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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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Partei werden als zwei gesonderte Parteien bei den nächsten Wahlen auftreten; das
ist nach dem Verlauf der letzten Monate nicht anders möglich. Aber es ist nicht
einzusehen, warum sie nicht als verbündete Parteien sollten auftreten können. Der
vornehmste Feind, weichen beide gemeinschaftlich zu bekämpfen haben, ist die Reaction,
und diese hat keine andere Chance bei den bevorstehenden Wahlen, als den Hader
zwischen den verschiedenen Fractionen der liberalen Partei. Was kann es der Sache
des Fortschritts nützen, wenn jetzt die Presse der Fortschrittspartei den abgetretenen
Ministern ihre Unterlassungssünden nochmals vorhält? Wissen wir doch alle,
daß durch größere Entschiedenheit die Minister wohl früher ihre Entlassung, aber
nicht die Durchführung ihrer Grundsätze Hütten erlangen können. Eben so wenig
aber ist zu begreifen, welcher Vortheil dem gemäßigten Liberalismus daraus er¬
wachsen soll, wenn die Presse desselben die Demokratie zurückstößt und nicht
daran glauben will, daß auch diese sich auf den Boden der Verfassung stellen
und an dem Ausbau derselben ernsthaft mit arbeiten könne. Der günstige Erfolg
der nächsten Wahlen wird zum Theil davon abhängen, ob diese unfruchtbaren
Zänkereien vor der größeren und ernsteren gemeinschaftlichen Aufgabe zurücktreten.

Das neue Ministerium hat bis dahin noch nicht viel von sich hören lassen.
Der Allerhöchste Erlaß vom 19. d. M. wird als das Programm der jetzigen Regie¬
rung betrachtet werden sollen. Im Ganzen hat derselbe eine beruhigende Wirkung
gehabt. Von der Reaction waren zahlreiche Gerüchte in Umlauf gesetzt, nach denen
Octroyirungcn und Staatsstreiche bevorstehen sollten; solche beunruhigende Be¬
fürchtungen sind durch den Allerhöchsten Erlaß vorläufig niedergeschlagen. Der
König will an den Formen der Verfassung festhalten, wenn er auch mit dem Geist
derselben sich nicht befreunden kann. Im Uebrigen beschränkt der Erlaß sich im
Grunde darauf, aus dem Programm vom 8. Novbr. 1858 den Satz, daß bei den
Reformen im Innern doch nicht mit der Vergangenheit gebrochen werden soll, noch¬
mals besonders einzuschärfen und vor den irrthümlichen Auslegungen zu warnen,
bei welchen dieser Satz keine Berücksichtigung gefunden habe. Wenn außerdem er¬
klärt wird, daß auch in Bezug auf die deutsche Politik der bisherige Standpunkt
unverändert festgehalten werden soll, so scheint dabei eine kaum begreifliche Täuschung
obzuwalten. Denn das Programm von 1858 sprach von "moralischen Eroberungen,
die Preußen in Deutschland machen solle. Herrn von der Heydt aber hätten wir für
zu klug gehalten, als daß er sich selbst die Fähigkeit zutrauen sollte, moralische Er¬
oberungen zu machen. Im Uebrigen scheint der Erlaß ein Festhalten an der ver¬
fassungsmäßigen Freiheit der Wahlen eher zu bestätigen als in Frage zu stellen.

Dieses Programm würde also der neuen Negierung noch nicht ein so übles
Prognostikon stellen, wenn nicht zu gleicher Zeit in der Stcrnzeitung ein Commen-
tar erschienen wäre, welcher die allgemeinste Entrüstung hervorruft. Die neueste
Aera scheint einen Polizeiwachtmeister mit der Leitung der officiösen Presse beauftragt
zu haben; wenigstens muß man dies aus dem Ton und der Sachkenntniß schließen,
womit das Organ der Regierung das jetzige Programm entwickelt. Zuerst wird die
Majorität der aufgelösten Kammer auf die Anklagebank gesetzt; aber dabei passirt
der hnlbvfficiellen Zeitung das Unglück, daß sie der Fortschrittspartei als Hauptvcr-
brechcn die Absicht vorwirft, für ihre Zustimmung zur Armeeorganisation andere Conces¬
sionen von allgemein politischer Bedeutung sich erkaufen zu wollen. Aber es ist doch noto¬
risch, daß diese Abkaufstheorie von der ganzen Fortschrittspartei unablässig bekämpft, dage¬
gen gerade von dem bedeutendsten Organ der gouvernementalen Partei vertheidigt ist.

Uebrigens müssen wir uns erinnern, daß unsere jetzigen Minister noch großen-
theils Neulinge auf dem Gebiet des constitutionellen Staatslebens sind. Nur so
läßt es sich entschuldigen und einigermaßen erträglich finden, daß jetzt wieder in
officiellen und halbofficicllen Auslassungen der Regierung von "wohldenkenden" oder
von "übelgesinnten" Klassen der Bevölkerung die Rede ist. Noch nie hat es einer


Partei werden als zwei gesonderte Parteien bei den nächsten Wahlen auftreten; das
ist nach dem Verlauf der letzten Monate nicht anders möglich. Aber es ist nicht
einzusehen, warum sie nicht als verbündete Parteien sollten auftreten können. Der
vornehmste Feind, weichen beide gemeinschaftlich zu bekämpfen haben, ist die Reaction,
und diese hat keine andere Chance bei den bevorstehenden Wahlen, als den Hader
zwischen den verschiedenen Fractionen der liberalen Partei. Was kann es der Sache
des Fortschritts nützen, wenn jetzt die Presse der Fortschrittspartei den abgetretenen
Ministern ihre Unterlassungssünden nochmals vorhält? Wissen wir doch alle,
daß durch größere Entschiedenheit die Minister wohl früher ihre Entlassung, aber
nicht die Durchführung ihrer Grundsätze Hütten erlangen können. Eben so wenig
aber ist zu begreifen, welcher Vortheil dem gemäßigten Liberalismus daraus er¬
wachsen soll, wenn die Presse desselben die Demokratie zurückstößt und nicht
daran glauben will, daß auch diese sich auf den Boden der Verfassung stellen
und an dem Ausbau derselben ernsthaft mit arbeiten könne. Der günstige Erfolg
der nächsten Wahlen wird zum Theil davon abhängen, ob diese unfruchtbaren
Zänkereien vor der größeren und ernsteren gemeinschaftlichen Aufgabe zurücktreten.

Das neue Ministerium hat bis dahin noch nicht viel von sich hören lassen.
Der Allerhöchste Erlaß vom 19. d. M. wird als das Programm der jetzigen Regie¬
rung betrachtet werden sollen. Im Ganzen hat derselbe eine beruhigende Wirkung
gehabt. Von der Reaction waren zahlreiche Gerüchte in Umlauf gesetzt, nach denen
Octroyirungcn und Staatsstreiche bevorstehen sollten; solche beunruhigende Be¬
fürchtungen sind durch den Allerhöchsten Erlaß vorläufig niedergeschlagen. Der
König will an den Formen der Verfassung festhalten, wenn er auch mit dem Geist
derselben sich nicht befreunden kann. Im Uebrigen beschränkt der Erlaß sich im
Grunde darauf, aus dem Programm vom 8. Novbr. 1858 den Satz, daß bei den
Reformen im Innern doch nicht mit der Vergangenheit gebrochen werden soll, noch¬
mals besonders einzuschärfen und vor den irrthümlichen Auslegungen zu warnen,
bei welchen dieser Satz keine Berücksichtigung gefunden habe. Wenn außerdem er¬
klärt wird, daß auch in Bezug auf die deutsche Politik der bisherige Standpunkt
unverändert festgehalten werden soll, so scheint dabei eine kaum begreifliche Täuschung
obzuwalten. Denn das Programm von 1858 sprach von „moralischen Eroberungen,
die Preußen in Deutschland machen solle. Herrn von der Heydt aber hätten wir für
zu klug gehalten, als daß er sich selbst die Fähigkeit zutrauen sollte, moralische Er¬
oberungen zu machen. Im Uebrigen scheint der Erlaß ein Festhalten an der ver¬
fassungsmäßigen Freiheit der Wahlen eher zu bestätigen als in Frage zu stellen.

Dieses Programm würde also der neuen Negierung noch nicht ein so übles
Prognostikon stellen, wenn nicht zu gleicher Zeit in der Stcrnzeitung ein Commen-
tar erschienen wäre, welcher die allgemeinste Entrüstung hervorruft. Die neueste
Aera scheint einen Polizeiwachtmeister mit der Leitung der officiösen Presse beauftragt
zu haben; wenigstens muß man dies aus dem Ton und der Sachkenntniß schließen,
womit das Organ der Regierung das jetzige Programm entwickelt. Zuerst wird die
Majorität der aufgelösten Kammer auf die Anklagebank gesetzt; aber dabei passirt
der hnlbvfficiellen Zeitung das Unglück, daß sie der Fortschrittspartei als Hauptvcr-
brechcn die Absicht vorwirft, für ihre Zustimmung zur Armeeorganisation andere Conces¬
sionen von allgemein politischer Bedeutung sich erkaufen zu wollen. Aber es ist doch noto¬
risch, daß diese Abkaufstheorie von der ganzen Fortschrittspartei unablässig bekämpft, dage¬
gen gerade von dem bedeutendsten Organ der gouvernementalen Partei vertheidigt ist.

Uebrigens müssen wir uns erinnern, daß unsere jetzigen Minister noch großen-
theils Neulinge auf dem Gebiet des constitutionellen Staatslebens sind. Nur so
läßt es sich entschuldigen und einigermaßen erträglich finden, daß jetzt wieder in
officiellen und halbofficicllen Auslassungen der Regierung von „wohldenkenden" oder
von „übelgesinnten" Klassen der Bevölkerung die Rede ist. Noch nie hat es einer


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[0047] Partei werden als zwei gesonderte Parteien bei den nächsten Wahlen auftreten; das ist nach dem Verlauf der letzten Monate nicht anders möglich. Aber es ist nicht einzusehen, warum sie nicht als verbündete Parteien sollten auftreten können. Der vornehmste Feind, weichen beide gemeinschaftlich zu bekämpfen haben, ist die Reaction, und diese hat keine andere Chance bei den bevorstehenden Wahlen, als den Hader zwischen den verschiedenen Fractionen der liberalen Partei. Was kann es der Sache des Fortschritts nützen, wenn jetzt die Presse der Fortschrittspartei den abgetretenen Ministern ihre Unterlassungssünden nochmals vorhält? Wissen wir doch alle, daß durch größere Entschiedenheit die Minister wohl früher ihre Entlassung, aber nicht die Durchführung ihrer Grundsätze Hütten erlangen können. Eben so wenig aber ist zu begreifen, welcher Vortheil dem gemäßigten Liberalismus daraus er¬ wachsen soll, wenn die Presse desselben die Demokratie zurückstößt und nicht daran glauben will, daß auch diese sich auf den Boden der Verfassung stellen und an dem Ausbau derselben ernsthaft mit arbeiten könne. Der günstige Erfolg der nächsten Wahlen wird zum Theil davon abhängen, ob diese unfruchtbaren Zänkereien vor der größeren und ernsteren gemeinschaftlichen Aufgabe zurücktreten. Das neue Ministerium hat bis dahin noch nicht viel von sich hören lassen. Der Allerhöchste Erlaß vom 19. d. M. wird als das Programm der jetzigen Regie¬ rung betrachtet werden sollen. Im Ganzen hat derselbe eine beruhigende Wirkung gehabt. Von der Reaction waren zahlreiche Gerüchte in Umlauf gesetzt, nach denen Octroyirungcn und Staatsstreiche bevorstehen sollten; solche beunruhigende Be¬ fürchtungen sind durch den Allerhöchsten Erlaß vorläufig niedergeschlagen. Der König will an den Formen der Verfassung festhalten, wenn er auch mit dem Geist derselben sich nicht befreunden kann. Im Uebrigen beschränkt der Erlaß sich im Grunde darauf, aus dem Programm vom 8. Novbr. 1858 den Satz, daß bei den Reformen im Innern doch nicht mit der Vergangenheit gebrochen werden soll, noch¬ mals besonders einzuschärfen und vor den irrthümlichen Auslegungen zu warnen, bei welchen dieser Satz keine Berücksichtigung gefunden habe. Wenn außerdem er¬ klärt wird, daß auch in Bezug auf die deutsche Politik der bisherige Standpunkt unverändert festgehalten werden soll, so scheint dabei eine kaum begreifliche Täuschung obzuwalten. Denn das Programm von 1858 sprach von „moralischen Eroberungen, die Preußen in Deutschland machen solle. Herrn von der Heydt aber hätten wir für zu klug gehalten, als daß er sich selbst die Fähigkeit zutrauen sollte, moralische Er¬ oberungen zu machen. Im Uebrigen scheint der Erlaß ein Festhalten an der ver¬ fassungsmäßigen Freiheit der Wahlen eher zu bestätigen als in Frage zu stellen. Dieses Programm würde also der neuen Negierung noch nicht ein so übles Prognostikon stellen, wenn nicht zu gleicher Zeit in der Stcrnzeitung ein Commen- tar erschienen wäre, welcher die allgemeinste Entrüstung hervorruft. Die neueste Aera scheint einen Polizeiwachtmeister mit der Leitung der officiösen Presse beauftragt zu haben; wenigstens muß man dies aus dem Ton und der Sachkenntniß schließen, womit das Organ der Regierung das jetzige Programm entwickelt. Zuerst wird die Majorität der aufgelösten Kammer auf die Anklagebank gesetzt; aber dabei passirt der hnlbvfficiellen Zeitung das Unglück, daß sie der Fortschrittspartei als Hauptvcr- brechcn die Absicht vorwirft, für ihre Zustimmung zur Armeeorganisation andere Conces¬ sionen von allgemein politischer Bedeutung sich erkaufen zu wollen. Aber es ist doch noto¬ risch, daß diese Abkaufstheorie von der ganzen Fortschrittspartei unablässig bekämpft, dage¬ gen gerade von dem bedeutendsten Organ der gouvernementalen Partei vertheidigt ist. Uebrigens müssen wir uns erinnern, daß unsere jetzigen Minister noch großen- theils Neulinge auf dem Gebiet des constitutionellen Staatslebens sind. Nur so läßt es sich entschuldigen und einigermaßen erträglich finden, daß jetzt wieder in officiellen und halbofficicllen Auslassungen der Regierung von „wohldenkenden" oder von „übelgesinnten" Klassen der Bevölkerung die Rede ist. Noch nie hat es einer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/47>, abgerufen am 18.05.2024.