schaffens
nach griechischer und biblischer Anschauung. Es sind die höchsten Erscheinungs¬
formen der historischen Malerei, deren Wiedergabe der Künstler erstrebte, und
daß er unmittelbar an Raphael und Michelangelo anknüpfte, deren Einfluß
im Zuge der Linien wie in der tiefen Farbengebung wiederklingt, wer möchte
es nicht als den rechten Weg bezeichnen, wo soviel selbständige Kraft, wie in
dem vorliegenden Werke zu Tage tritt? Denn viel Schönheit und Adel ist in
seinen Gestalten, reizend sind die umrabmendcn Arabesken. In vielfachen
Zügen den Einfluß seiner Meister — Große war ein langjähriger Schüler
Bendemanns — verrathend, vereinigen sic den ernsten Eindruck der strengen
stylistischen Richtung neuerer deutscher Kunst im Sinne des Altmeisters Corne¬
lius mit einer anmuthsvoller Gcsammtcnwicklung und Betonung des farbigen
Elementes. Lebhaft ist der Wunsch nach einer — dem Vernehmen nach noch
nicht beschlossenen -- Ausführung im Große».

In verwandtem Sinne sind die beiden anderen Entwürfe concipirt, von
denen der Heinrich Gärtners in Rom, nach der im Programm ausgesprochenen
Andeutung, daß Landschaften nicht ausgeschlossen sein sollten, den Raum mit
landschaftlichen Compositionen historischen Styls ausschmückt, das Motiv der
biblischen Schöpfungsgeschichte zum leitenden Gedanken der in sinnigster Er¬
findung entworfenen Naturscenerien wählend. Nicht frei von Mängeln der
Zeichnung, ist die Arbeit doch als ein würdiges Erzeugniß derjenigen Richtung
der neuen deutschen Landschaftsmalerei, die in Joseph Anton Koch ihren Begrün¬
der gefunden hat, zu bezeichnen, und ihrem Urheber kann seine künftige Be¬
deutung vorausgesagt werden. — Wohl nur in Rücksicht auf die Bedingungen
der Ausführbarkeit ist die erwähnte Arbeit von den Preisrichtern einem Entwürfe
vorangestellt worden, der seinem ausgesprochenen Style nach offenbar von der
Hand Hermann Wislicenus' in Weimar herrührt, und in seiner künst¬
lerischen Bedeutung wohl unmittelbar neben dem an erster Stelle gekrönten ge¬
nannt werden muß. Die Prometheussage, an die, im antiken Sinne alle
Wirksamkeit des unter den Menschen entzündeten göttlichen Funkens sich an¬
knüpft, ist hier auf den Wandflächen, Lünetten und Kuppelfeldern als ein zu¬
sammenhängendes reichgegliedertes Ganze zur Anschauung gebracht. Im Styl
verräth sich neben dem orginalen Compositionstalent des Künstlers (vormals
Schüler von Julius Schmorr in Dresden, unter dessen Leitung sein Bild
„Miseria und Abundantia" entstand) entschieden der Einfluß Genelli's; es ist
ein großartiges Ganze, das fesselnd dem Blick des Beschauers entgegentritt,
ein Reichthum schönheitsvoller Cvmpositionsmotive entwickelt sich bei näherem


Grenzboten II. 1862. 29
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[0233] ordnet; ihr Inhalt sind die höchsten Ziele und Vorbilder der bildenden Kunst in allegorischer Darstellung (die Phantasie, umgeben von den Parzen und Gra¬ zien, den geistlichen und weltlichen Tugenden und den Ländern der classischen Kunstblüthe) inmitten der bildlichen Versinnlichung des göttlichen Schaffens nach griechischer und biblischer Anschauung. Es sind die höchsten Erscheinungs¬ formen der historischen Malerei, deren Wiedergabe der Künstler erstrebte, und daß er unmittelbar an Raphael und Michelangelo anknüpfte, deren Einfluß im Zuge der Linien wie in der tiefen Farbengebung wiederklingt, wer möchte es nicht als den rechten Weg bezeichnen, wo soviel selbständige Kraft, wie in dem vorliegenden Werke zu Tage tritt? Denn viel Schönheit und Adel ist in seinen Gestalten, reizend sind die umrabmendcn Arabesken. In vielfachen Zügen den Einfluß seiner Meister — Große war ein langjähriger Schüler Bendemanns — verrathend, vereinigen sic den ernsten Eindruck der strengen stylistischen Richtung neuerer deutscher Kunst im Sinne des Altmeisters Corne¬ lius mit einer anmuthsvoller Gcsammtcnwicklung und Betonung des farbigen Elementes. Lebhaft ist der Wunsch nach einer — dem Vernehmen nach noch nicht beschlossenen -- Ausführung im Große». In verwandtem Sinne sind die beiden anderen Entwürfe concipirt, von denen der Heinrich Gärtners in Rom, nach der im Programm ausgesprochenen Andeutung, daß Landschaften nicht ausgeschlossen sein sollten, den Raum mit landschaftlichen Compositionen historischen Styls ausschmückt, das Motiv der biblischen Schöpfungsgeschichte zum leitenden Gedanken der in sinnigster Er¬ findung entworfenen Naturscenerien wählend. Nicht frei von Mängeln der Zeichnung, ist die Arbeit doch als ein würdiges Erzeugniß derjenigen Richtung der neuen deutschen Landschaftsmalerei, die in Joseph Anton Koch ihren Begrün¬ der gefunden hat, zu bezeichnen, und ihrem Urheber kann seine künftige Be¬ deutung vorausgesagt werden. — Wohl nur in Rücksicht auf die Bedingungen der Ausführbarkeit ist die erwähnte Arbeit von den Preisrichtern einem Entwürfe vorangestellt worden, der seinem ausgesprochenen Style nach offenbar von der Hand Hermann Wislicenus' in Weimar herrührt, und in seiner künst¬ lerischen Bedeutung wohl unmittelbar neben dem an erster Stelle gekrönten ge¬ nannt werden muß. Die Prometheussage, an die, im antiken Sinne alle Wirksamkeit des unter den Menschen entzündeten göttlichen Funkens sich an¬ knüpft, ist hier auf den Wandflächen, Lünetten und Kuppelfeldern als ein zu¬ sammenhängendes reichgegliedertes Ganze zur Anschauung gebracht. Im Styl verräth sich neben dem orginalen Compositionstalent des Künstlers (vormals Schüler von Julius Schmorr in Dresden, unter dessen Leitung sein Bild „Miseria und Abundantia" entstand) entschieden der Einfluß Genelli's; es ist ein großartiges Ganze, das fesselnd dem Blick des Beschauers entgegentritt, ein Reichthum schönheitsvoller Cvmpositionsmotive entwickelt sich bei näherem Grenzboten II. 1862. 29

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/233>, abgerufen am 19.05.2024.