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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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die Ordre des Mount-Vernon zu befolgen und wir dampften getrost auf die
drei Lichter vor uns zu. Schon von Weitem hörten wir das Geräusch der
Pumpen, die Befehle der Offiziere, den Lärm der Mannschaft, welche sich die
schwere Arbeit durch Gesang zu erleichtern suchte. Wir kamen nahe heran
und wieder begann die Unterhaltung mit dem Sprachrohr.

Die "Mississippi", ein prächtiger, ganz neuer Schraubendampfer, gehörte zu der
Butlerschen Expedition, die zur Einnahme von New-Orleans bestimmt war und war
an demselben Tage mit uns von Boston ausgelaufen. Während des Sturmes
war sie der Küste zu nahe gekommen und hatte nach Lee ihren Anker halb aus¬
gehängt, um ihn jeden Augenblick fallen lassen zu können. So war sie angetrieben
und hatte sich mit dem eigenen Anker einen bedeutenden Leck in den Bug unter
Wasser gestoßen. Zuerst hatten die Pumpen nicht gegen das einströmende
Wasser arbeiten können; aber allmälig hatte sich der Leck durch Zusammenziehn
und Verstopfung durch von außen in den Bug geworfene Substanzen verkleinert.
Jetzt bekamen wir aus unsere Anfrage, ob augenblickliche Hülfe nothwendig sei,,
die Antwort: "Wir gewinnen; Mannschaft genug zum Pumpen; bleibt nahe!"
Das war zwar ein Trost, aber immerhin nicht angenehm, da unsere Ankunft
in Port Royal beträchtlich durch diesen Umstand verzögert wurde; denn natürlich
konnte die Mississippi nur langsam folgen. -- Ich suchte mich indeß mit philo¬
sophischer Ruhe in die Nothwendigkeit zu finden und setzte mich mit dem
Purser aufs Verdeck, um bei einem guten Glase Punsch den keineswegs un¬
interessanter Anblick zu genießen. Die dunkle Masse, welche sich schwerfällig durchs
Wasser bewegte, die geschäftig auf dem Verdeck durch einander wogende Menschen¬
menge, das Knarren der Pumpen, begleitet von dem monotonen Gesänge der
Arbeiter, und das Alles unter Rembrandtscher Beleuchtung machte einen eigen¬
thümlich düstern Eindruck, und wir saßen lange in diesen Anblick versunken,
bis uns der kühlere Nachtwind und der in diesen Gegenden außerordentlich
schwerfallende Thau in die Koje trieb. Noch zwei Tage dauerte es, bis wir
"Dickle's Land", in der Nähe begrüßten. Nach amerikanischer Gewohnheit wurde
die Dankadresse an Capitän und Purser unter den gewöhnlichen Phrasen ab¬
gefaßt, das Abschieds- und Champagner-Diner des Ersteren mit gebührender
Achtung entgegengenommen, und -- wir warfen auf der schönen Rhede, von
Hilton Head "posr, vlrrios easus, xost tot üiserimivir rerum" Anker.

Port Royal Entrance ist eine Bucht, welche, wie die Bai von New-Uork,
durch eine Barre geschützt und sich nach innen zu weiter ausdehnend, einen der
herrlichsten Ankerplätze an der atlantischen Küste Amerika's bietet. Die Ufer
derselben werden wieder von einem Jnselcomplex gebildet, dessen einzelne Theile
jedoch nur durch schmale Einschnitte, Creeks, getrennt sind und der bisher als
das eigentliche Baumwollenparadies, das Vaterland des gesuchten "ses, islimck
cotton", berühmt war. - Südöstlich streckt sich die Insel Bay-Point, während


Grenzboten IV. 1862. 19

die Ordre des Mount-Vernon zu befolgen und wir dampften getrost auf die
drei Lichter vor uns zu. Schon von Weitem hörten wir das Geräusch der
Pumpen, die Befehle der Offiziere, den Lärm der Mannschaft, welche sich die
schwere Arbeit durch Gesang zu erleichtern suchte. Wir kamen nahe heran
und wieder begann die Unterhaltung mit dem Sprachrohr.

Die „Mississippi", ein prächtiger, ganz neuer Schraubendampfer, gehörte zu der
Butlerschen Expedition, die zur Einnahme von New-Orleans bestimmt war und war
an demselben Tage mit uns von Boston ausgelaufen. Während des Sturmes
war sie der Küste zu nahe gekommen und hatte nach Lee ihren Anker halb aus¬
gehängt, um ihn jeden Augenblick fallen lassen zu können. So war sie angetrieben
und hatte sich mit dem eigenen Anker einen bedeutenden Leck in den Bug unter
Wasser gestoßen. Zuerst hatten die Pumpen nicht gegen das einströmende
Wasser arbeiten können; aber allmälig hatte sich der Leck durch Zusammenziehn
und Verstopfung durch von außen in den Bug geworfene Substanzen verkleinert.
Jetzt bekamen wir aus unsere Anfrage, ob augenblickliche Hülfe nothwendig sei,,
die Antwort: „Wir gewinnen; Mannschaft genug zum Pumpen; bleibt nahe!"
Das war zwar ein Trost, aber immerhin nicht angenehm, da unsere Ankunft
in Port Royal beträchtlich durch diesen Umstand verzögert wurde; denn natürlich
konnte die Mississippi nur langsam folgen. — Ich suchte mich indeß mit philo¬
sophischer Ruhe in die Nothwendigkeit zu finden und setzte mich mit dem
Purser aufs Verdeck, um bei einem guten Glase Punsch den keineswegs un¬
interessanter Anblick zu genießen. Die dunkle Masse, welche sich schwerfällig durchs
Wasser bewegte, die geschäftig auf dem Verdeck durch einander wogende Menschen¬
menge, das Knarren der Pumpen, begleitet von dem monotonen Gesänge der
Arbeiter, und das Alles unter Rembrandtscher Beleuchtung machte einen eigen¬
thümlich düstern Eindruck, und wir saßen lange in diesen Anblick versunken,
bis uns der kühlere Nachtwind und der in diesen Gegenden außerordentlich
schwerfallende Thau in die Koje trieb. Noch zwei Tage dauerte es, bis wir
„Dickle's Land", in der Nähe begrüßten. Nach amerikanischer Gewohnheit wurde
die Dankadresse an Capitän und Purser unter den gewöhnlichen Phrasen ab¬
gefaßt, das Abschieds- und Champagner-Diner des Ersteren mit gebührender
Achtung entgegengenommen, und — wir warfen auf der schönen Rhede, von
Hilton Head „posr, vlrrios easus, xost tot üiserimivir rerum" Anker.

Port Royal Entrance ist eine Bucht, welche, wie die Bai von New-Uork,
durch eine Barre geschützt und sich nach innen zu weiter ausdehnend, einen der
herrlichsten Ankerplätze an der atlantischen Küste Amerika's bietet. Die Ufer
derselben werden wieder von einem Jnselcomplex gebildet, dessen einzelne Theile
jedoch nur durch schmale Einschnitte, Creeks, getrennt sind und der bisher als
das eigentliche Baumwollenparadies, das Vaterland des gesuchten „ses, islimck
cotton", berühmt war. - Südöstlich streckt sich die Insel Bay-Point, während


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/153>, abgerufen am 08.06.2024.