Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

daß er den Verfasser der Theorie des großen Kriegs vor sich habe. Da der
Barus sich in Agram befand und seine Ankunft in Warasdin noch unbestimmt
war, begab sich Willisen über Marburg nach Wien, um sich für ein längeres
Verweilen in Kroatien einzurichten, worauf er auf demselben Wege in den
ersten Tagen des September nach Warasdin zurückkehrte. Jellachich war in¬
zwischen hier eingetroffen, und Willisen wurde von ihm auf das Herzlichste und
Ehrenvollste aufgenommen und in alle seine politischen Ansichten und Pläne
eingeweiht. Er wohnte bei ihm, erhielt die Erlaubniß, ihn auf seinem Zug
nach dem Plattensee zu begleiten, und machte diese Expedition dann wirklich
mit. Indeß drängten sich ihm zuletzt Bedenken auf, ob längeres Verweilen
bei der preußischen Regierung gern gesehen sein würde, und da er zugleich
zu merken glaube, daß der Barus sowohl als der Chef seines Stabes.
General Zeisberg. über seine Gegenwart im Kroatenlager nicht ganz klug
werden konnten, außerdem aber der Antrag des Erzherzogs Stephan auf eine
Zusammenkunft mit Jellachich auf friedliche Ausgleichung zu deuten schien, so
meinte er sich verabschieden zu müssen. So verließ er den Barus, der seine
vollste Zuneigung und Anerkennung gewonnen, und machte sich, in Wien vom
Kriegsminister Latour mit einem Empfehlungsschreiben an alle Befehlshaber
versehen, auf den Weg nach Oberitalien.

Da militärisch nichts zu versäumen war, so reiste Willisen, um Land und
Stimmung auf dem Wege näher kennen zu lernen, in kleinen Tagereisen, hielt
sich in Klagenfurt, in Vliland. in Botzen und Trient auf. besah das Franzens¬
fort und blieb mehre Tage in Verona, theils der Festung, theils des Schlacht¬
felds von Se. Lucia wegen, die "beide so sehr in die Theorie des großen
Krieges passen, als ob sie aus ihr entlehnt wären. Diese Festung als strate¬
gischer Manövrirpuntt, das verschanzte Lager auf der dem Feinde zugekehrten
Seite des Hindernisses, die Schlacht als Defensivschlacht mit ihrem offensiven
Hintergedanken. Man war eben damit beschäftigt, das Redoutensystem auf
dem westlichen Thalrande besser auszubauen, als hätte man durch die Begeben¬
heiten des Mai erst recht gelernt, was zur Vollständigkeit des Systems noch
fehlte. Seitdem sind da permanente Werke entstanden, und das Ganze hat
eine Festigkeit erhalten, welche den größten Anstrengungen dagegen Trotz bieten
würde. Die großen und kleinen Terrainverhältnisse kommen ihm auf das Glück¬
lichste zu Hülfe, Mantua mit der starken Minciolinie vor sich, das fruchtbarste
Land mit der Eisenbahn hinter sich, Tirol zur Seite,, ist eine östreichische Armee
aus dieser Stellung kaum irgendwie zu verdrängen*)".



') Trotzdem theilt Willisen, wie wir bestimmt wissen, die Ansicht des preußischen großen
Generalstabs, daß das Festungsviereck zu Oestreichs oder gar zu Deutschlands militärischer
D, Red. Sicherheit nothwendig sei. nicht, ja behauptet sogar das Gegentheil.

daß er den Verfasser der Theorie des großen Kriegs vor sich habe. Da der
Barus sich in Agram befand und seine Ankunft in Warasdin noch unbestimmt
war, begab sich Willisen über Marburg nach Wien, um sich für ein längeres
Verweilen in Kroatien einzurichten, worauf er auf demselben Wege in den
ersten Tagen des September nach Warasdin zurückkehrte. Jellachich war in¬
zwischen hier eingetroffen, und Willisen wurde von ihm auf das Herzlichste und
Ehrenvollste aufgenommen und in alle seine politischen Ansichten und Pläne
eingeweiht. Er wohnte bei ihm, erhielt die Erlaubniß, ihn auf seinem Zug
nach dem Plattensee zu begleiten, und machte diese Expedition dann wirklich
mit. Indeß drängten sich ihm zuletzt Bedenken auf, ob längeres Verweilen
bei der preußischen Regierung gern gesehen sein würde, und da er zugleich
zu merken glaube, daß der Barus sowohl als der Chef seines Stabes.
General Zeisberg. über seine Gegenwart im Kroatenlager nicht ganz klug
werden konnten, außerdem aber der Antrag des Erzherzogs Stephan auf eine
Zusammenkunft mit Jellachich auf friedliche Ausgleichung zu deuten schien, so
meinte er sich verabschieden zu müssen. So verließ er den Barus, der seine
vollste Zuneigung und Anerkennung gewonnen, und machte sich, in Wien vom
Kriegsminister Latour mit einem Empfehlungsschreiben an alle Befehlshaber
versehen, auf den Weg nach Oberitalien.

Da militärisch nichts zu versäumen war, so reiste Willisen, um Land und
Stimmung auf dem Wege näher kennen zu lernen, in kleinen Tagereisen, hielt
sich in Klagenfurt, in Vliland. in Botzen und Trient auf. besah das Franzens¬
fort und blieb mehre Tage in Verona, theils der Festung, theils des Schlacht¬
felds von Se. Lucia wegen, die „beide so sehr in die Theorie des großen
Krieges passen, als ob sie aus ihr entlehnt wären. Diese Festung als strate¬
gischer Manövrirpuntt, das verschanzte Lager auf der dem Feinde zugekehrten
Seite des Hindernisses, die Schlacht als Defensivschlacht mit ihrem offensiven
Hintergedanken. Man war eben damit beschäftigt, das Redoutensystem auf
dem westlichen Thalrande besser auszubauen, als hätte man durch die Begeben¬
heiten des Mai erst recht gelernt, was zur Vollständigkeit des Systems noch
fehlte. Seitdem sind da permanente Werke entstanden, und das Ganze hat
eine Festigkeit erhalten, welche den größten Anstrengungen dagegen Trotz bieten
würde. Die großen und kleinen Terrainverhältnisse kommen ihm auf das Glück¬
lichste zu Hülfe, Mantua mit der starken Minciolinie vor sich, das fruchtbarste
Land mit der Eisenbahn hinter sich, Tirol zur Seite,, ist eine östreichische Armee
aus dieser Stellung kaum irgendwie zu verdrängen*)".



') Trotzdem theilt Willisen, wie wir bestimmt wissen, die Ansicht des preußischen großen
Generalstabs, daß das Festungsviereck zu Oestreichs oder gar zu Deutschlands militärischer
D, Red. Sicherheit nothwendig sei. nicht, ja behauptet sogar das Gegentheil.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0229" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/115081"/>
            <p xml:id="ID_704" prev="#ID_703"> daß er den Verfasser der Theorie des großen Kriegs vor sich habe. Da der<lb/>
Barus sich in Agram befand und seine Ankunft in Warasdin noch unbestimmt<lb/>
war, begab sich Willisen über Marburg nach Wien, um sich für ein längeres<lb/>
Verweilen in Kroatien einzurichten, worauf er auf demselben Wege in den<lb/>
ersten Tagen des September nach Warasdin zurückkehrte. Jellachich war in¬<lb/>
zwischen hier eingetroffen, und Willisen wurde von ihm auf das Herzlichste und<lb/>
Ehrenvollste aufgenommen und in alle seine politischen Ansichten und Pläne<lb/>
eingeweiht. Er wohnte bei ihm, erhielt die Erlaubniß, ihn auf seinem Zug<lb/>
nach dem Plattensee zu begleiten, und machte diese Expedition dann wirklich<lb/>
mit. Indeß drängten sich ihm zuletzt Bedenken auf, ob längeres Verweilen<lb/>
bei der preußischen Regierung gern gesehen sein würde, und da er zugleich<lb/>
zu merken glaube, daß der Barus sowohl als der Chef seines Stabes.<lb/>
General Zeisberg. über seine Gegenwart im Kroatenlager nicht ganz klug<lb/>
werden konnten, außerdem aber der Antrag des Erzherzogs Stephan auf eine<lb/>
Zusammenkunft mit Jellachich auf friedliche Ausgleichung zu deuten schien, so<lb/>
meinte er sich verabschieden zu müssen. So verließ er den Barus, der seine<lb/>
vollste Zuneigung und Anerkennung gewonnen, und machte sich, in Wien vom<lb/>
Kriegsminister Latour mit einem Empfehlungsschreiben an alle Befehlshaber<lb/>
versehen, auf den Weg nach Oberitalien.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_705"> Da militärisch nichts zu versäumen war, so reiste Willisen, um Land und<lb/>
Stimmung auf dem Wege näher kennen zu lernen, in kleinen Tagereisen, hielt<lb/>
sich in Klagenfurt, in Vliland. in Botzen und Trient auf. besah das Franzens¬<lb/>
fort und blieb mehre Tage in Verona, theils der Festung, theils des Schlacht¬<lb/>
felds von Se. Lucia wegen, die &#x201E;beide so sehr in die Theorie des großen<lb/>
Krieges passen, als ob sie aus ihr entlehnt wären. Diese Festung als strate¬<lb/>
gischer Manövrirpuntt, das verschanzte Lager auf der dem Feinde zugekehrten<lb/>
Seite des Hindernisses, die Schlacht als Defensivschlacht mit ihrem offensiven<lb/>
Hintergedanken. Man war eben damit beschäftigt, das Redoutensystem auf<lb/>
dem westlichen Thalrande besser auszubauen, als hätte man durch die Begeben¬<lb/>
heiten des Mai erst recht gelernt, was zur Vollständigkeit des Systems noch<lb/>
fehlte. Seitdem sind da permanente Werke entstanden, und das Ganze hat<lb/>
eine Festigkeit erhalten, welche den größten Anstrengungen dagegen Trotz bieten<lb/>
würde. Die großen und kleinen Terrainverhältnisse kommen ihm auf das Glück¬<lb/>
lichste zu Hülfe, Mantua mit der starken Minciolinie vor sich, das fruchtbarste<lb/>
Land mit der Eisenbahn hinter sich, Tirol zur Seite,, ist eine östreichische Armee<lb/>
aus dieser Stellung kaum irgendwie zu verdrängen*)".</p><lb/>
            <note xml:id="FID_31" place="foot"> ') Trotzdem theilt Willisen, wie wir bestimmt wissen, die Ansicht des preußischen großen<lb/>
Generalstabs, daß das Festungsviereck zu Oestreichs oder gar zu Deutschlands militärischer<lb/><note type="byline"> D, Red.</note> Sicherheit nothwendig sei. nicht, ja behauptet sogar das Gegentheil.</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0229] daß er den Verfasser der Theorie des großen Kriegs vor sich habe. Da der Barus sich in Agram befand und seine Ankunft in Warasdin noch unbestimmt war, begab sich Willisen über Marburg nach Wien, um sich für ein längeres Verweilen in Kroatien einzurichten, worauf er auf demselben Wege in den ersten Tagen des September nach Warasdin zurückkehrte. Jellachich war in¬ zwischen hier eingetroffen, und Willisen wurde von ihm auf das Herzlichste und Ehrenvollste aufgenommen und in alle seine politischen Ansichten und Pläne eingeweiht. Er wohnte bei ihm, erhielt die Erlaubniß, ihn auf seinem Zug nach dem Plattensee zu begleiten, und machte diese Expedition dann wirklich mit. Indeß drängten sich ihm zuletzt Bedenken auf, ob längeres Verweilen bei der preußischen Regierung gern gesehen sein würde, und da er zugleich zu merken glaube, daß der Barus sowohl als der Chef seines Stabes. General Zeisberg. über seine Gegenwart im Kroatenlager nicht ganz klug werden konnten, außerdem aber der Antrag des Erzherzogs Stephan auf eine Zusammenkunft mit Jellachich auf friedliche Ausgleichung zu deuten schien, so meinte er sich verabschieden zu müssen. So verließ er den Barus, der seine vollste Zuneigung und Anerkennung gewonnen, und machte sich, in Wien vom Kriegsminister Latour mit einem Empfehlungsschreiben an alle Befehlshaber versehen, auf den Weg nach Oberitalien. Da militärisch nichts zu versäumen war, so reiste Willisen, um Land und Stimmung auf dem Wege näher kennen zu lernen, in kleinen Tagereisen, hielt sich in Klagenfurt, in Vliland. in Botzen und Trient auf. besah das Franzens¬ fort und blieb mehre Tage in Verona, theils der Festung, theils des Schlacht¬ felds von Se. Lucia wegen, die „beide so sehr in die Theorie des großen Krieges passen, als ob sie aus ihr entlehnt wären. Diese Festung als strate¬ gischer Manövrirpuntt, das verschanzte Lager auf der dem Feinde zugekehrten Seite des Hindernisses, die Schlacht als Defensivschlacht mit ihrem offensiven Hintergedanken. Man war eben damit beschäftigt, das Redoutensystem auf dem westlichen Thalrande besser auszubauen, als hätte man durch die Begeben¬ heiten des Mai erst recht gelernt, was zur Vollständigkeit des Systems noch fehlte. Seitdem sind da permanente Werke entstanden, und das Ganze hat eine Festigkeit erhalten, welche den größten Anstrengungen dagegen Trotz bieten würde. Die großen und kleinen Terrainverhältnisse kommen ihm auf das Glück¬ lichste zu Hülfe, Mantua mit der starken Minciolinie vor sich, das fruchtbarste Land mit der Eisenbahn hinter sich, Tirol zur Seite,, ist eine östreichische Armee aus dieser Stellung kaum irgendwie zu verdrängen*)". ') Trotzdem theilt Willisen, wie wir bestimmt wissen, die Ansicht des preußischen großen Generalstabs, daß das Festungsviereck zu Oestreichs oder gar zu Deutschlands militärischer D, Red. Sicherheit nothwendig sei. nicht, ja behauptet sogar das Gegentheil.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/229
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/229>, abgerufen am 14.05.2024.