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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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mit Ekel das alberne Gefahren der nichtswissenden Offiziere, ohne jedoch et¬
was zur Abänderung der mißlichen Verhältnisse thun zu können.

Der Regen, welcher eine Zeit lang nachgelassen hatte, fing nun wieder
mit der ganzen Heftigkeit jener Breite an zu fallen und zwang uns, das einzige
trockene Asyl, das Quartiermeisteramt. wieder aufzusuchen. Hier erfuhren wir,
daß das Dampfboot "Delaware" am Nachmittag nach Beaufort gehen würde,
und wir beschlossen, gleich diese Gelegenheit zu einem Ausflug dahin zu be¬
nutzen, zumal wir hoffen durften, an Bord des Dampfers unserm leiblichen
Menschen, welcher bisher aufs äußerste vernachlässigt worden war, wieder
einige Aufmerksamkeit widmen zu können.

Gegen vier libr Nachmittags sammelten sich auf dem Landungsdock eine
Menge Mensehen und schauten sehnsüchtig .nach der "Delaware" hinüber, welche
mitten im Strom lag und durch den noch immer sehr heftigen Regen kaum zu
erkennen war. Vergebens sahen wir uns nach einem dienstbaren Geist um. der
uns an Bord rudern sollte; aber alle die Boote, welche sich in beneidens-
werther Trockenheit unter dem Dock schaukelten, waren "unter Ordres" und
durften sich nicht entfernen. Zurückgehen durften wir nicht, da die Abgangs¬
zeit des Dampfers nicht genau bestimmt war, und so konnten wir denn nichts
thun, als dem Beispiele unsrer Leidensgefährten folgen und uns an der Seite
eines Holzhaufens hinkauern, um wo nicht der Nässe, doch dem heftigen An¬
drange des Regens zu entgehen.

Während wir so saßen und über den Wechsel des Schicksals im Allge¬
meinen traurige Betrachtungen anstellten, kam das Boot des Provostmarschall,
welches ich bereits bei unsrer Landung erwähnte, mit dem Sergeanten und sei¬
nen sechs schwarzen Ruderern an den Dock. Der Erstere war, ich weiß nicht
aus welcher Ursache, über seine Trabanten sehr aufgebracht und machte seinem
Zorn in so unzweideutigen Worten Luft, das; die Neugierde uns herbeitrieb.
Durch die ihn umgebenden Zuschauer vielleicht erst recht gereizt, seine Macht¬
vollkommenheit zu zeigen, zückte er sein kurzes Schwert und zog damit einem
der Schwarzen einige Hiebe über den Rücken. Diese Brutalität erregte ein
allgemeines unwilliges Gemurmel, der Geschlagene nahm die Hiebe mit der
seiner Race eigenthümlichen Duldsamkeit hin. Hierüber erboste sich der kleine
Sergeant so sehr, daß er seiner kaum mehr Meister zu sein schien und die
Spitze seines Spießes dem Neger auf die Brust setzte. Ich glaube wirklich, er
würde ihn durchbohrt haben, wenn nicht Arme dagewesen wären, ihn zurück¬
zuhalten und diesen "kceiclental äekM", wie die That nachher betitelt worden
sein würde, zu verhindern. Diese Arme gehörten zufälliger Weise meinem Freunde
und mir an, die wir der Scene am nächsten standen, und die ganze Wuth des
vermeintlich in seiner Amtsehre Gekränkten wandte sich jetzt auf unser Haupt.
Wir warfen ihm sein brutales Benehmen vor und drohten mit Denunciation


mit Ekel das alberne Gefahren der nichtswissenden Offiziere, ohne jedoch et¬
was zur Abänderung der mißlichen Verhältnisse thun zu können.

Der Regen, welcher eine Zeit lang nachgelassen hatte, fing nun wieder
mit der ganzen Heftigkeit jener Breite an zu fallen und zwang uns, das einzige
trockene Asyl, das Quartiermeisteramt. wieder aufzusuchen. Hier erfuhren wir,
daß das Dampfboot „Delaware" am Nachmittag nach Beaufort gehen würde,
und wir beschlossen, gleich diese Gelegenheit zu einem Ausflug dahin zu be¬
nutzen, zumal wir hoffen durften, an Bord des Dampfers unserm leiblichen
Menschen, welcher bisher aufs äußerste vernachlässigt worden war, wieder
einige Aufmerksamkeit widmen zu können.

Gegen vier libr Nachmittags sammelten sich auf dem Landungsdock eine
Menge Mensehen und schauten sehnsüchtig .nach der „Delaware" hinüber, welche
mitten im Strom lag und durch den noch immer sehr heftigen Regen kaum zu
erkennen war. Vergebens sahen wir uns nach einem dienstbaren Geist um. der
uns an Bord rudern sollte; aber alle die Boote, welche sich in beneidens-
werther Trockenheit unter dem Dock schaukelten, waren „unter Ordres" und
durften sich nicht entfernen. Zurückgehen durften wir nicht, da die Abgangs¬
zeit des Dampfers nicht genau bestimmt war, und so konnten wir denn nichts
thun, als dem Beispiele unsrer Leidensgefährten folgen und uns an der Seite
eines Holzhaufens hinkauern, um wo nicht der Nässe, doch dem heftigen An¬
drange des Regens zu entgehen.

Während wir so saßen und über den Wechsel des Schicksals im Allge¬
meinen traurige Betrachtungen anstellten, kam das Boot des Provostmarschall,
welches ich bereits bei unsrer Landung erwähnte, mit dem Sergeanten und sei¬
nen sechs schwarzen Ruderern an den Dock. Der Erstere war, ich weiß nicht
aus welcher Ursache, über seine Trabanten sehr aufgebracht und machte seinem
Zorn in so unzweideutigen Worten Luft, das; die Neugierde uns herbeitrieb.
Durch die ihn umgebenden Zuschauer vielleicht erst recht gereizt, seine Macht¬
vollkommenheit zu zeigen, zückte er sein kurzes Schwert und zog damit einem
der Schwarzen einige Hiebe über den Rücken. Diese Brutalität erregte ein
allgemeines unwilliges Gemurmel, der Geschlagene nahm die Hiebe mit der
seiner Race eigenthümlichen Duldsamkeit hin. Hierüber erboste sich der kleine
Sergeant so sehr, daß er seiner kaum mehr Meister zu sein schien und die
Spitze seines Spießes dem Neger auf die Brust setzte. Ich glaube wirklich, er
würde ihn durchbohrt haben, wenn nicht Arme dagewesen wären, ihn zurück¬
zuhalten und diesen „kceiclental äekM", wie die That nachher betitelt worden
sein würde, zu verhindern. Diese Arme gehörten zufälliger Weise meinem Freunde
und mir an, die wir der Scene am nächsten standen, und die ganze Wuth des
vermeintlich in seiner Amtsehre Gekränkten wandte sich jetzt auf unser Haupt.
Wir warfen ihm sein brutales Benehmen vor und drohten mit Denunciation


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[0221] mit Ekel das alberne Gefahren der nichtswissenden Offiziere, ohne jedoch et¬ was zur Abänderung der mißlichen Verhältnisse thun zu können. Der Regen, welcher eine Zeit lang nachgelassen hatte, fing nun wieder mit der ganzen Heftigkeit jener Breite an zu fallen und zwang uns, das einzige trockene Asyl, das Quartiermeisteramt. wieder aufzusuchen. Hier erfuhren wir, daß das Dampfboot „Delaware" am Nachmittag nach Beaufort gehen würde, und wir beschlossen, gleich diese Gelegenheit zu einem Ausflug dahin zu be¬ nutzen, zumal wir hoffen durften, an Bord des Dampfers unserm leiblichen Menschen, welcher bisher aufs äußerste vernachlässigt worden war, wieder einige Aufmerksamkeit widmen zu können. Gegen vier libr Nachmittags sammelten sich auf dem Landungsdock eine Menge Mensehen und schauten sehnsüchtig .nach der „Delaware" hinüber, welche mitten im Strom lag und durch den noch immer sehr heftigen Regen kaum zu erkennen war. Vergebens sahen wir uns nach einem dienstbaren Geist um. der uns an Bord rudern sollte; aber alle die Boote, welche sich in beneidens- werther Trockenheit unter dem Dock schaukelten, waren „unter Ordres" und durften sich nicht entfernen. Zurückgehen durften wir nicht, da die Abgangs¬ zeit des Dampfers nicht genau bestimmt war, und so konnten wir denn nichts thun, als dem Beispiele unsrer Leidensgefährten folgen und uns an der Seite eines Holzhaufens hinkauern, um wo nicht der Nässe, doch dem heftigen An¬ drange des Regens zu entgehen. Während wir so saßen und über den Wechsel des Schicksals im Allge¬ meinen traurige Betrachtungen anstellten, kam das Boot des Provostmarschall, welches ich bereits bei unsrer Landung erwähnte, mit dem Sergeanten und sei¬ nen sechs schwarzen Ruderern an den Dock. Der Erstere war, ich weiß nicht aus welcher Ursache, über seine Trabanten sehr aufgebracht und machte seinem Zorn in so unzweideutigen Worten Luft, das; die Neugierde uns herbeitrieb. Durch die ihn umgebenden Zuschauer vielleicht erst recht gereizt, seine Macht¬ vollkommenheit zu zeigen, zückte er sein kurzes Schwert und zog damit einem der Schwarzen einige Hiebe über den Rücken. Diese Brutalität erregte ein allgemeines unwilliges Gemurmel, der Geschlagene nahm die Hiebe mit der seiner Race eigenthümlichen Duldsamkeit hin. Hierüber erboste sich der kleine Sergeant so sehr, daß er seiner kaum mehr Meister zu sein schien und die Spitze seines Spießes dem Neger auf die Brust setzte. Ich glaube wirklich, er würde ihn durchbohrt haben, wenn nicht Arme dagewesen wären, ihn zurück¬ zuhalten und diesen „kceiclental äekM", wie die That nachher betitelt worden sein würde, zu verhindern. Diese Arme gehörten zufälliger Weise meinem Freunde und mir an, die wir der Scene am nächsten standen, und die ganze Wuth des vermeintlich in seiner Amtsehre Gekränkten wandte sich jetzt auf unser Haupt. Wir warfen ihm sein brutales Benehmen vor und drohten mit Denunciation

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/221>, abgerufen am 15.05.2024.