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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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lich großartigen Anblick einer erregten See zu genießen, welche in jenen Gegen¬
den einen besonders wilden Charakter trägt.

Man braucht nur einen Blick auf die Küste Nordamerika's von New-York
an bis zur äußersten Spitze von Florida zu werfen, um sofort die eigenthüm¬
liche Formation derselben zu bemerken. An der ganzen Strecke finden wir
eine Menge von Einschnitten, mitunter größere Buchten, die nach der See>zu
von langen und schmalen, meist felsigen Inseln begrenzt werden und meist
nur durch enge Eingänge, Inlets, mit derselben in Verbindung stehen. Seit
Jahrtausenden spült die von Osten kommende Welle die weichen Theile dieser
Landstrecken aus, während die felsigen oder härteren ihren Wirkungen länger
widerstehen und so ist ein förmliches Netz von Küstengewässern entstanden,
welche natürlich eine sehr unregelmäßige Brechung der Welle bedingen und
keine regelmäßige Brandung zulassen, sondern ebenso unregelmäßig und sto߬
weise reflectiren. So entstehen die sogenannten Stoßwellen, die Breakers.
welche schon so manchem Schiff Verderben gebracht und namentlich an der
Küste von Nordcarolina viel Unheil angerichtet haben. Im letzten Jahre
sind in jenen Gewässern allein gegen 25 Dampfer und Transports, u. a. die
prächtige Dampffregatte Oriental im Mai d. I., zu Grunde gegangen. --
Am meisten und unangenehmsten ist man den Wirkungen dieser Stvßwellen in
einem kleinen Schraubendampfer ausgesetzt, welcher schon an und für sich der
leisesten Bewegung des Wassers folgt, indem der ganze Rumpf die Bewegungen
der Schraube wiederholt. -- Wir befanden uns fortwährend in einer weißen
Gischtmasse, welche ihre Flocken hoch über unsre Häupter emporschleuderte, uns
hob und senkte, so daß der Bug unsres Schiffchens bald den Himmel stürmen,
bald den Meeresgrund suchen zu wollen schien. Der Sturm wuchs allmälig zum
Orkan; ion- mußten uns >in unsre Kojen begeben, weil wir uns sonst nirgends
mehr halten konnten, und alle unsre Philosophie aufbieten, uns in das Un¬
vermeidliche zu fügen. Der Capitän gestand nachher selbst, daß er mit der
Matanzas nicht gerade gern bei solchem Wetter unterwegs wäre. Es sei ein
schönes, festes Schiff, aber ein wenig kopfschwer, und er habe schon öfter an
die Möglichkeit gedacht, daß es gar nicht wieder in die Höhe kommen würde,
wenn es so die Nase ins Wasser stecke. Die Nase trug sich jedoch immer
wieder hoch und nach zwei Tagen und zwei Nächten, während welcher wir den
gefährlichsten Theil der Küste passirt hatten, schien wieder ein freundlicher
Morgen auf die zwar noch immer erregten, aber nicht mehr so chaotisch wüh-
lenden'Wellen. Die "Matanzas" hatte sich gut gehalten, und nur die "Nase"
sah von den so oft wiederholten Anstrengungen etwas kahl' aus,

(Fortsetzung folgt).




lich großartigen Anblick einer erregten See zu genießen, welche in jenen Gegen¬
den einen besonders wilden Charakter trägt.

Man braucht nur einen Blick auf die Küste Nordamerika's von New-York
an bis zur äußersten Spitze von Florida zu werfen, um sofort die eigenthüm¬
liche Formation derselben zu bemerken. An der ganzen Strecke finden wir
eine Menge von Einschnitten, mitunter größere Buchten, die nach der See>zu
von langen und schmalen, meist felsigen Inseln begrenzt werden und meist
nur durch enge Eingänge, Inlets, mit derselben in Verbindung stehen. Seit
Jahrtausenden spült die von Osten kommende Welle die weichen Theile dieser
Landstrecken aus, während die felsigen oder härteren ihren Wirkungen länger
widerstehen und so ist ein förmliches Netz von Küstengewässern entstanden,
welche natürlich eine sehr unregelmäßige Brechung der Welle bedingen und
keine regelmäßige Brandung zulassen, sondern ebenso unregelmäßig und sto߬
weise reflectiren. So entstehen die sogenannten Stoßwellen, die Breakers.
welche schon so manchem Schiff Verderben gebracht und namentlich an der
Küste von Nordcarolina viel Unheil angerichtet haben. Im letzten Jahre
sind in jenen Gewässern allein gegen 25 Dampfer und Transports, u. a. die
prächtige Dampffregatte Oriental im Mai d. I., zu Grunde gegangen. —
Am meisten und unangenehmsten ist man den Wirkungen dieser Stvßwellen in
einem kleinen Schraubendampfer ausgesetzt, welcher schon an und für sich der
leisesten Bewegung des Wassers folgt, indem der ganze Rumpf die Bewegungen
der Schraube wiederholt. — Wir befanden uns fortwährend in einer weißen
Gischtmasse, welche ihre Flocken hoch über unsre Häupter emporschleuderte, uns
hob und senkte, so daß der Bug unsres Schiffchens bald den Himmel stürmen,
bald den Meeresgrund suchen zu wollen schien. Der Sturm wuchs allmälig zum
Orkan; ion- mußten uns >in unsre Kojen begeben, weil wir uns sonst nirgends
mehr halten konnten, und alle unsre Philosophie aufbieten, uns in das Un¬
vermeidliche zu fügen. Der Capitän gestand nachher selbst, daß er mit der
Matanzas nicht gerade gern bei solchem Wetter unterwegs wäre. Es sei ein
schönes, festes Schiff, aber ein wenig kopfschwer, und er habe schon öfter an
die Möglichkeit gedacht, daß es gar nicht wieder in die Höhe kommen würde,
wenn es so die Nase ins Wasser stecke. Die Nase trug sich jedoch immer
wieder hoch und nach zwei Tagen und zwei Nächten, während welcher wir den
gefährlichsten Theil der Küste passirt hatten, schien wieder ein freundlicher
Morgen auf die zwar noch immer erregten, aber nicht mehr so chaotisch wüh-
lenden'Wellen. Die „Matanzas" hatte sich gut gehalten, und nur die „Nase"
sah von den so oft wiederholten Anstrengungen etwas kahl' aus,

(Fortsetzung folgt).




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[0101] lich großartigen Anblick einer erregten See zu genießen, welche in jenen Gegen¬ den einen besonders wilden Charakter trägt. Man braucht nur einen Blick auf die Küste Nordamerika's von New-York an bis zur äußersten Spitze von Florida zu werfen, um sofort die eigenthüm¬ liche Formation derselben zu bemerken. An der ganzen Strecke finden wir eine Menge von Einschnitten, mitunter größere Buchten, die nach der See>zu von langen und schmalen, meist felsigen Inseln begrenzt werden und meist nur durch enge Eingänge, Inlets, mit derselben in Verbindung stehen. Seit Jahrtausenden spült die von Osten kommende Welle die weichen Theile dieser Landstrecken aus, während die felsigen oder härteren ihren Wirkungen länger widerstehen und so ist ein förmliches Netz von Küstengewässern entstanden, welche natürlich eine sehr unregelmäßige Brechung der Welle bedingen und keine regelmäßige Brandung zulassen, sondern ebenso unregelmäßig und sto߬ weise reflectiren. So entstehen die sogenannten Stoßwellen, die Breakers. welche schon so manchem Schiff Verderben gebracht und namentlich an der Küste von Nordcarolina viel Unheil angerichtet haben. Im letzten Jahre sind in jenen Gewässern allein gegen 25 Dampfer und Transports, u. a. die prächtige Dampffregatte Oriental im Mai d. I., zu Grunde gegangen. — Am meisten und unangenehmsten ist man den Wirkungen dieser Stvßwellen in einem kleinen Schraubendampfer ausgesetzt, welcher schon an und für sich der leisesten Bewegung des Wassers folgt, indem der ganze Rumpf die Bewegungen der Schraube wiederholt. — Wir befanden uns fortwährend in einer weißen Gischtmasse, welche ihre Flocken hoch über unsre Häupter emporschleuderte, uns hob und senkte, so daß der Bug unsres Schiffchens bald den Himmel stürmen, bald den Meeresgrund suchen zu wollen schien. Der Sturm wuchs allmälig zum Orkan; ion- mußten uns >in unsre Kojen begeben, weil wir uns sonst nirgends mehr halten konnten, und alle unsre Philosophie aufbieten, uns in das Un¬ vermeidliche zu fügen. Der Capitän gestand nachher selbst, daß er mit der Matanzas nicht gerade gern bei solchem Wetter unterwegs wäre. Es sei ein schönes, festes Schiff, aber ein wenig kopfschwer, und er habe schon öfter an die Möglichkeit gedacht, daß es gar nicht wieder in die Höhe kommen würde, wenn es so die Nase ins Wasser stecke. Die Nase trug sich jedoch immer wieder hoch und nach zwei Tagen und zwei Nächten, während welcher wir den gefährlichsten Theil der Küste passirt hatten, schien wieder ein freundlicher Morgen auf die zwar noch immer erregten, aber nicht mehr so chaotisch wüh- lenden'Wellen. Die „Matanzas" hatte sich gut gehalten, und nur die „Nase" sah von den so oft wiederholten Anstrengungen etwas kahl' aus, (Fortsetzung folgt).

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/101>, abgerufen am 14.05.2024.